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Interviews

Marco Zeugner & Steffen Schamberger
Gesprächspartner: Benjamin Klemen
Sprache:
Vom: 12.08.2012
Adventure-Treff: Hallo Marco, hallo Steffen, erzählt unseren Lesern doch bitte kurz wer ihr seid und was eure Aufgaben bei der Entwicklung von Geheimakte 3 waren.



Marco Zeugner: Nun, in der Hauptsache bin ich als Projektleiter bei Animation Arts tätig. Ich wurde aber auch schon beim Austüfteln von Rätseln, Schreiben von Geschichten und ''Verschlimmbessern'' von Grafiken erwischt. Mein inoffizieller Titel könnte deshalb auch ''Mädchen für alles'' sein.



Steffen Schamberger: Ich bin dann das ''Mädchen für alles'' bei Koch Media und seit Geheimakte Tunguska der Producer der Geheimakte-Serie. Ich schau nicht nur Marco und seinen Kollegen auf die Finger, nehme Milestones ab, organisiere die QA, kümmere mich ums Forum etc. Auch die Sprachaufnahmen mit Textüberarbeitung, Besetzung und Regie gebe ich nie aus der Hand. Und produktionsbezogene Aufgaben wie Covergestaltung, Verpackung, Handbuch, DVD-Label und was sonst noch so anfällt, erledige ich ebenfalls lieber selbst.



A-T: Anhand der Preview-Version konnten wir uns bereits einen ersten Eindruck von Geheimakte 3 machen. Vor Spielbeginn kann man sich durch Beantwortung einiger Fragen ein personalisiertes Hauptmenü generieren lassen. Ein netter Einfall. Wie kamt ihr darauf und welche Idee steckt dahinter?



Steffen: Wir achten eigentlich immer darauf, dass das Spiel am Ende eine runde Sache ist. Es gibt nicht nur die Mitte, sondern auch einen Anfang und ein Ende. Zuerst hatten wir uns vor allem auf Letzteres konzentriert und dem Spieler nach dem Durchspielen mit dem ständig erweiterten Bonusbereich gezeigt, dass es nicht vorbei ist, wenn es vorbei ist. Bei Lost Horizon haben wir uns dann auch um den Anfang gekümmert. Ich wollte endgültig weg von diesem langweiligen Standard ''Bild plus Text für die Optionen'', die es in 99,9 Prozent aller Hauptmenüs dieser Welt gibt. Wir nahmen also ein Kino aus der Zeit, in der Lost Horizon spielt, und ordneten die Optionen dann einzelnen Bereichen zu. Das Betreten des Kinos war der Start eines neuen Spiels, mit Klick auf ein Straßenschild, das nach rechts aus dem Screen zeigte, ging es zurück zu Windows usw. Bei Geheimakte 3 sollte das noch einen Schritt weiter ausgearbeitet werden. Grafisch war es ursprünglich mal als eine Art spielbare Location mit Tutorial-Effekt gedacht. Aus Zeitgründen wurde das dann aber verworfen, weil technisch zu aufwändig. Die Mechanismen im Hauptmenü unterscheiden sich da in wichtigen Punkten leider von der Technik im Spiel. Dann ist mir die Idee gekommen, die Location mit den darin versteckten Optionen (na gut, es gibt selbstverständlich Tooltips wie bei Lost Horizon und nun auch eine Hotspot-Anzeige für alle anklickbaren Optionen) um ausschmückende Elemente zu erweitern. Über einen kleinen ''Psychotest'' am Anfang werden dann aus den entsprechenden Schubladen die entsprechenden Elemente geholt und ins Hauptmenü gepackt. Der Spieler dürfte sich im Hauptmenü dann hoffentlich richtig heimisch bzw. wohl fühlen, wenn er die Fragen ehrlich beantwortet hat. Und außerdem hat er so sogar einen kleinen Beitrag zum Design von Geheimakte 3 geleistet.



A-T: Während dieser Menü-Konfiguration sitzt uns ein rothaariges Model in lasziver Pose gegenüber. Es soll natürlich Nina darstellen. Wer aber ist dieses Model wirklich und werden wir dieser Nina auf der gamescom in Natura begenen?



Steffen: Auf der Suche nach einer Illustratorin für zusätzliche Artworks sind wir seinerzeit bei deviantart (Anm. d. Red.: Eine Online-Community für Fotografen und Künstler) auf ihre Seite gestoßen. Vor allem das Bild



A-T: Die grafische Entwicklung der Geheimakte-Reihe scheint etwas zu stagnieren. Was vor sechs Jahren beim ersten Teil der Serie (Tunguska) noch Klasse aussah, kann mit heutigen Referenzspielen aus dem Genre nicht mehr mithalten. Spielten diese Gedanken bei der Entwicklung von Geheimakte 3 eine Rolle?



Marco: Man muss nur mal Screenshots aus Teil 1, 2 und dem aktuellen Titel nebeneinanderstellen, um zu erkennen, dass dem mitnichten so ist. Von 1024x768 hoch zu Full HD, schärferen und nun auch transparenten (Haare) Texturen, Normal- bzw. Specular Maps usw. sind wir da in der Entwicklung deutlich nach vorn gekommen. Falls ihr die 3D-Modelle ansprecht: Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass wir irgendwo Zugeständnisse machen müssen, wenn das Spiel auch auf schwachen Systemen laufen soll. Da muss man eben bei Polygonzahlen etwas zurückstecken. Der Kunde dankt es uns, wie die Verkaufszahlen zeigen. Ich sehe das eher als einer der großen Stärken der Serie an, eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen. An einem Pentium 4 mit Onboard-Grafikchip, 128 MB VRAM und 512 MB Speicher werdet ihr sicher kein Adventure finden, das so gut aussieht wie die Geheimakten ;)



A-T: Die Verwendung von handgezeichneten Hintergründen in Lost Horizon stieß auf sehr positives Feedback. Auch meintest du in einem Interview, dass dieser Grafikstil dem klassischen Abenteuersetting zugute käme. Was war nun der Grund dafür, dass ihr bei Geheimakte 3 wieder auf vorgerenderte Hintergründe mit gezeichneten Elementen setzt? Erzählen die Geheimakte-Teile eurer Meinung nach keine klassischen Abenteuergeschichten oder wolltet ihr einfach dem gewohnten Stil treu bleiben?



Steffen: Der realistische Geheimakte-Stil hat sich bewährt. Offensichtlich funktioniert Krimi/Mystery plus Gegenwart plus vorgerenderte Hintergründe einfach für eine größere Zielgruppe. Im Vergleich zu Lost Horizon ist Geheimakte kommerziell erfolgreicher, und dem wollten wir auch grafisch bzw. stilistisch Rechnung tragen.



A-T: In den vorigen Geheimakte Spielen wurden Zwischensequenzen hauptsächlich bei Großereignissen aufgefahren, etwa der Entgleisung eines Zuges oder dem Kentern eines Schiffes. In der Preview von Geheimakte 3 kamen solche Sequenzen nun häufiger zum Einsatz und zeigen auch weniger spektakuläre Geschehnisse wie das Betreten eines besonderen Raumes. Verdanken wir dieses Mehr an dynamischen Zwischensequenzen dem erfahrenen Regisseur in eurem Team?



Marco: Diesen Ansatz haben wir bereits bei Lost Horizon verfolgt. Wir wollen die Inszenierung eines Adventures so dynamisch wie möglich gestalten. Naturgemäß sind uns dabei technische und finanzielle Grenzen gesetzt. Aber wir haben zusammen mit Stefan Holtz und den anderen Autoren versucht, eine gesunde Gewichtung von filmischer Inszenierung und spielbarem Inhalt zu finden.



A-T: Aus welchem Grund wurde die Synchronsprecherin von Protagonistin Nina ausgetauscht?



Steffen: Das hatte vor allem terminliche Gründe. Davon abgesehen war Melanie Manstein, seinerzeit noch Melanie Jung eigentlich schon immer meine persönliche Favoritin für die Stimme von Nina. Aber nach dem Casting für Geheimakte Tunguska wurde ich überstimmt. Ich bin nun zufrieden, und der Rest sieht das auch als unproblematisch an. Wie stand in einem Preview eurer Kollegen von der Corner? ''Wer die Vorgänger nicht gerade erst gespielt hat oder die Stimme durch häufiges Hören verinnerlicht hat, wird den Unterschied eventuell nicht einmal merken.''



A-T: In einem früheren Interview hast du mal gesagt, dass Max in diesem Teil eine kleinere Rolle spielen werde. Dadurch könne sich der Hauptcharakter, also Nina, besser entfalten, als wenn sich die Handlung auf zwei Hauptcharaktere aufteilen müsste. Später erklärst du in diesem Interview, dass der Spieler durch die Geschichte der Menschheit streifen und in verschiedene Zeitebenen gehen werde. Das klingt nun wieder so, als spiele man auch unterschiedliche Charaktere in diesen Epochen. Ein kürzlich veröffentlichter Screenshot zeigt eine mittelalterliche Erfinderwerkstatt, was diesen Eindruck noch unterstreicht. Wie verträgt sich das mit dem Vorhaben, sich verstärkt auf Nina zu konzentrieren?



Steffen: Nina hat Albträume. Diese Träume dienen uns als Instrument, Locations aus unterschiedlichen Epochen verwenden zu können, ohne in Erklärungsnot zu geraten. In den Träumen selbst ist der spielbare Charakter natürlich immer Nina. Ausnahme ist da Menis-Ra in Alexandria zu Beginn des Spiels. Aber das ist ja wie bei Geheimakte 2 auch ''nur'' der Prolog. Wenn der Spieler in Geheimakte 3 auch mal die Geschicke anderer Charaktere steuern darf, soll das in erster Linie der Abwechslung dienen. Nina ist dabei allerdings stets in der Nähe.



Vermutlich ist Nina auch in dieser Szene nicht weit. <br><br>Wo sie sich wohl versteckt hält?



Marco: Um es mal auf den Punkt zu bringen: 90 Prozent der Spielzeit wird man Nina steuern dürfen.



A-T: In den beiden Vorgängern stand immer das große Abenteuer im Vordergrund, etwa die Verfolgung durch den russischen Geheimdienst, durch Mitglieder einer Sekte oder eben das Rätsel um die Tunguska-Katastrophe. Diese spektakulären Ereignisse haben den Spieler gefesselt. Geheimakte 3 soll sich nun mehr mit Ninas Gefühlswelt befassen und ihrem Charakter somit mehr Tiefe verleihen. Beispielsweise werden wir erleben, wie die rastlose Abenteurerin Nina im Hafen der Ehe einlaufen soll und damit so ihre Probleme hat. Besitzt das Vorzeige-Traumpaar Nina/Max denn die nötige Persönlichkeit mit Ecken und Kanten, die eine derartige Charakterstudie erst interessant macht?



Marco: Auch diesmal steht natürlich das große Abenteuer im Vordergrund – eigentlich sogar Ninas größtes Abenteuer. Die ''Sekte'' aus Geheimakte Tunguska spielt dabei eine entscheidende Rolle. Aber diesmal soll es vor diesem Hintergrund auch ein wenig menscheln. Was Ecken und Kanten betrifft: Das ist immer mit Vorsicht zu genießen. Da hatten wir auch heiße Diskussionen mit unseren Kollegen vom Film. Bestimmte Dinge können im Film funktionieren, im Spiel hingegen nicht. Im Film verfolgt der Zuschauer eine Story passiv, er hat eine gewisse Distanz zu den Ereignissen. Wenn im Film ein Charakter (sollte ich hier zum Beispiel Jar Jar Binks erwähnen?) Ecken und Kanten hat, im schlimmsten Fall wegen der Kanten sehr unsympatisch rüberkommt, hassen ihn die Zuschauer einfach. Das funktioniert aber nicht im Spiel, wenn ich den Spieler zwinge, in die Rolle eines völlig unsympatischen Charakters zu schlüpfen, mit dem er sich nicht identifizieren kann und will.



A-T: Nach eigener Aussage habt ihr Wert darauf gelegt, dass sich die Rätsel zu 100 Prozent aus der Story entwickeln. Ein hoch gestecktes Ziel, besonders für ein ernsthaftes Adventure. Konntet ihr dieses Vorhaben konsequent durchziehen? Und kannst du uns vielleicht ein kleines Beispiel für so ein Rätsel geben, das sich vollkommen aus der Story ergibt, dabei aber zugleich innovativ und unterhaltsam ist?



Steffen: Es ist uns denke ich sehr gut gelungen, was aber auch eine Menge Zeit gekostet hat. Vielleicht habt ihr ja mal die ''First Look''-Version von 2011, die wir auf der gamescom dabei hatten, mit der Preview-Version verglichen. Da wurden teilweise komplette Rätselketten entfernt und zugunsten von Logik und der Integration in die Story durch neue ersetzt. Selbst zwischen eurer Preview-Version und der Verkaufsversion werdet ihr da noch Unterschiede feststellen können. Noch krasser waren die Unterschiede allerdings zwischen Alpha-Version und dem finalen Stand. Dadurch wurde unterm Strich Content für mindestens drei Geheimakten generiert. Ein paar der Sachen, die – aus sehr guten Gründen – normal nie an die Öffentlichkeit kommen sollten, werden wir im Rahmen unserer Bühnenpräsentationen auf der diesjährigen gamescom zeigen. Ein konkretes Rätsel möchte ich hier allerdings nicht aufführen. Keine Spoiler, das dürft ihr dann gerne beim Review tun ;) Vielleicht nur als Andeutung: Wenn unser Meisterdieb zu Beginn des Spiels einen Brand in der Bibliothek von Alexandria legen soll, werden ihn alle Aufgaben, die er erledigt (bei uns gibt es übrigens KEINE Mini-Spiele oder Actioneinlagen) näher an genau dieses Ziel bringen. Schnitzeljagden auf Kreuzfahrtschiffen hat niemand mehr zu befürchten ;)



A-T: In letzter Zeit feiern immer wieder Adventures Erfolge auf mobilen Plattformen, allen voran auf Apples iPad. Ist eine Veröffentlichung der Geheimakte-Reihe auf Android oder iOS geplant?



Marco: Unser Publisher Deep Silver ist mit der Frage nach Umsetzungen für iOS-Plattformen natürlich schon vor längerer Zeit an uns herangetreten. Wegen einer Vielzahl an technischen Gründen, die das Budget für so ein Unterfangen über das der Ursprungsversion treiben würde, haben wir das aber vorläufig verwerfen müssen. Aktuell arbeiten wir an einer Lösung, die uns die Portierung auf mobile Plattformen vielleicht doch noch ermöglicht.



A-T: Zurzeit gibt es wieder viele Diskussionen rund um den Kopierschutz von aktuellen Adventuretiteln. Gerade Steam ist in den Fokus der Fangemeinde gerückt. Gab es bei Geheimakte 3 die Überlegung, das Spiel an Steam zu binden und wenn ja, was hat euch dazu bewogen, auf einen solchen Zwang zu verzichten?



Steffen: Man muss da zwischen den Download- und den Boxversionen unterscheiden. Wenn sich jemand ein Spiel über Steam kaufen möchte, wird er sicher nichts gegen die damit verbundenen DRM-Maßnahmen haben. Allerdings wird die Version, die wir über Steam anbieten trotzdem nicht Steamworks enthalten. Man benötigt nur den Steam-Client, kauft das Spiel und kann nach der obligatorischen, einmaligen Online-Aktivierung in den Offline-Modus gehen und zocken. Das war auch bei Teil 1 und 2 schon so. Für die Version in der hübschen Kartonschachtel gibt’s wie immer kein DRM, sondern nur den üblichen Disc-Kopierschutz, der im Betrieb kaum auffällt, weil er keinerlei Einfluss auf die Perfomance nimmt. Er soll lediglich verhindern, dass 1:1-Kopien ohne Probleme möglich sind. Ich denke, im Adventure-Bereich hält sich die Problematik der Raubkopien doch in Grenzen. Wozu also dem Kunden unnötigen Ärger bereiten.



Marco: Wir bedanken uns an dieser Stelle für eure Fragen und die Möglichkeit, unsere Antworten und Ansichten loswerden zu können.



Steffen: Und wir hoffen, ihr habt viel Spaß mit der Review-Version von Geheimakte 3.



A-T: Schön, dass ihr trotz Mastering-Phase noch Zeit für das Interview gefunden habt. Wir sehen uns auf der gamescom!