Vorschau

von  Masterofclay
26.06.2007
So Blonde
Es ist kaum zu glauben, dass So Blonde das erste Adventure-Projekt der französischen Spieleschmiede Wizarbox ist, denn es verspricht schon jetzt eines der Highlights des Jahres zu werden. Das seit September in der Entwicklung befindliche Spiel wartet mit einer abgedrehten Geschichte und einer gehörigen Portion Humor auf, unterstützt von einer Top-Grafik. An der Story arbeitet Steve Ince, der sich bereits als Spieledesigner der Baphomets-Fluch-Reihe oder Der Weg nach El Dorado verantwortlich zeichnete. Wir hatten die Gelegenheit, uns gemeinsam mit ihm und dtp zu einem längeren Gespräch zu treffen. Dabei durften wir auch einen Blick auf einige Szenen einer frühen Version des klassischen Adventures werfen.

Gestrandet in der Vergangenheit

Die Hauptfigur des Spiels ist die verwöhnte 17-jährige Sunny Blonde. Bei einer luxuriösen Kreuzfahrt anlässlich des Hochzeitstages ihrer Eltern gerät das Schiff auf Höhe der Bermuda-Inseln in ein schweres Unwetter und in Seenot, Sunny fällt in Ohnmacht und landet in einem der Rettungsboote. Als sie wieder zu sich kommt, ist sie alleine auf einer traumhaften Insel gestrandet. Gleichzeitig wurde sie auch einige Jahrhunderte in das Zeitalter der Piraten und Seeräuber zurückgeworfen, aber davon weiß die Jugendliche zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Zu Beginn glaubt sie sogar, dass die Piraten und Eingeborenen Teil eines themenbasierten Urlaubsresorts sind. Entsprechend verwundert ist sie, als ihr niemand den Weg zur nächsten Telefonzelle oder dem lokalen Shoppingcenter erklären kann. Sie macht sich deshalb weniger Sorgen um ihr Überleben als um ihr Make-Up und ihren Handy-Empfang.
Obwohl Sunny zu Anfang des Spiels recht tollpatschig daherkommt, wirken ihre Kommentare immer sehr liebenswürdig. Im Spielverlauf soll sich zeigen, dass sie mehr auf dem Kasten hat als man ahnt. Sie hat zwar durch ihr Luxus-Umfeld die sozialen Attribute des "Blondseins" übernommen, Steve Ince hat aber versprochen, dass Sunny im Lauf des Spiels hier eine interessante Entwicklung durchmachen werde.
Dafür habe er den Plot von der Grundgeschichte bis zum fertigen Spiel immer weiter verfeinert. Durch diese Arbeitsweise soll die Story in sich schlüssig und dramaturgisch ausgeklügelt sein. Deshalb werde auch das Ende von So Blonde den Spieler nicht enttäuschen, so Ince weiter. Für ihn sei ein langweiliges Finale sowieso eines der größten Probleme aktueller Adventureprojekte. Man darf also gespannt sein, was uns dort erwarten wird.

Ein Augenschmaus

Die ersten Szenen zeigen uns bereits eine sehr schöne Zeichentrick-Grafik mit atmosphärischer Lichtstimmung. Das Ganze erinnert ein wenig an eine Mischung aus Runaway und Monkey Island 3. Die Hintergründe sind sehr detailliert und mit liebevollen Anspielungen auf Spiele- und Filmklassiker gespickt. So kann man unter anderem ein Porträt von LeChuck oder ein Potpourri aus Nintendo-Markenzeichen (Stern, Pilz und Blume) entdecken. Das Erforschen der liebevollen Inselwelt zählt damit bestimmt zu einem der größten Pluspunkte des Adventures.
Belebt werden die Bildschirme dabei durch zahlreiche Hintergrundanimationen wie z.B. Vögel, Schmetterlinge, Wellen, Wolken, Bienen, Wasserfälle und Haie. Obwohl uns dtp versichert hat, dass viele der dargestellten Grafiken noch nicht final seien, machten sie in der uns gezeigten Vorabversion einen sehr gelungenen Eindruck. Dabei findet ein Mix aus 2D-Animation und 3D-Modellen statt, der sehr gut zum Zeichentrick-Flair des Spiels beiträgt. Viele der insgesamt ca. 50-60 Hintergründe sind zudem sehr breit und scrollen, während man sie durchschreitet. Als Engine kommt derzeit Wintermute zum Einsatz, es könnte aber noch eine Portierung auf die Software OGRE stattfinden. Die geplante Auflösung ist 1024x768.
Auf animierte Cutscenes soll zu Gunsten einer sehr dichten Interaktion verzichtet werden, allerdings hat man uns ein vorgerendertes Intro und Extro in Aussicht gestellt. Ganz sicher ist diese Entscheidung aber noch nicht.

Kulturschock

Die Spielwelt wird von einer Anzahl vielfältiger Charaktere besiedelt, vom weiblichen Piratenkapitän Morgane, über einen kleinwüchsigen Voodoo-Priester, bis zum zwielichtigen One-Eye. Auch ein wild schimpfender Papagei darf dabei natürlich nicht fehlen.
Die Dialoge werden, wie auch Sunnys Monologe, durch kleine gezeichnete Porträtbilder der sprechenden Figur mit passender Mimik unterstützt. Die Gesprächsthemen werden dabei mittels einer Liste von Stichwörtern gewählt, sollen dabei aber nicht sonderlich in die Tiefe gehen. Augenzwinkernde Anspielungen auf das moderne Leben und Kultur sind dabei jedoch Gang und Gäbe. Sunny zitiert so zum Beispiel aus Herr der Ringe oder fragt den Schiffsmaler Pablo, ob er Picasso kenne.

Steuerung für Blonde

Die Steuerung des Spiels erfolgt über klassisches Point'n'Click ganz einfach mit der Maus. Bei Rechtsklick erscheinen zwei Symbole zur Auswahl: ein Auge für das Anschauen und Untersuchen und eine Hand für das Aufheben und Benutzen. Befindet sich der Mauszeiger über einem anderen Charakter, wird zusätzlich ein Mund-Symbol fürs Sprechen angezeigt. Sehr lobenswert ist auch die Möglichkeit, per Doppelklick schnell zu einem Ort auf dem Bildschirm zu rennen. Wer doppelt auf einen Ausgang klickt, kann die Laufsequenz zudem gleich komplett abkürzen. Ein Tagebuch, oder ähnliche Notizfunktionen wird es nicht geben, es soll aber jederzeit ersichtlich sein, welche Aufgaben als nächstes anstehen.

Es gibt immer was zu tun!

Besonders hervorzuheben ist in So Blonde das, was Steve Ince gern mit "Interaction density" bezeichnet: Jeder Screen enthält eine Vielzahl an Hotspots die angeschaut, benutzt und mitgenommen werden können. Dabei wird viel Wert auf passende und lustige Kommentare der Hauptfigur gelegt. Eine Entwarnung für Adventure-Puristen kann gegeben werden: Es wird in diesem Spiel keine Actionsequenzen oder Kistenschiebereien wie in Baphomets Fluch 3 geben.
So Blonde wird allerdings vereinzelt von kleinen Minispielen aufgelockert, die passend zur jeweiligen Szene in die Spielhandlung eingebettet sind. So muss man zum Beispiel in optischer Anlehnung an Nintendos "Game-and-Watch"-Klassiker Wassertropfen mit einer Kokosnuss-Schale auffangen oder einen Zellenschlüssel mithilfe einer Angel erreichen, ohne die Aufmerksamkeit der Wache zu erregen. Auch ein Strip-Armdrücken wird es geben, dies wurde uns aber leider noch nicht gezeigt. Grobmotoriker brauchen keine Angst zu haben. Die Spiele sollen den Spielfluss nicht bremsen und werden deshalb leicht zu bewältigen sein. Sie werden auch nur einen Bruchteil der mit ca. 20 Stunden angekündigten Spielzeit einnehmen.
Die gezeigten Szenen und Rätsel wirken bereits viel versprechend. So muss Sunny z.B. einen Cappuccino zubereiten (inklusive Beschaffung der Zutaten) oder ihren MP3-Player aus einem Voodoo-Tempel zurückerobern, wo er als Artefakt der Götter verehrt wird.
Und ähnlich wie in Beneath a steel Sky oder Baphomets Fluch gibt es auch in So Blonde einen Sidekick für unsere Protagonistin: Gleich zu Anfang des Spiels stibizt ein kleines Tier Sunnys Handtasche und flüchtet damit auf einen Baum. Nachdem man mit Hilfe einiger Leckereien das Tier vom Baum heruntergelockt und die Tasche zurückerobert hat, folgt es uns durch weite Teile des Spiels und ist auch bei der Lösung einiger Rätsel behilflich. Was für ein Tier das sei, wollte uns Steve Ince nicht näher verraten, Sunny bezeichnet es einfach als Kreuzung zwischen Hund und Bär. Hin und wieder übernimmt der Spieler sogar komplett die Steuerung von "Max", so der Name des Mischlings, zum Beispiel dann, wenn Sunny eingesperrt wurde und nicht mehr ohne fremde Hilfe agieren kann.

Holistische Rätsel

Die gezeigten Rätsel sind dabei nicht unbedingt komplex oder schwer. Ihre Struktur lässt sich laut Steve Ince eher als "holistisch, überlappend und verwoben" bezeichnen. Aufgaben können sich über einen großen Teil der Spielzeit erstrecken, da sich beispielsweise die Beschaffung von Gegenständen verkompliziert oder in weitere Zwischenschritte aufspaltet. Als Vergleichsbeispiel erwähnte Ince hierzu ein Rätsel aus "Beneath a Steel Sky" in dem ein Wurfanker gebaut werden muss. Das Ziel bleibt dabei im Hintergrund bestehen, die einzelnen Komponenten zur Lösung werden aber erst über den Spielverlauf verteilt zugänglich. Das Spiel sei somit durchaus non-linear mit einer relativ großen Spielewelt, also mehr Baphomets Fluch 1 als 2. Ein Runaway-Syndrom wird es dabei aber nicht geben. Kann man einen Gegenstand innerhalb des Spiels gebrauchen darf man ihn auch gleich beim ersten Entdecken einstecken.
Auf uns wirkten die Rätsel manchmal noch etwas zu einfach, z.B. wenn man beim Frauenwitze-Erzähl-Duell mit Captain Morgane am Ende grundsätzlich gewinnt. Da hätten wir uns eher ein Dialogrätsel à la Monkey Island gewünscht. Im Großen und Ganzen wirkt das Rätselkonzept aber bereits sehr schlüssig und orientiert sich an klassischer Adventurekost mit Inventar- und Kombinationsrätseln. Ince versicherte, im Gameplay auch auf Feinheiten Wert gelegt zu haben, z.B. wenn der Sinn und Zweck eines Gegenstands erst mal irreführend ist, bis nach einigem Knobeln der Ah!-Effekt einsetzt. Ganz sicher sei So Blonde ganz klassische Adventure-Kost, die sich auf die wirklichen Tugenden alter Spielhits besinnt.
Claas Wolter von dtp und So-Blonde-Designer<br>Steve Ince genießen bayrische Traditionen

Potenzielles Highlight

Für eine Vorabversion sah das uns Gezeigte bereits überdurchschnittlich gut aus. Die Charaktere und Dialoge lassen schon jetzt auf ein abgedrehtes, humorvolles Abenteuer schließen. Musik, Soundeffekte und Sprachausgabe waren in der gezeigten Alphaversion leider noch nicht vorhanden. Wenn Wizarbox und dtp an diesen Bereich mit derselben Sorgfalt herangehen wie an die Grafik, kann hier bedenklos mit Topqualität gerechnet werden. Das Spiel ist laut Aussagen von dtp zu 65-70% fertig und wird voraussichtlich im November dieses Jahres erscheinen.

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Sieht gut aus