The Abbey gehört nicht zu den Adventures, über die vor der Games Convention viel geredet wurde. Anfang 2006 gab es mal ein spanisches Preview, sonst musste man den Infos von der Games Convention 2006 vertrauen. Damals wollte Crimson Cow noch nichts aus dem Spiel zeigen, sodass man die Presse mit mehr oder weniger kryptischen Absichtsbekundungen vertröstete. Auf dem diesjährigen Branchentreff in Leipzig traute man sich dann endlich, das Spiel der Presse zu präsentieren, und hatte nicht nur spielbares Material im Gepäck, sondern auch Emilio de Paz, Oberhaupt des spanischen Entwicklers Alcachofa Soft.
Am Anfang schuf Emilio das Intro
Alcachofa Soft war in Deutschland zuletzt mit Clever & Smart: A Movie Adventure im Adventure-Markt zu Gast - ein netter Comicspaß, der zwar mit Multiplayer-Gimmick daherkam, ansonsten aber wenig spektakulär war. Nachdem uns Georg Hach von Crimson Cow das Intro von The Abbey vorgeführt hatte, war aber schnell klar, dass der Entwickler deutliche Schritte nach vorne gemacht hat. Es wird die Geschichte von Leonardo erzählt, einem ehemaligen Berater des Königshofes. Der Vatikan schickt ihn, zusammen mit seinem Assistenten Bruno, in ein abgelegenes Kloster, in dem die Verhältnisse nicht so friedlich sind, wie man das von einer heiligen Stätte erwartet. Das Intro zeigt die beiden, wie sie in einem nächtlichen Unwetter durch felsiges Gelände reiten. Auf dem Weg bekommen sie schon den ersten Vorgeschmack auf das, was ihnen bevorsteht: Eine mysteriöse Gestalt in Mönchskutte rollt einen wuchtigen Felsen von einer Klippe, nur knapp kann Leonardo seinen Begleiter aus der Bahn des Steins stoßen. Die Dramatik der Szene transportiert der opulente Soundtrack, der vom City of Prague Philharmonic Orchestra eingespielt wurde. Teile der grandiosen Intro-Musik, in der das Orchester noch von einem kräftigen Chor begleitet wird, sind bereits im Trailer zu hören. Insgesamt will Emilio de Paz, der die Musik für sein Spiel höchstselbst komponiert, den rund 70 Minuten langen Soundtrack komplett mit dem 50-köpfigen Symphonieorchester aufnehmen. Eventuell wird es zum Spiel dann auch eine Soundtrack-CD geben - ein rund 15-minütiger Vorgeschmack wurde auf der Games Convention bereits an Pressevertreter verteilt.
Und Emilio Sprach: Es werde hübsch!
Das Intro ist kein vorgerenderter Film, sondern nutzt bereits die Technologie, die auch im Spiel selbst zum Einsatz kommt. Hauptsächlich besteht die Welt von The Abbey nämlich aus gezeichneten Comic-Hintergründen, über die Echtzeit-3D-Figuren laufen. Dass das Intro trotzdem sehr dynamisch wirkt, liegt am ausgiebigen Einsatz verschiedener 2D-Ebenen, die gegeneinander verschoben werden, und an der Fleißarbeit der Alcachofa-Künstler, die etliche Perspektiven zeichnen, um häufig zwischen verschiedenen Kameraperspektiven hin- und herschneiden zu können. Das Konzept setzt sich auch nach der Einführung im eigentlichen Spiel fort. Um möglichst nah an einen filmischen Look heranzukommen, sind beispielsweise für Dialoge zusätzliche Hintergründe gezeichnet worden. So kann man auch mal auf Nahaufnahmen der Gesichter umschalten. Selbst beim Aufnehmen von Gegenständen werden gelegentlich eigene Kameraperspektiven eingeblendet. So kommen die Entwickler auf rund 1000 Hintergründe in 60 Räumen. Auch der Zoom-Effekt, der schon in Clever & Smart eingesetzt wurde, kommt verstärkt zum Einsatz, um den Fokus auf bestimmte Teile des Bildes zu konzentrieren. Technisch gesehen läuft das Spiel mit beliebig hohen Auflösungen, Hintergründe und Figuren werden je nach Bedarf hochskaliert. Auch ein 16:9-Modus für breite Bildschirme wird integriert. Der zusätzliche Platz an der Seite wird dann für das Inventar genutzt.
Und Emilio schuf den Menschen zu seinem Bilde
Während die gezeichneten Teile von The Abbey schon klasse aussahen, hat der 3D-Teil der Spielwelt noch zwei Gesichter. Hervorragend gelungen sind die Charaktere, die dank hoher Polygonzahl nicht nur - im wahrsten Sinne des Wortes - sehr rund aussehen, sondern auch charakteristische Gesichtszüge haben, die ihnen eine glaubhafte Mimik verleihen. Lediglich die Lippensynchronität war mangels Sprachausgabe in der Messeversion noch nicht zu beurteilen. Dass die Figuren sich als 3D-Objekte, die in Echtzeit berechnet werden, blendend in die gezeichneten Hintergründe einpassen, liegt an dem wohl besten Cel-Shader, den man im Adventuregenre bisher in Aktion gesehen hat. Der lässt die Charaktere ähnlich aussehen wie zum Beispiel in Runaway, nur dass bei den Pendulo Studios vorgerenderte Sprites zum Einsatz kamen. Weniger begeistert dagegen der Einsatz von 3D in anderen Bereichen. Wenn in den ansonsten gezeichneten Szenen plötzlich 3D-Gebäude auftauchen, passt die überaus geradlinige Optik dieser Elemente nicht so recht ins Bild. Ein Beispiel hierfür ist das Abteigebäude, das während der Kamerafahrt am Ende des GC-Trailers zu sehen ist. Da gerade die Außenareale in der vorgezeigten Version noch besonders unfertig waren, ist allerdings unklar, wie genau die Technik hier eingesetzt wird.
Und so ward das Spiel ein ernsthaftes Wesen
Schwierig einzuordnen war bisher, wo The Abbey zwischen ernstem Thriller und Comicspaß angesiedelt ist. Frühe Screenshots schienen auf eine Gagparade im Stil von Clever & Smart hinzudeuten, von diesem Weg haben sich Alcachofa Soft und Crimson Cow aber ganz bewusst verabschiedet. Insbesondere die Charaktere haben im letzten Jahr einen umfassenden Veränderungsprozess durchlaufen. Statt karikaturistisch übertriebener Comicwesen laufen jetzt glaubhafte Figuren durch die Spielwelt. Die sind zwar immer noch etwas überzeichnet, wirken aber erwachsen genug, um auch eine spannende Geschichte zu tragen. The Abbey soll nämlich einen ausgewachsenen Krimi erzählen, der in der Tradition von Umberto Ecos Der Name der Rose steht. Der mysteriöse Anschlag im Intro wurde schon erwähnt, auch in der Abtei passieren seltsame Dinge, bis hin zum Mord. Leonardo untersucht ganz in Sherlock-Holmes-Manier - oder eben wie Ecos Figur William von Baskerville - die Ereignisse, zur Seite steht ihm dabei sein Assistent Bruno. Bierernst geht es deswegen noch lange nicht zu. Im Zwischenspiel zwischen dem gewitzten Leonardo, der immer einen sarkastischen Kommentar auf den Lippen hat, und dem dümmlichen Bruno versprach man uns viel Humor. Wie die Balance zwischen intelligentem Witz und spannendem Thriller gelingt, können wir jetzt allerdings noch nicht beurteilen.
Seid fruchtbar und werdet fertig
The Abbey ist nicht einfach nur ein weiteres Alcachofa-Projekt. Chefentwickler Emilio de Paz hat die ersten Ideen schon vor 10 Jahren entwickelt und das Konzept seitdem im Hinterkopf behalten. Das Multitalent ist nicht nur Projektleiter und Designer, sondern zeichnet auch die Locations vor, komponiert die gesamte Musik und tritt, wenn er mal gerade keine Spiele entwickelt, in Spanien als professioneller Magier auf. Die Journalisten auf der Games Convention hat er nicht nur mit seinem sympathisch-euphorischen Naturell verzaubert, sondern auch mit seinem Kartenspiel, das immer an seiner Seite weilte. Keine Frage, mit de Paz hat Crimson Cow ein echtes Ass im Ärmel, das Blatt in der Hand kann sich aber auch schon sehen lassen. The Abbey sieht sehr gut aus, hört sich hervorragend an und wenn der Mix aus spannender Geschichte und intelligentem Humor gelingt, dann wird der Titel zwei Klassen über Clever & Smart spielen. Dass der Publisher seine Entwickler nicht unter Druck setzt und ihnen bis 2008 Zeit gibt, ist jedenfalls ein gutes Zeichen.
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