Das ist definitiv nicht Jacks Tag: Als er sich auf seiner Farm gemütlich ein paar Gläser Whiskey einschenken will, treten plötzlich ein paar Banditen die Tür ein, faseln irgendetwas von Kopfgeld und Belohnung – und hauen dann erst mal kräftig auf die Pauke. Besser gesagt: Auf Jacks Rübe. Als dieser wieder zu sich kommt, steht seine Farm in Flammen. Wie es sich für einen Cowboy gehört, ignoriert er gewohnt lässig das Problem erst Mal und beschließt, ein bisschen Geld zu verdienen. In der Stadt mit dem einfallsreichen Namen Westtown gibt es einen Schießwettbewerb – dort will sich Jack messen. So ist der recht banale Anfang der Geschichte von „The Bad, the Ugly and the Sober“. Man begleitet also Jack auf seiner Reise nach Westtown, während viele der typischen Westernklischees durch den Kakao gezogen werden. Eisbahnüberfälle, Haltestellen, an denen die Kutsche immer dann nicht vorbeikommt, wenn man sie braucht, herumballernde Priester, treue Pferde und allwissende Barkeeper – in „Sober“ wird nichts vergessen. Wir haben das Adventure aus russischen Landen für Euch angespielt!
Round 254 – Fight!
Die Steuerung ist eingängig: Mit der linken Maustaste werden Aktionen ausgelöst, mit der rechten das Inventar aufgerufen. Die meisten Adventurespieler sollten damit sofort klar kommen. Die Rätseleinlagen sind in sofern typisch. Weniger gelungen sind vereinzelte Actionsequenzen. Die kommen zwar nicht allzu häufig vor und werden ganz genauso mit der Maus gesteuert, der Schwierigkeitsgrad könnte Grobmotorikern allerdings schnell den letzten Nerv rauben. Box-Minispiele im Stil der Indiana Jones Adventures erfordern beispielsweise ein wirklich exaktes Timing zwischen Angriff und Verteidigung. Meist kommt man mit wildem Herumgeklicke und mit einer gehörigen Portion Glück genau so weit. Auf alle Fälle muss man für diese Minispiele schon mal ne halbe oder ganze Stunde einplanen. Zudem sind sie obligatorisch in die Story integriert, müssen also auf jeden Fall gelöst werden, damit man überhaupt weiterkommt. Hier wäre es gut, wenn man bei den Entwicklern noch etwas am Finetuning schraubt und vielleicht einen „Instant-Win“ Button ähnlich wie bei So Blonde und Konsorten integriert.
Sie nannten es Klassik-Adventure
Bei der Grafik gefallen vor allen Dingen die gelungenen Animationen. Wenn unser Held breitbeinig durch die Wüste stampft, ein Indianer unter dauerhaften Drogeneinfluss mit gläsernen Augen durch die Szenerie glotzt oder ein Mexikaner lässig eine selbst gedrehte Zigarre pafft, macht das Zuschauen Spaß. Etwas unausgewogen wirkt dabei das Zusammenspiel aus detaillierten Hintergründen im Artwork-Stil und dem skurrilen Comic-Look. Wer auf farbenprächtige Locations mit absurden Einfällen steht, wird sich dennoch wohl fühlen. Am wenigsten gefallen die etwas steif gerenderten Zwischensequenzen, wovon es im Spiel aber auch nicht allzu viele gibt. Äußerlich spielt „The Bad, the Ugly and the Sober“ damit zwar nicht in der oberen Liga mit, versprüht aber immer noch den Charme der alten Adventure-Ära, ohne auf hoch auflösende Grafiken (bis zu 1280 x 800 sind möglich) zu verzichten.
Spiel mir das Lied vom Sarkasmus
Beim Sound setzt man auf typische Western-Themen mit einer Schuss Ironie. Die Stücke sind immer recht passend gewählt und wer Dixieland oder atmosphärische Mundharmonika-Stücke mag wird bestimmt hin und wieder eine Runde mit pfeifen. Überhaupt ist „Sober“ nicht nur äußerlich ein spaßiges Adventure: Auch inhaltlich schreckt das Spiel nicht vor schwarzem Humor zurück. Unser Protagonist ist nie um einen frechen Spruch verlegen. Die bisherige russische Synchronisierung wirkt dabei recht gelungen. Es wird sich zeigen müssen, in wie weit das auch in einer möglichen deutsche Lokalisierung funktioniert.
Story, Gameplay und Halleluja
Der Spielfortschritt wird auf einer Karte illustriert, und während des Spiels werden immer neue Abschnitte frei geschaltet. Der Freiheitsgrad ist bunt gemischt: Einige Kapitel gehen nur über einen, andere wieder über ein Dutzend Bildschirme. Der Schwierigkeitsgrad zieht mit der Zeit an, also hat man sich durchaus Gedanken über das Gameplay gemacht. Nicht so gut gefällt bisher die Integration einzelner Szenen in die Geschichte. Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Personen werden häufig nicht so wirklich klar, es steht meistens erst Mal die Handlung im Vordergrund, auch wenn man nicht so wirklich genau weiß, warum man dieses oder jenes überhaupt tut. Vielleicht macht aber auch hier eine gelungene deutsche Übersetzung noch manches klarer.
Für eine handvoll Euro
Der große Pluspunkt von „Sober“ dürfte auf alle Fälle das Western-Thema im klassischen Adventure-Stil sein. Freunde von Spielen wie Freddy Pharkas werden sich schnell an den Grafik- und Musikstil gewöhnen und am sehr handlungsorientierten Gameplay Gefallen finden. Inhaltlich gibt es immer wieder einige Mängel. Neben den schwierigen Actioneinlagen trüben auch einige Schwachstellen in der Inszenierung das Gesamtbild, z.B. wenn der Sheriff gefesselt gefangen gehalten wird und einfach nicht reagiert, egal was man in seinem Büro tut. Das sind allerdings kleinere Mängel, die bei einem letzten Feintuning noch behoben werden könnten. Die Geschichte ist ebenfalls nicht allzu spannend, die verrückten Charaktere machen hier eindeutig am meisten her. Auch wenn Spiele aus Russland bisher nicht immer überzeugt haben: Die letzten Titel zeigen einen stetigen Fortschritt in Technik und Inhalt. Wenn „Sober“ das bisher gezeigte Potential auch im finalen Spiel ausschöpft, die Geschichte noch etwas an Fahrt gewinnt, die Lokalisierung den Humor trägt und die Minispiel-Einlagen nicht Überhand nehmen, dürfte es durchaus ein gelungener Adventure-Titel sein, der seinen Platz im Midprice-Segment zwischen 20 und 30 Euro einnehmen könnte. Freunde von Westernadventures behalten ihn deswegen vorerst im Auge.
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