Piraten, Schätze, Inseln… Diese Begriffe lassen das Herz eines jeden Abenteurers schneller schlagen. Wenn man sich dann auch noch die Rechte an einer bekannten Literaturvorlage sichert, in diesem Fall Robert Louis Stevensons Roman „Die Schatzinsel“, kann doch eigentlich nichts mehr schiefgehen. Wir haben die englische Version angespielt und beschreiben euch hier unseren Ersteindruck. Wer selbst ein wenig frische Seeluft schnuppern möchte, lädt sich die deutsche Demo von der offiziellen Seite herunter.
Tief in der Karibik
Vier Jahre nach den letzten Abenteuern auf der Schatzinsel durchquert Jim Hawkins die Weltmeere als Kapitän seines eigenen Schiffes. Eines Tages wacht er auf und muss voller Erschrecken feststellen, dass seine Feinde von damals ihn in seiner Kabine eingeschlossen haben. Als ob das nicht schon genug wäre, um alte Erinnerungen hochkommen zu lassen, landet auch noch der Papagei seines ehemaligen Weggefährten Long John Silver auf dem Fenstersims und überbringt ihm Informationen über den sagenumwobenen Schatz, der auf Emerald Island versteckt ist. Nach einer erfolgreichen Fluchtaktion findet sich unser Held erneut auf der besagten Insel wieder und kann sich auf Schatzsuche begeben. Wie es sich aber für ein gutes Piratenabenteuer gehört, ähnelt Long John Silvers Zettel weniger einer klaren ADAC-Wegbeschreibung als einer geheimnisvollen Anhäufung von Rätseln, Symbolen und Andeutungen. Die Schnipselsuche kann beginnen.
Volle Knoten voraus
Das Adventure spielt sich in der Ego-Perspektive. Während man die Steuerung durchaus als „Point & Click“ bezeichnen kann, bleibt das Fadenkreuz allerdings stets im Zentrum des Bildschirmes fixiert. Mit den Mausbewegungen steuert man den Blickwinkel, und so also nur indirekt auch den Cursor. Mausklicke auf Hotspots führen zum Einsammeln oder Verwenden von Gegenständen. Soweit dürfte die Steuerung dem routinierten Adventure-Spieler also auf Anhieb vertraut sein. Etwas ungewohnter gestaltet sich allerdings das Inventar. Hier gibt es einige innovative Ansätze, wie z.B. eine Funktion, mit der man Gegenstände in ihre Einzelteile „zerlegen“ kann, um diese dann wiederum mit anderen Gegenständen verwenden zu können. Zu diesem Zweck befindet sich am unteren Rand des Inventarbildschirms eine Leiste, in der man drei Gegenstände miteinander kombinieren kann. Für interessante Kombinationsrätsel dürfte also gesorgt sein. Ebenfalls originell ist die Idee, dass man Knoten (welche in einem Seemanns-Abenteuer ja häufiger vorkommen können) nicht einfach ausführt, indem man nach gewohnter Adventure-Manier ein Seil mit einem Gegenstand oder einem zweiten Seil „benutzt“, sondern indem man diese eigenhändig zusammenstrickt. Das Verknoten wird in mehreren aufeinander folgenden Schritten durchgeführt, wobei meist eine richtige und eine falsche Geste zur Auswahl steht.
Das ist ein interessanter Ansatz, da er dem Spieler das Gefühl vermittelt, die Aktion in Eigenregie durchzuführen und nicht nur den Protagonisten etwas anzustellen. Ob einen dies beim zehnten Knoten immer noch faszinieren wird, ist allerdings fraglich, besonders da es am Ende wohl mehr auf Trial & Error hinauslaufen wird als auf eine gründliche Analyse des erforderlichen Knotens. Der Spieler braucht sich im Grunde nur die Reihenfolge der schon gewählten Aktionen einzuprägen; und nach falschen Schritten (wo der Vorgang sofort abgebrochen wird) wählt er halt beim nächsten Versuch die andere Alternative. Andere Aspekte im Umgang mit dem Inventar sind hingegen richtig nervtötend. Dass man sich die Gegenstände auf einzelnen quadratischen Feldern in einer beliebigen Reihenfolge zurechtlegen kann hat man ja schon öfters gesehen, besonders in Rollenspielen. Aber warum erscheinen neu eingesammelte Gegenstände erst auf einem speziellen Feld am rechten Bildschirmrand und wenn es sich um mehrere Objekte handelt sogar übereinander? Es gibt hier zwar einen Auto-Knopf, der einem das Verteilen der neuen Gegenstände auf die einzelnen Häuschen abnimmt, aber warum geschieht das nicht von vornherein? Ebenfalls sehr lästig ist, dass ein Objekt, das vom Spieler in der Hand gehalten wird, mit einem Rechtsklick nicht gleich im Inventar verschwindet, sondern erst der Inventar-Bildschirm aufgerufen werden muss, um es dann auf einem bestimmten Feld zu platzieren.
What shall we do with the drunken sailor?
Da bei 1st-Person-Adventures häufig nur wenige Charaktere auf dem Bildschirm vorkommen, ist die Gefahr von vornherein schon größer, dass die Grafiken etwas unbewegt wirken. Hier wird dieses Gefühl noch dadurch verstärkt, dass bei den recht schön gezeichneten Hintergründen nur sehr wenige Animationen eingebaut sind. Bei den Wasseroberflächen gibt es zwar minimal animierte Bewegungseffekte, und hier und da sind auch mal ein paar Vögel am Horizont zu erkennen, aber besonders das Fehlen von Schatten- und Licht-Effekten fällt schwer ins Gewicht. So hat man beim Bewegen der Kamera eher den Eindruck eine Zeichnung hin- und herzuschieben, als dass man ein dreidimensionales Raumgefühl verspüren würde. Dieser Umstand wird zum Teil wieder durch eine solide Musik-Untermalung wettgemacht. Die stimmungsvolle, wenn auch leicht synthetische Orchester-Musik passt hervorragend zum Piraten-Flair; hin und wieder gesungene Shanty-Einlagen tun dann noch ihr Übriges um die Atmosphäre des Spiels aufzuwerten. Die Handlung wird größtenteils mit Hilfe von kleinen Zwischensequenzen weitergesponnen. Wer damit rechnet, dass zumindest hier jetzt etwas Bewegung auf den Bildschirm kommt, liegt aber völlig falsch. So werden meist handgezeichnete, schwarzweiße Zeichnungen nacheinander als minimal animierte Standbilder eingeblendet. Dies hat zwar durchaus einen ganz eigenen künstlerischen Stil; dennoch kommt man nicht umhin, sich zu fragen, ob diese Darstellungsweise wirklich aufgrund von künstlerischen Überlegungen getroffen wurde oder nicht vielleicht doch eher aufgrund eines reduzierten Budgets. So nach dem Motto: „Zeit und Geld sind alle; lasst uns anstelle von richtigen Zwischensequenzen unsere schon vorhandenen Konzeptbilder einscannen.“ Eins muss man diesen Sequenzen aber lassen: sie sind in der Tat sehr schön gezeichnet. Und durch gekonnte Bleistiftstriche wird einem, so wie man es aus guten Comics kennt, durchaus auch das Gefühl von Bewegung vermittelt.
Fazit
Dieses Spiel hat wirklich seinen Charme. Die schönen Zeichnungen, die stimmungsvolle Musik, und die innovativen Ansätze können aus diesem Spiel etwas Besonderes machen. Ob es aber reichen wird, um an die epische Romanvorlage ranzukommen, und ob am Ende das offensichtlich beschränkte Budget der Entwickler einem dann doch den Spielspaß nicht allzu sehr verderben wird, erfahrt ihr in Kürze in unserem detaillierten Testbericht.
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