Vorschau

von  
18.06.2009
Heavy Rain (E3)
Spieler mit langjähriger Erfahrung sind es gewohnt, Spiele in Genres einzuteilen; dies ist ein Rollenspiel, das ist ein Platformer. Aus diesem Grund benötigen wir bei einem kurzen Blick auf eine Neuveröffentlichung meist nur wenige Sekunden, um das Spiel in die passende Schublade zu stecken. Immer mal wieder erscheint dann allerdings ein Spiel, welches diesen simplen Genre-Einstufungen trotzt. Zweimal sah ich auf der E3 die Demo von Heavy Rain, dem neuen Playstation-3-Exklusivtitel der Fahrenheit-Entwickler Quantic Dream, und ich würde es ungern als Adventure bezeichnen. Ebenso wenig als Action-Adventure oder interaktiven Film. Bestenfalls kann ich sagen, dass in Heavy Rain, genau wie im ambitionierten Vorgänger, ein dramatisches Mord-Mysterium im Vordergrund steht, in welchem der Spieler über die Handlungen der Hauptperson entscheidet. Außerdem kann ich sagen, dass ich es wirklich gerne selbst ausprobieren würde.

Im Spielverlauf von Heavy Rain steuert man vier verschiedene Hauptfiguren, welche nie auf direktem Wege miteinander interagieren. Jede von ihnen hat ihre eigenen Beweggründe, den sogenannten „Origami-Killer“ erwischen zu wollen. Es gibt über 60 Kapitel, oder auch Szenen, die jeweils etwa 15 Minuten lang sind und wie in einem komplexen Kriminalroman wechselt die Perspektive immer wieder nach einigen Kapiteln. Je nachdem wie man sich entscheidet zu spielen, kann es auf dem Weg zu einem der dutzenden unterschiedlichen Enden Szenen geben, die man niemals sieht. Momentan lässt sich Quantic Dream dabei noch nicht allzu sehr in die Karten schauen. So verrieten sie bisher nur wenig über die genaue Handlung und enthüllten auch erst zwei der vier Protagonisten: Norman, ein Analytiker des FBI, und Madison, eine Fotojournalistin. In der Szene, die ich begutachten konnte, wurde mit Norman gespielt.

Wenn alles Gute von oben kommt,<br>was kommt dann von hinten?
Denjenigen, die Spoiler fürchten, kann ich versichern, dass die Szene, die ich beschreiben werde, weniger als ein Sechzigstel des gesamten Spiels einnimmt. Norman hat Grund zu der Annahme, dass das Auto des Mörders von einem Schrottplatz stammt, dessen Besitzer Mad Jack heißt. Wenn Norman ankommt, kann der Spieler die direkte Methode wählen und Mad Jack fragen was er über das Auto weiß, oder eine andere Herangehensweise wählen und unbemerkt die Garage durchsuchen, um Hinweise zu finden. Der weitere Verlauf der Szene spielt sich daher abhängig von dieser Entscheidung unterschiedlich. Norman kann beim Erkunden der Umgebung frei bewegt werden und wenn er auf etwas von Interesse stößt, erscheint eine Anzeige um Interaktionsmöglichkeiten zu signalisieren. Jederzeit ist es über die L2-Taste des Controllers möglich, Normans unterschiedliche Gedanken und Überlegungen einblenden zu lassen und diesen per Knopfdruck genauer nachzugehen. Unter anderem vergewissert sich Norman, wenn er draußen im Regen den Schauplatz begutachtet, dass sein Triptocaine, ein illegales Betäubungsmittel von welchem er abhängig ist, sicher in seiner Tasche verstaut ist. Wenn man sich entscheidet, nicht zuerst Mad Jack anzusprechen, sondern direkt herumzuschnüffeln, ist es sinnvoll, Norman sein „Added Reality Interface“ aktivieren zu lassen. Durch diese Technologie kann er mit seiner Sonnenbrille spezielle Spuren und Hinweise entdecken, die dem gewöhnlichen Auge verborgen bleiben. Dazu zählen Fuß- und Reifenabdrücke, Blütenstaub und sogar DNS- und Blutspuren.

Wieder gibt es verschiedene Optionen. In der Garage gibt es eine Vielzahl von zu untersuchenden Gegenständen, um voranzukommen. In der Demo, die ich gesehen habe, findet Norman eine Blutspur, die zu einer Säurewäsche führte, in welcher ein Menschenschädel lag. Mad Jack ist nicht besonders erfreut darüber, einen Polizisten herumschnüffeln zu sehen und hält ihm eine Waffe an den Hinterkopf. Jetzt beginnt die Action. Anzeigen – manchmal nur eine, manchmal eine Auswahl – erscheinen nacheinander, um darauf hinzuweisen, was man drücken muss, um am Leben zu bleiben, doch in diesem Fall geht es auch um Geschwindigkeit. Diese Abläufe nennt man in der Regel Quick-Time-Events (man erinnere sich zum Beispiel an Dragon's Lair), allerdings möchte Quantic Dream diesen Begriff nicht verwenden und wahrhaftig ist das System in Heavy Rain komplexer als die meisten Quick-Time-Events, die ich bisher gesehen habe. Zum einen scheitert man nicht automatisch, wenn man einen falschen oder keinen Knopf drückt. Selbst wenn man um sein Leben kämpft, muss man mehrere Anzeigen hintereinander verfehlen, um zu sterben, während meistens einzelne Fehlschläge nur dazu führen, dass sich die Szene anders entwickelt. Es ist möglich, Mad Jacks Attacke sehr früh abzuwehren, aber der Sony-Vertreter, der die Demo vorspielte, entschied sich, eine Anzeige absichtlich zu verfehlen. Dadurch sahen die Zuschauer einen längeren Kampf, der die Umgebung weiter ausreizte.

Falsches Wetter gibt es nicht,<br>nur falsche Kleidung!
Am Ende dreht Norman dann den Spieß um und nun hält er statt Mad Jack die Pistole in der Hand. Der Spieler ruft nun Normans Gedanken auf, um sich zu entscheiden wie man den unwilligen Jack dazu bringen könnte, sein Herz auszuschütten. Die Gedanken kreisen nun deutlich schneller um Normans Kopf – ein Zeichen für einen hohen Adrenalinspiegel. Es ist möglich, unterschiedliche Taktiken zu verfolgen und mehr als eine kann erfolgreich sein, doch in der gezeigten Demo droht Norman damit, auf Benzinkanister zu schießen und damit alles zu Schutt und Asche zu machen. Jack gibt Norman die gewünschte Information und es sieht so aus, als wäre dieser Abschnitt erfolgreich abgeschlossen. Allerdings nur bis Norman in ein Zittern verfällt. Alles wird verschwommen und man kann versuchen, den Anzeigen rechtzeitig nachzukommen um das Triptocaine aus der Tasche zu holen, aber dieses Mal ist ein Scheitern unausweichlich. Mad Jack ragt über Norman empor, als dieser das Bewusstsein verliert. Kurz darauf sieht man Norman mit den Händen an das Lenkrad eines Autos gefesselt, welches kurz davor ist, verschrottet zu werden. Mehrere wählbare Anzeigen stehen zur Verfügung, es ist sogar möglich, den PS3-Controller zu schütteln, um vergebens an den Fesseln zu ziehen. Wer leben möchte, sollte jedoch die Anzeige neben dem Handschuhfach wählen, um an die eigene Waffe zu gelangen und mit dieser die Fesseln zu zerschießen. Hat man es herausgeschafft, ist es Zeit für ein finales Kräftemessen mit Mad Jack.

Nun mögen einige Adventure-Fans aufgrund der zahlreichen, auf Reflexen basierenden, Action-Elemente in Heavy Rain besorgt sein. Viele von uns haben wahrscheinlich schon einmal die Erfahrung gemacht, dass in einem Adventure Minispiele zur lästigen Pflicht werden können, besonders wenn man sie immer wieder starten muss, bis man erfolgreich ist. Also was passiert, wenn der Spieler einige Vorgaben in diesen Sequenzen verfehlt? Keine Sorge, selbst wenn der Charakter, den man gerade kontrolliert, stirbt, wird das Spiel keine Wiederholung erzwingen, sondern einfach weiterlaufen. Es ist für den Spielverlauf nicht erforderlich, alle vier Charaktere am Leben zu halten. Stattdessen erlebt der Spieler mit dem gestorbenen Charakter folglich keine weiteren Szenen mehr, spielt dafür aber möglicherweise neue Szenen mit anderen Figuren, die er sonst nicht gesehen hätte. Falls alle vier Protagonisten sterben, endet jedoch auch das Spiel. Quantic Dream betont aber, dass das Spiel dann nicht als „verloren“ angesehen werden sollte, sondern die eigene Version der Geschichte eben ein tragisches Ende hat. CEO David Cage verriet sogar, dass genau diese Variante sein Lieblingsende ist und rief die Spieler dazu auf, Heavy Rain durchzuspielen, ohne mit den Entwicklungen der Ereignisse zu hadern.

Habe ich bereits erwähnt, wie gut dieses Spiel aussieht? Die Grafikqualität ist jenseits allem, was ich bisher gesehen habe und es ist offensichtlich, warum Heavy Rain exklusiv für die PS3 im Blu-Ray-Format erscheinen soll. Ich kann die Grafik gar nicht gebührend beschreiben und die Trailer werden ihr ebenfalls nicht gerecht, dennoch sollte man sich die HD-Versionen anschauen um den bestmöglichen Eindruck zu gewinnen. Wie schon im vorigen Spiel von Quantic Dream werden in Heavy Rain verschiedene Kamerawinkel und cinematische Effekte auf sehr beindruckende Art und Weise genutzt. Wenn Norman im Auto gefesselt ist, ist der Bildschirm geteilt. Ein Drittel zeigt, wie das Auto kurz davor ist, zerquetscht zu werden, während auf dem Rest des Bildschirms Norman um die lebensrettende Freiheit kämpft. Ein weiteres hervorzuhebendes Merkmal des Spiels ist, dass nicht Charaktermodelle konzipiert wurden und im Anschluss professionelle Sprecher diese Modelle vertonten. Stattdessen sind die Schauspieler die Modelle für die Spielfiguren. Die Entwickler nutzen ebenso Motion Capturing, um die Bewegungen der Charaktere zu steuern – sogar die Gesichtsausdrücke der Schauspieler werden abgebildet.

Viele Details von Heavy Rain sind weiterhin unbekannt. Zum Beispiel die beiden anderen spielbaren Charaktere, die noch nicht präsentiert wurden. Ohne Frage wird ein wichtiger Teil des Spielerlebnisses mit Norman der Gebrauch der Spezialfunktionen seiner Brille sein, aber in welcher Hinsicht sind die anderen Protagonisten involviert? Wieso regnet es andauernd? Wieso ist der Slogan für das Spiel „Wie weit bist du bereit zu gehen, um jemanden zu retten, den du liebst?“ Und vor allem: werden Quantic Dreams umfangreiche Ideen wirklich funktionieren wie angepriesen? Sie haben versprochen, mehr Informationen über die Geschichte und die Charaktere im Laufe des Jahres 2009 durchsickern zu lassen, doch die Antworten auf die großen Fragen werden erst geliefert, wenn das Spiel tatsächlich erscheint; Anfang nächsten Jahres.

Christopher 'chrissummers' Schramm)

Sieht gut aus