Auf der Games Convention 2005 gab es die ersten nebulösen Infos zum neuen Adventure-Projekt von House of Tales, die zuvor mit The Moment of Silence das größte deutsche Adventure seit einer ganzen Weile veröffentlicht haben. Auf der Messe ein Jahr später hatten Martin Ganteföhr und Tobias Schachte eine Anspielversion und jede Menge Infos zu Overclocked im Gepäck. Wir konnten einen Blick auf den aktuellen Stand werfen.
Memento interaktiv
In Overclocked übernimmt der Spieler die Rolle eines Spezialisten für forensische Psychiatrie, David McNamara. Einst als Psychiater bei der US-Army beschäftigt ist er inzwischen eher in einem Tief angekommen: Cholerische Anfälle machen ihn für seine Umwelt schwer erträglich und auch seine Ehe kriselt. Zu Beginn des Spiels wird er als Experte hinzugezogen, als in New York fünf Personen eingeliefert werden, die orientierungslos und blutend irgendwo im Stadtgebiet aufgegriffen wurden, und sich an nichts erinnern können. Aus der mysteriösen Situation heraus, dass die fünf Personen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, in derart ähnlichen und unerklärlichen Situationen gefunden wurden, entwickelt sich nun der Psycho-Thriller, den House of Tales unter die Überschrift "Gewalt" stellt. Nach und nach fügt sich alles zu einem großen Ganzen zusammen, in dem auch McNamara selbst eine Rolle spielen soll. Als David McNamara befragt nun der Spieler die Patienten und arbeitet sich in ihren Erinnerungen vor. Dabei verwendet Overclocked eine Erzählstruktur, bei der der Film Memento Pate stand. Die Traumatisierten erinnern sich in den Sitzungen zuerst an das kürzlich Erlebte, und erst später an die Dinge, die schon weiter zurückliegen. Der Spieler selbst steuert sie durch ihre eigenen Erinnerungen und findet sich zunächst in Situationen wieder, von denen er nicht weiß, wie der entsprechende Charakter dort hineingeraten ist. Erst später spielt er dann die Erinnerung davor und klärt damit diese Frage. In einem Abschnitt, der auf der Games Convention anzuspielen war, fand man sich zum Beispiel auf einem Leuchtturm wieder, von dem es nun zu fliehen galt. Die Handlung in der Jetzt-Zeit wird im Gegensatz zu den Ereignissen in den Erinnerungen in chronologischer Reihenfolge gespielt.
Klappe, die erste...
Im Kern ist Overclocked ein klassisches 2,5D-Point-&-Click-Adventure. Mit der Maus steuert man 3D-Figuren über vorgerenderte Hintergründe. Mehr als jedes andere Adventure dieser Art versucht Overclocked jedoch, dabei filmartige Bildfolgen zu erschaffen. Statt der üblichen harten Schnitte gibt es Kamerazooms und Echtzeiteffekte, die Kamerafahrten aus The Moment of Silence sollen verstärkt eingesetzt werden und bei den Sitzungen mit den Patienten wird auch mal in den Splitscreen übergegangen, sodass gleichzeitig die Jetztwelt und die Geschehnisse in den gerade zurückgekehrten Erinnerungen sichtbar ist. In der GC-Demo konnte man dieses vielgestaltige und kurzweilige Gameplay schon gut nachvollziehen. Bei The Moment of Silence wurden die langen Laufwege häufig kritisiert. Diesen Punkt haben die Entwickler jetzt radikal verändert. Was im Werbeflyer "Elisionstechnik" heißt sorgt im Spiel dafür, dass beim Klick auf den Ausgang in einem Bild automatisch zur nächsten Perspektive geschnitten wird, die die Spielfigur dann unmittelbar betritt. Störende Laufwege gehören damit der Vergangenheit an. Auch dies ist eines der vielen filmischen Mittel, die im Spiel zum Einsatz kommen. Die Grafik der gezeigten Szenen war schon mindestens auf The-Moment-of-Silence-Niveau.
Technische Gimmicks
Auch technisch greift House of Tales tief in die Trickkiste. So hat man ein neues Licht- und Schatten-System implementiert, die Spielfiguren schauen in gewissen Grenzen dem Mauszeiger hinterher und Partikel- wie Shader-Effekte verschönern das Bild. Für das Motion Capturing arbeitet man wieder mit metricminds zusammen, die auch schon für das letzte HoT-Projekt die Bewegungsanimationen lieferten. Auch bei der Musik ist mit Dynamedion wieder der alte Partner mit im Boot. Die Dialoge werden jetzt wie in Baphomets Fluch über Gespräch-Icons gesteuert. Jeder Dialog ist dabei mit Closeups und Schnittfolgen inszeniert. Wichtige Details werden automatisch mit einem Diktafon festgehalten, das ein guter Psychiater ohnehin mit sich führt.
Die Zutaten sind da
Die filmische Inszenierung von Overclocked wirkte in den Szenen, die auf der GC gezeigt wurden, schon äußerst gelungen. Die Frage, ob so dichtes Scripting über eine komplette Spiellänge durchgehalten werden kann, beantwortet aber erst die Vollversion. Da Martin Ganteföhr uns ungefähr den Schwierigkeitsgrad von The Moment of Silence versprochen hat, besteht wohl keine Gefahr, dass der Titel zum interaktiven Film à la Dreamfall wird. Auch die Geschichte verpricht, spannend und wieder einmal sehr gut geschrieben zu sein. Alle Zutaten sind also da - jetzt muss nur noch alles zu dem Adventure-Hit zusammengebastelt werden, den House of Tales entwickeln möchte.
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