Vorschau

von  Benjamin "Grappa11" Braun
23.02.2009
Black Mirror 2
Seit der Games Convention 2007, auf der das Projekt erstmals öffentlich vorgestellt wurde, wartet die Adventure-Gemeinde gespannt auf neue Informationen zum Nachfolger des 2004er-Adventures The Black Mirror. Die einen aus Vorfreude auf die Fortsetzung eines der besten Adventures seines Jahrgangs, die anderen eher aus Skepsis, weil nicht Unknown Identity oder zumindest Future Games an Black Mirror 2 beteiligt ist. Im vergangenen Jahr konnten wir einen ersten Blick auf das Spiel werfen, das beim in Hannover ansässigen Entwickler Cranberry Production entsteht. Nun, ein knappes halbes Jahr später, konnten wir bei Publisher dtp neue Eindrücke gewinnen und uns das Spiel ausführlich zeigen lassen.

Infokasten

Die Kleinversionen der Screenshots innerhalb dieser Vorschau wurden von uns aus Layoutgründen leicht an den Seiten beschnitten. Die Großversionen zeigen das Bild jeweils vollständig.


Neue und alte Tugenden

Wie geht man an die Fortsetzung eines erfolgreichen Spiels heran, wenn man weiß, dass die Erwartungshaltung der Spieler schon im Vorfeld enorm hoch sein muss? Jeder Entwickler wäre wohl dankbar, könnte man hierauf eine umfassende Antwort liefern. Unmöglich ist ein solches Unterfangen sicher nicht, wenn man darauf achtet, in den verantwortlichen Positionen aufs richtige Pferd zu setzen. Jemanden, der Black Mirror kennt und liebt, der sich intensiv mit seinen Leuten austauscht und bei Entscheidungen zumindest meistens das letzte Wort hat, damit sich die einzelnen Komponenten zu einer Einheit formen können.
Im Spiel gibt es mehrere scrollende<br>Hintergründe, die sich auch mal über die<br>2- bis 3-fache Breite des Bildschirms ziehen.Bei Black Mirror 2 ist dieser Jemand Achim Heidelauf, Senior Producer bei dtp und Game Director von Black Mirror 2. Man merkt deutlich, hier sitzt kein Geschäftsmann. Hier sitzt ein Gamer, der Spaß an seiner Arbeit hat, auch wenn er zugeben muss, dass er Black Mirror 2 lieber erst nach der Fertigstellung als Spieler erlebt hätte, um die Atmosphäre voll auskosten zu können.
Eine spannende und gruselige Atmosphäre. Das ist es wohl, woran die meisten mit als erstes denken würden, wenn sie die Stärken von Black Mirror aufzählen sollen. Die Einsamkeit Samuel Gordons in der trostlosen Umgebung von Black Mirror Castle, dem nahegelegenen Dorf Willow Creek, das herrschaftliche, jedoch nicht gerade einladende Anwesen von Samuels Tante Eleonore in Wales oder das schaurige Sanatorium, in dem Samuel Bekanntschaft mit James macht sind Dinge, die einem da in den Sinn kommen. Alles Szenen, die auch in Black Mirror 2 wieder eine Rolle spielen werden.

Evolution eines Schauplatzes

Point-and-Click-Abenteurer, auch der Autor dieses Artikels, gehen gerne mit der Aussage hausieren, die Grafik von Adventures sei nicht so wichtig. Wenn man allerdings die moderne Interpretation der Locations aus dem ersten Black Mirror gesehen hat, wird man regelrecht dazu genötigt, nochmal grundlegend zu prüfen, ob es nicht wenigstens Ausnahmen gibt. Zu jenen Ausnahmen, das wird schon beim ersten Blick auf das Spiel klar, müsste man Black Mirror 2 nämlich zählen.
Die Evolution bekannter Schauplätze<br>ist beeindruckend und ansprechend.Das Städtchen Willow Creek zum Beispiel sieht einfach fantastisch aus, obwohl die Szene rund sechs Monate vor Release längst nicht final ist, hier und da Details noch überarbeitet werden oder teils noch nicht integriert sind. Genau wie einige weitere Hintergründe handelt es sich hier um einen scrollenden Hintergrund, der sich gut und gerne über die zweieinhalb- bis dreifache Breite des Bildschirms erstreckt. Der Detailgrad ist schon jetzt äußerst ansprechend, die Gebäude, der Himmel und das Wasser im Fluss sehen um ein Vielfaches besser aus und wirken wesentlich authentischer. Die Nebelschwaden und das dumpfe Licht verstärken diesen Eindruck zusätzlich. Zu einem anderen Zeitpunkt sehen wir denselben Schauplatz bei Nacht. Das Mondlicht beleuchtet die Szene realistisch und taucht sie in eine schaurig-romantische Stimmung.
Szenenwechsel: Wir stehen vor dem Glockenturm, wo Samuel einst nur knapp mit dem Leben davon kam, bevor man ihn bei lebendigem Leibe begraben konnte. Allein das lässt einem schon einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Doch auch dieser Schauplatz lebt nicht nur von der Erinnerung an den Vorgänger, sondern schafft es durch die hohe optische Qualität - mit teils schon in diesem frühen Stadium beeindruckenden und atmosphärischen Grafikeffekten sowie filmischen Kniffen wie einem niedrigen Blickwinkel - ein beklemmendes Gefühl hervorzurufen.

Es werde Licht

Ganz wichtig dabei: Die Beleuchtung. Auch darauf legt man in Black Mirror 2 besonderen Wert. So sind beinahe sämtliche Schauplätze zu mindestens zwei unterschiedlichen Tageszeiten betretbar. Da sich zusätzlich die Wetterverhältnisse ändern, ein kurzer Schauer über das Fischerdorf in Maine hereinbricht oder ein schweres Unwetter mit Blitz und Donner über Black Mirror Castle tobt, gibt es zahlreiche Versionen der einzelnen Szenen. Das gilt gleichsam für Außenareale wie Innenräume.
Im Keller ist es duster.Der Fotoladen von Darrens unsympathischem Chef Fuller ist einer der Schauplätze, in denen die Beleuchtung bereits weitestgehend fertig ist. Das sieht richtig klasse aus und unterstreicht, dass man auch hier kein Detail dem Zufall überlassen will. Die wechselnden Lichtquellen sorgen auch bereits für realistische Schattenwürfe von im Bild befindlichen Objekten und den Spielfiguren. Darrens Silhouette wird realistisch abgebildet und ist nicht bloß ein grauer Punkt unter seinen Füßen.

Und es bewegt sich doch!

Während wir uns im Fischerdorf Biddeford im US-Bundesstaat Maine befinden, mit dem die Präsentation bei dtp begann und in dem auch das Spiel starten wird, erzählt Achim Heidelauf noch mal kurz die Ausgangssituation von Black Mirror 2. Währenddessen sehen wir die Szene vor Fullers Fotoladen. Die Ampel blinkt ab und zu gelb auf. Ansonsten passiert nicht viel, könnte man meinen. Je länger wir die Szene betrachten, umso mehr Objekte im Bild erkennen wir, die sehr wohl mehr können, als nur bewegungslos im Hintergrund zu stehen. Die Krone des Laubbaums wiegt sich sanft im Wind, das Schild über dem Eingang schaukelt leicht vor und zurück und, fast wäre uns die großflächigste Animation entgangen, am Himmel ziehen ein paar regenverdächtige Wolken vorbei.
Realistisch animierte Objekte<br>und ansehnliche Wettereffekte sorgen für<br>ein glaubwürdiges Umfeld.Das sieht alles sehr gut aus und lässt mehr als nur hoffen, dass Cranberry nicht den Fehler begeht, Effekthascherei zu betreiben, indem einfach möglichst viele bzw. besonders intensiv animierte Bildteile eingebaut werden, ohne auf eine realistische Darstellung zu achten.
Was man möglichst zahlreich ins Spiel integrieren will, sind Spezialanimationen bei den Spielfiguren. Ein paar von den mithilfe von Motion Capturing erstellten speziellen Animationen sind bereits im Spiel enthalten. In einer Szene zu Beginn muss Darren für Fuller ein Schild vor dessen Laden aufstellen. Alibi-Bewegungen, bei denen der Charakter nur in Richtung des Objekts greift, will man wo immer es geht vermeiden. Also nimmt Darren das Schild und trägt es heraus. Draußen trifft er erstmals auf Angelina, die ihn darauf aufmerksam macht, dass er es verkehrt herum aufgestellt hat. Eine weitere Animation zeigt, wie er daraufhin das Schild nochmals ergreift und in die richtige Position dreht.
In einer anderen Szene muss Darren von außen eine Tür durch einen darüber liegenden Fensterschacht öffnen. Die Animation ist zwar noch nicht vollständig, doch schon jetzt kann man gut erkennen, wie der Hauptcharakter seine selbstgebaute Apparatur bedient und auf den Zehenspitzen stehend sein Glück versucht.

Ein Auge für Details

Es gibt Vieles, das die Atmosphäre eines Spiels zerstören kann. Wenn der Hauptcharakter eines Horror-Adventures einen Witz nach dem anderen erzählte, wäre an Nervenkitzel wohl nicht mehr zu denken. Deshalb ist es gut, dass die Entwickler ein besonderes Auge auf Details richten, die direkt oder indirekt der Atmosphäre schaden könnten. Die 1993 angesiedelte Handlung erfordert ein zeitgenössisches Interieur. Deshalb stehen im Polizeirevier auch PCs, wie man sie zu dieser Zeit angetroffen hätte. Das Programm zur Erstellung eines Phantombildes sieht entsprechend auch etwas angestaubt aus und das kabellose Telefon von Darrens Mutter würde heute wohl Gefahr laufen, unter das Waffengesetz zu fallen oder als Hantel fürs Krafttraining dienen können.
Auf diesen Rechnern läuft Crysis<br>nicht mal mit minimalen Details.Viel wichtiger sind aber noch ganz andere Dinge, die bei Adventures auch mal gerne übergangen werden. Ein Mensch wechselt in der Regel häufiger als einmal die Woche seine Kleidung. Auch Darren und andere Charaktere trifft man an verschiedenen Tagen in unterschiedlicher Kluft. Während Samuel Gordon in seinem Jäckchen wahrscheinlich sogar baden gegangen wäre, um direkt danach genau so in eine Kneipe zu spazieren um ein Bier zu bestellen, zieht Darren sich auch mal passend zum Wetter an oder wechselt seine Kleidung, wenn sie ordentlich durchgeweicht ist.
In einer Szene muss Darren einen zwielichtigen Charakter verfolgen, dessen Identität er unbedingt klären will. Verlässt man umgehend das Gebäude, kann man versuchen, die Person einzuholen. Dreimal dürft ihr raten, ob ihr ihn schnappt. Zögert man die Verfolgung aber zu lange hinaus und tritt erst später auf den Vorplatz, ist die Person bereits außer Sichtweite, was selbst nach einem kurzen Gespräch absolut logisch erscheint. In beiden Fällen bleibt der Verlauf der Geschichte aber gleich.

Manchmal ist weniger mehr

Der akustische Hintergrund von Black Mirror war eher minimalistisch und bediente sich innerhalb des Spiels nur selten oder zumindest sehr dezent an Hintergrundmusik. Hier will man sich für Black Mirror 2 ebenfalls am Vorgänger orientieren. Manchmal ist weniger eben mehr.
Das heißt aber noch lange nicht, dass man durch mucksmäuschenstille Grafikkulissen wandern wird. Hier will man durch hochwertige Soundeffekte und Ambient Sounds für Atmosphäre sorgen. In einem kanalisationsartigen Gangsystem gab man uns ein Beispiel: Darrens Schritte führen ihn über Steinflächen, Metallgitter und hölzernen Boden. Passend zur jeweiligen Oberfläche verändern sich die Schrittlaute. Der Hall verstärkt den Effekt. Im Hintergrund hört man Wasser plätschern. So entsteht auch beim Spieler das Gefühl, allein und auf sich selbst gestellt zu sein.
Zu einem hochwertigen Sound gehört natürlich auch eine hochwertige Sprachausgabe. Die ist einige Monate vor der geplanten Veröffentlichung natürlich noch ein Stück davon entfernt, auf der Tagesordnung auf Platz eins vorzurücken.

Ein echtes Black Mirror 2

Zu Black Mirror gehören ganz sicher auch ein paar schöne Puzzles und Logikrätsel. Auf unlogische Rätsel und Hotspots, die nachdem man sie untersucht hat verschwinden, um später plötzlich wieder verfügbar zu sein, wie es im Vorgänger der Fall war, kann man sicherlich verzichten. Das sieht man bei Cranberry genauso, will aber dem Spieler zusätzlich, wie mittlerweile üblich, einige optionale Hilfen zur Seite stellen. Neben dem Vorhandensein der mittlerweile weit verbreiteten Hotspot-Anzeige, lassen sich bestimmte Rätsel mit Minispielcharakter, wie etwa das Zusammensetzen von Papierschnipseln, bei Bedarf per Tastendruck überspringen. Allerdings soll die Funktion erst nach einer gewissen Zeit bzw. einer bestimmten Anzahl an Fehlversuchen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus ist ein Tagebuch in Vorbereitung, das eine Art Questlog beinhaltet, welches bei Bedarf mehrstufige Tipps gibt. Auch wenn man auf frustrierende Rätseleinlagen verzichten will, soll das Spiel nicht zu leicht angelegt sein. Wer auf die Hilfen verzichtet und lieber rätselt, soll sich auch an der ein oder anderen anspruchsvollen Aufgabe versuchen dürfen.
Inventar- und Kombinationsrätsel werden an der Tagesordnung sein. Während diese zum Einstieg eher simpel gestrickt sind, sollen sie im weiteren Spielverlauf an Komplexität zulegen. Auch hierzu ein Beispiel, das uns gut gefallen hat: Darren befindet sich nach einer unangenehmen Rutschpartie durch ein großes Rohr in einem stockfinsteren Raum. Um sich überhaupt orientieren zu können, nutzt er den Blitz seiner Kamera, die den Raum für einen Moment in grelles Licht taucht. Die interessanten Objekte sind nun verfügbar, konnten aber nur grob bestimmt werden. Da Darren jetzt deren Standort kennt, kann er die Objekte aber näher untersuchen und definieren, um was es sich handelt. Wir finden unter anderem einen Holzscheit, einen Eimer mit Öl und einen Lappen. Diese Gegenstände kann Darren zu einer Fackel kombinieren, die ihm dauerhaft Licht spendet und bei der nächsten Aufgabe, dem Öffnen einer schweren Eisentüre, noch nützlich sein wird.

Ausblick

Noch mindestens ein halbes Jahr wird es dauern, bis Black Mirror 2 auf den Markt kommt. Den Entwicklern bleibt also noch einige Zeit, um ihre hochgesteckten, aber durchaus realistische Ziele in die Tat umzusetzen. Von der Story wissen wir noch nicht genug, um dazu eine Einschätzung abgeben zu wollen. Das klassisch orientierte Gameplay zeigt gute Ansätze, wird sich in der Praxis aber erst noch beweisen müssen. Wenn alle Schauplätze im Spiel auch nur halbwegs das Niveau der Szenen erreichen, die wir gesehen haben, dann erwartet uns zweifellos ein optischer Leckerbissen, der uns auch in Bezug auf die Atmosphäre optimistisch stimmt. Auch das Sound-Konzept ist schlüssig und klingt überzeugend.
Wir hoffen, dass die Story auf einem ähnlich guten Weg ist und bleiben weiter gespannt.

Sieht gut aus