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Features

Live Games Roundup 2023
Vom: 13.11.2023

Immer wieder berichten wir bei Adventure-Treff über Live-Adventures, Escape-Räume und immersive Erlebnisse. In diesem Kurzberichte-Feature schreiben wir locker und ohne besondere Reihenfolge über vier Erlebnisse, die wir im Jahr 2023 spielen durften. Dabei achten wir stets darauf, möglichst spoilerfreie Texte zu verfassen, die dennoch einen Eindruck davon vermitteln, was euch bei den jeweiligen Anbietern erwartet.

 

Time Machine (Mad Machines, Mailand, Italien)

Unser erster Kurzbericht führt uns nach Mailand, wo zwei begeisterte Adventure-Spiele-Fans ihren eigenen Escape-Raum gegründet haben. Dort erwarten die Besucher zwei verschiedene Erlebnisse. Das erste dreht sich um das klassische Thema der Zeitreise. Wie bei vielen Premium-Anbietern üblich, beginnt das Abenteuer bereits beim Einlass. Es gibt keine herkömmliche Rezeption. Stattdessen treffen die Spieler gleich zu Beginn auf den verrückten Dr. Mad und seinen Assistenten Arturo, der sie auf das bevorstehende Erlebnis vorbereitet. Dann geht es ab in die Zeitmaschine, die es zu bedienen gilt. Dass dabei natürlich einiges schiefgeht und man sich später überhaupt nicht in der gewünschten Zeitperiode befindet – geschweige denn eine funktionierende Zeitmaschine für die Rückreise hat –, kann man sich vorstellen.

Time Machine

Die Time Machine von Mad Machines bietet eine erfrischend neue, spannende, unterhaltsame und aufregende Version des Themas. Die detailreichen Kulissen lassen Ort und Zeit förmlich verschwimmen, ebenso wie die clever eingebauten Rätsel und die effektvoll eingesetzten Musik- und Lichtsequenzen. Das überaus witzige (nicht immer rein menschliche) Schauspiel sowie zahlreiche Überraschungen während des Spielverlaufs und die beste Aufwärm-Preshow überhaupt machen diesen Raum zu einem Muss für jeden Mailandbesuch! Drei Spieler ist eine gute Größe für die Rätsel-Quote in dem Raum.



Birth Machine (Mad Machines, Mailand, Italien)

Der zweite Raum (ein dritter ist in Arbeit) ist genau das, was der Name suggeriert. Wir "escapen". Als "Baby". Und ja, aus genau dem, woran ihr jetzt denkt. Vorher geht es aber erstmal ums "Herstellen". Dafür hat Dr. Mad uns ein Hotelzimmer reserviert, VHS-Kassetten und Kamasutra inklusive. Dass der Anbieter dieses delikate Thema mit viel Humor behandelt und es auf Wunsch sogar absolut jugendfrei gestaltet (wir haben gemeinsam und völlig problemlos mit einem 8-Jährigen gespielt), spricht für das perfekte Feingefühl, das die Macher hier an den Tag legen.

Birth Machine

Kurzum: Von Anfang bis Ende ist Birth Machine ein purer Spaß und vielleicht die witzigste Idee für ein Escape-Raum-Setting überhaupt. Das liebevolle Design und die anspruchsvollen Rätsel sind hervorragend in die Story integriert. Jedes Element im Spielverlauf hat eine Bedeutung, sei es auch nur metaphorisch. Eine Reise durch dieses perfekt mit Licht, Sound und Dekor orchestrierte Erlebnis garantiert rauchende Köpfe genauso wie lachende Gesichter. Als Paar ist das Spiel eher eine Herausforderung, mit einem flotten Dreier oder Vierer ist man klar im Vorteil.



The Mystery of SCUM Island (Mad Mansion, Toledo, Spanien)

Extra nur für dieses Erlebnis sind wir mit dem Taxi von Madrid ins rund einstündig entfernte Toledo gereist. Der Anbieter Mad Mansion ist in Spanien für seine zahlreichen von Games und Filmen inspirierten Räume bekannt. Und so gibt es natürlich auch einen Raum, der sich dem Adventure aller Adventures widmet. Bereits die Buchung (für die englischsprachige Version nur via E-Mail) ist ein Hochgenuss, denn diese erfolgt bei uns von der ersten Sekunde an mit einem “Stan E. Stanman” – durchgehend “in Character”. Zugegeben, wir waren uns nach zahlreichem, wirren Mailverkehr sowie der kompletten Vorabüberweisung nicht ganz sicher, ob wir nicht einfach ausgeraubt wurden.

Als dann doch jemand wild gestikulierend mit überbreitem Hut die Tür zu SCUM Island öffnete, bekamen wir für über eine Stunde das Lachen nicht mehr aus unseren Gesichtern. Das Setting fühlt sich tatsächlich ein bisschen wie eine Insel an, was angesichts der Tatsache, dass sich alles nur in einer großen Halle befindet, echt beeindruckend ist. Als ich dann von einer schelmischen Stimme hinterrücks veralbert wurde, mich umdrehte und Murray auf einen Pfahl aufgespießt sah, konnte ich nicht anders, als diese Live-Version von Monkey Island zu lieben.

SCUM Island

The Mystery of SCUM Island ist zwar schon etwas älter und an der ein oder anderen Stelle abgenutzter oder etwas einfacher gestaltet als bei anderen Premium-Räumen, aber trotzdem die wohl immer noch schönste, liebevollste und aufwändigste Hommage an "Monkey Island", die jemals geschaffen wurde. Freunde des Originals werden vieles wiedererkennen, aber auch Neulinge kommen bei diesem Escape-Raum auf ihre Kosten. Zahlreiche Rätsel im Stil des Vorbilds, das wunderbar gestaltete Insel-Setting mit unzähligen Anspielungen, Mini-Locations und Inventar-Objekten sowie vor allem eine hervorragende Integration des Game-Masters machen die Reise nach Toledo für Fans der Reihe (und Fans von Escape-Räumen) auf alle Fälle wert.



Whitechapel (Whitechapel Room Escape, Barcelona, Spanien)

Whitechapel ist ein eher kleiner Raum, der in der Escape-Raum-Hochburg Barcelona (eher ungerechtfertigt) ein Schattendasein fristet. Wie der Name schon suggeriert, geht es irgendwie um Jack the Ripper – dann aber doch irgendwie auch nicht. Wie so häufig in Spanien gibt es auch hier keine direkte Rezeption: Das Spiel startet sofort, nachdem man geklingelt hat. Ein blinder, kauziger Mann mit Laterne öffnet uns, und kaum fällt die Tür ins Schloss, befinden wir uns auch schon nachts auf der nebligen, fast stockfinsteren Straße von Whitechapel, die erstaunlicherweise auch heute noch fast so aussieht wie im Jahre 1888.

Whitechapel

Doch irgendetwas ist nicht ganz so, wie es scheint: Scheinbar ist die Geschichte rund um den Serienmörder nur die halbe Wahrheit. Dämonen sollen Whitechapel heimgesucht haben. Was wie ein historischer Krimi beginnt, wandelt sich schnell in ein absolutes Horrorspektakel, bei dem man – und das muss ich deutlich sagen – keine Angst davor haben darf, kräftig von Dämonen angepackt zu werden. Whitechapel dreht genau das um, was für andere Horror-Erlebnisse häufig als Grundsatz gilt: „Fass niemanden an“ wird zu „Du wirst angefasst, egal ob du willst oder nicht“. Whitechapel ist also nichts für Zartbesaitete.

Dafür schafft es dieses Erlebnis aber gerade durch diese seltene Interaktion und mit seinem herausragenden Darsteller, ein simples, körperliches Spielprinzip (man könnte es „Tauziehen“ nennen) perfekt mit den Spielmechaniken eines Escape Raums zu verknüpfen. Dabei wissen die Game-Master immer sehr genau, wie sie die Körperlichkeit so ausbalancieren, dass der Spaß für die (horrorbegeisterten) Spieler obsiegt. Eine dichte Atmosphäre, schön inszenierte Zwischensequenzen und clever designte Rätsel fordern den vollen Zusammenhalt der Spielgruppe in einem immersiven Gruselsetting, in dem sich Knobelei und Panik gekonnt abwechseln. Whitechapel ist sicherlich nicht so bombastisch designt wie einige andere Premium-Räume, macht das aber durch seine tolle Atmosphäre und den Spielablauf wieder wett. Bei mehr als drei Spielern könnte das Erlebnis allerdings leiden, zumal der arme Schauspieler nicht endlos Kraft mitbringen kann. Wir wissen, wovon wir reden, nachdem er sich uns nach der gebändigten Dämonenzeremonie völlig schweißgebadet vorstellte. Ein kleines, aber durchaus feines Grusel-Erlebnis.