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Zu leise, zu geizig, zu überfordert
Vom: 24.09.2018

Zu leise, zu geizig, zu überfordert:

Wie wir alle dem Adventure-Genre den Schwung nehmen

 

Ein Querschläger

 

Wie die jährliche Grippewelle mit irgendeinem Tier davor ist es in Mode gekommen, regelmäßig den Tod des Adventure-Genres herbei zu diskutieren. Die jüngsten Probleme bei Daedalic und Telltale geben dem Thema wieder Auftrieb. Nun gibt es viele Stimmen, die sagen: Das Adventure war nie tot, es ist nur seit den 1990ern in derselben Nische geblieben, mit der selben kleinen Gruppe an Fans. Und was die Anzahl an Titeln angeht, stehen wir eigentlich sogar besser da als in den 2000ern. Durch die Indie-Revolution haben wir in den vergangenen fünf Jahren deutlich mehr Titel gesehen als früher und erlebten allein bei den vergangenen drei gamescoms vollgepackte Terminkalender. Und mit Life is Strange 2 und Detroit – Become Human erschienen erst jüngst zwei wahrliche Premiumprodukte.

Fakt ist aber auch, dass der stabile Mittelbau des Adventures wegbricht. Einst verlässliche Größen wie Daedalic, King Art oder Deck13 werden wohl nicht mehr liefern. Auch Frogwares konzentriert sich mit The Sinking City auf Rollenspiele statt Adventures. Damit fällt ein wichtiger Teil des Genres weg.

Die große Menge an Indie-Titeln mit zum Teil unterirdischer oder gar keiner Pressearbeit macht es indes sehr schwierig, den Überblick zu behalten und Adventure-Perlen zu entdecken. Mit Tests und News kommen wir kaum nach, denn auch die Zeit der Redakteure wird immer begrenzter.

Zu den großen Umbrüchen im Genre und der schwierigen Marktsituation tragen wir alle bei. Die große Anzahl an Titeln überfordert viele Spieler. Wunsch- und „Könnte man mal spielen“-Listen wachsen in faszinierende Höhe,  interessante Titel werden entdeckt und gleich wieder vergessen oder gar nicht erst bemerkt. Ein wenig damit einher geht die mangelnde Bereitschaft, die Entwickler zu unterstützen. Zu wenige Spieler kaufen Titel noch zum Vollpreis. Was auch kaum verwundert, denn der nächste Sale oder das nächste lächerlich günstige Bundle warten kurz nach dem Release schon um die Ecke. Ein Teufelskreis, der die Entwicklung immer unattraktiver macht. Denn in der Nische muss die Community zusammenhalten. Verkaufszahlen wie in anderen Genres mit deutlich mehr potentiellen Spielern sind nicht möglich.

Die Entwicklungen im Adventure-Bereich gehen auch nicht spurlos an mir vorbei. Nach sieben Jahren, über 100 Tests und rund 30 Vorschauartikeln ist es so weit: Meine Test-Energie ist erschöpft. Ich habe so viel gespielt und bewertet, dass es mir schwer fällt, einen Titel ohne Testerbrille einfach zu genießen. Weil ich aktuelle Titel für einen Bericht stets vorgezogen habe, stapeln sich hunderte anderer Spiele, die ich immer mal anfangen wollte. Hinzu kommt, dass für Adventure-Treff zu arbeiten heißt, viel Freizeit aufzugeben. News recherchieren, Spiele durchspielen, Tests schreiben, Korrekturlesen – allein das verschlingt Unsummen von Stunden. Diese beiden Punkte würden gar nicht so schwer wiegen, käme nicht ein entscheidender, dritter hinzu: Die zunehmende Stille auf unserer Seite. Unsere Zugriffszahlen sinken konstant, aufwendig produzierte Videos finden viel zu wenige Zuschauer. Neuigkeiten, Vorschauen und Tests werden weniger geklickt. Im Forum häufen sich Fragen wie „Hat jemand Erfahrungen mit Titel XY?“, während auf der Startseite vor zwei Tagen ein detaillierter, mühevoll geschriebener Test nahezu ungelesen steht. Und wenn nach all der Arbeit keinerlei oder kaum sichtbare Reaktion erfolgt, drängt sich irgendwann die Frage auf, ob sich das überhaupt alles lohnt. Diese Stille ist frustrierend. Denn mit ihr bleibt nur die einsame Arbeit vor dem eigenen PC – ohne das Wissen, dass sie gut investierte Zeit ist.

Das Umfeld im Adventure-Genre ist nicht schwieriger geworden, es war schon immer nicht einfach. Doch wenn wir alle zu leise, zu geizig und zu überfordert sind, wird sich die Lage weiter verschlechtern. Dabei gibt es Dinge, die jeder einfach und schnell umsetzen kann:  Kommentare schreiben, Themen diskutieren oder einfach nur einmal Feedback geben. Titel auch mal zum Vollpreis kaufen. Und durch Meldungen oder Unterstützung unserer Redaktion den Überblick für alle verbessern. Adventures in ihren vielen Ausprägungen sind eine wundervolle Sache. Und ihre Community muss eng zusammenstehen, damit sowohl den Redakteuren als auch den Entwicklern nicht die Puste ausgeht.

 

Hans Pieper