Vorschau

von  Sebastian 'basti007' Grünwald
30.06.2007
Reprobates

Psychoterror zum Klicken

Lange Zeit war es ruhig um die Firma Future Games, die Ende 2002 mit Black Mirror eines der erfolgreichsten Adventures überhaupt produzierte, später mit Nibiru aber nicht mehr ganz an die Klasse des Vorgängers anknüpfen konnte. Nun wollen es die Jungs aus Prag aber noch einmal richtig wissen und legen mit ihrem nächsten Werk Reprobates ein äußerst beklemmendes Adventure vor.

Lost meets Dark City

Der Spieler übernimmt diesmal die Rolle des Adam Reichel, der nach einem schweren Autounfall plötzlich auf einer karibischen Insel erwacht. Was nun folgt steht in Storytelling und Präsentation einem Psychothriller in nichts nach: Der Spieler beginnt die Geheimnisse seines plötzlichen Erwachens sowie die der Insel zu erforschen. Schon bald stellt er fest, dass er nicht der einzig Traumatisierte auf dem Eiland ist. Auch andere Menschen erwachen in kargen, metallischen Bungalows, die überall in der Gegend zu finden sind. Im Laufe des Spiels werden die Begebenheiten dann immer merkwürdiger: Die meisten Einwohner sind mindestens ebenso verstört und oft wenig hilfreich. Einige von ihnen glauben sogar, sich in einer noch völlig anderen Zeitepoche zu befinden oder gehen merkwürdigen Beschäftigungen nach.

Wenn die Glocke einmal läutet

Wirklich gruselig ist ein steinerner Glockenturm in der Mitte der Insel. Jedes Mal, wenn die Glocke ertönt, schlafen alle Inselbewohner sofort ein und erwachen wieder in ihren Bungalows. Der Psychotortur noch nicht genug wird Adam dann auch noch von Alpträumen heimgesucht, die ebenfalls spielbar sein werden. Da muss Adam mal jemanden aus einem brennenden Auto befreien, ein anderes Mal wird sein Bungalow durch Lava und Feuer eingeschlossen. Mit der Zeit verschwimmen Realität und Traum immer weiter zu einer undurchschaubaren Einheit, die Menschen der Insel werden gegeneinander misstrauisch, Angst und Stress macht sich breit.

Gruselkino-Atmosphäre

Im Gegensatz zum aktuellen Trend, auf gerenderte Zwischensequenzen zu verzichten (siehe unsere Vorschauberichte zu So Blonde oder Mata Hari), spricht Future Games ganz konkret die Cineasten unter den Adventurespielern an. So werden viele Cutscenes die düstere Stimmung des Spiels unterstreichen. Überhaupt hat sich Future Games vor allen Dingen in der Präsentation weiterentwickelt. Keine Sekunde erinnern die Ingame-Animationen mehr an die steifen Abfolgen in Black Mirror oder Nibiru. Bei den meisten Dialogen schneidet die Engine nun automatisch in eine Nahaufnahme, um mit ausdrucksstarker Gestik den emotionalen Charakter des Spieles zu unterstreichen. Die mit der Motion-Capturing-Technologie erzeugten Bewegungen sowie viele kleinere Details wie z.B. Augenschielen oder Mundwinkelzucken machten in der uns gezeigten Vorabversion bereits einen guten Eindruck, dtp versprach aber, in der finalen Version noch mehr Mimik zu integrieren. Damit dürfte der tschechische Entwickler einen der größten Kritikpunkte seiner letzten Spiele endgültig ausgeräumt haben. Gegenüber den Vorgängern gleich geblieben sind die atmosphärischen Details der vorgerenderten Hintergrundgrafiken: Meeresbrandung, vorbeiziehende Wolken, Regenschauer oder flackernde Lichter – das Adventure geizt nicht mit Bewegung. Gemessen an aktuellen Standards sind diese Grafiken zwar nicht ganz so hübsch, irgendwie passt der „dreckige" Look aber auch ganz gut zur kranken Atmosphäre der Geschichte.

Never change a running Interface

Wie nicht anders zu erwarten wird Reprobates ein klassisches Point'n'Click-Adventure. Die Steuerung hat sich seit Black Mirror nicht sonderlich verändert, mit der Ausnahme, dass man nur noch links klicken muss. Ein Doppelklick lässt unseren Adam wie gewohnt durch die Szenen laufen. Nicht gesehen haben wir bislang konkrete Rätselbeispiele – es wird sich also noch zeigen müssen, in wie weit diese mit der spannenden Geschichte mithalten können. Versprochen hat man uns aber klassische Rätselkost, wie man sie von Black Mirror kennt – also vornehmlich Kombinations- und Inventarrätsel. Die Dialoge laufen im Multiple-Choice-Format ab. Das Spiel sah auf dem ersten Blick auch deutlich non-linearer aus als Nibiru, so dass sich Adam recht frei über die (nicht allzu große) Insel steuern lässt.
Sicher ist dagegen, dass der Spieler auf eine gute Verfassung der Spielfigur wert legen muss – z.B. indem er genug Essen zu sich nimmt. Ein Energiebalken zeigt dafür den aktuellen Zustand von Adam an. Einige Szenen laufen zudem in einem gewissen Aktionsrahmen ab. Das heißt: Der Spieler ist zwar nicht unter Zeitdruck, hat aber nur eine begrenzte Anzahl von möglichen Aktionen zur Verfügung, um eine brenzlige Situation zu lösen. Sterben ist dabei zwar möglich, aber natürlich legt das Spiel automatisch vor der falschen Aktion einen Auto-Save an, so dass man nicht panisch alle fünf Minuten selbst speichern muss. Die Spielzeit ist mit 15 bis 20 Stunden angegeben, die Story soll sich über 8 Kapitel erstrecken, jedes repräsentativ für einen Tag auf der Insel.

Frischer Wind im Gruselsegment

Lange war es ruhig bei den Horroradventures, doch nun ist Future Games zurück mit dem, was sie weltweit bekannt gemacht hat: Gruselige Atmosphäre, schöne Cutscenes und eine spannende Geschichte. Dass man sich in der Zwischenzeit nicht auf seinen Meriten ausgeruht hat zeigen die Verbesserungen vor allen Dingen bei der Charakter-Animation. Bisher lässt sich zum Gameplay noch nicht viel sagen – insbesondere was die Qualität des Rätseldesigns und des bei Future Games häufig kritisierten Finales betrifft. Viel wird letztendlich noch von diesem Faktor abhängen. Ohne Zweifel bringt Reprobates aber frischen Wind in das Genre was das ungewöhnliche Storydesign mit unterkühltem Inselsetting und die Alptraumsequenzen angeht. Bei den vielen (zweifelsohne viel versprechenden) Indy-, Monkey-Island- oder Runaway-Verschnitten der letzten Zeit könnte Reprobates neben Overclocked die bislang völlig unterschätzte Alternative für Freunde düsterer Adventures sein. Wer sich für psychologische Mysterythemen wie Nahtoderfahrungen oder Traumdeutung interessiert, einigen Schockeffekten und einer gehörigen Portion Psychoterror nicht abgeneigt ist, sollte sich Reprobates auf alle Fälle vormerken. Das Spiel soll übrigens bereits in gut zwei Monaten fertig sein.

Future Games Reprobates Homepage
Sieht gut aus