Ein letztes Mal vor dem Release haben wir bei Daedalic The Whispered World Probe gespielt. Das einstige Diplomprojekt von Grafiker Marco Hüllen hat sich inzwischen zur Prima Ballerina des Hamburger Adventure-Experten entwickelt und liegt in einer fast fertigen Version vor, der lediglich der letzte Feinschliff fehlt. Und auch wenn Daedalic nicht müde wird, sein Grafikwunder der Öffentlichkeit zu präsentieren, gab es auch dieses Mal wieder Überraschungen...
Old School richtig gemacht
So konnten wir den ersten echten Trailer begutachten, der vermutlich in Kürze auch den Weg ins Internet findet. Der Film zeigt nicht nur die bekanntermaßen äußerst hübschen Spielszenen, sondern auch Ausschnitte aus den insgesamt 15-minütigen Zwischensequenzen, welche großformatige Animationen auf den Monitor zaubern. Durch den cineastischen Zusammenschnitt und die sonore Trailerstimme meint man, den Trailer eines neuen Zeichentrickfilms zu sehen. Sicher kein schlechtes Zeichen, wenn man bedenkt, wie explizit Daedalic den 2D-Bereich bedienen möchte. Überhaupt ist die Zahl der Animationen beeindruckend. Zwar könnte die Zahl der Einzelbilder pro Bewegungsphase ruhig etwas höher sein – manchmal wirken Sadwicks Bewegungen etwas ruckelig – doch haben die Entwickler dafür so gut wie jede einzelne Aktion weit über das übliche Maß hinaus liebevoll animiert. Zeitweise waren hierzu mehr als zehn Personen nur mit dem Zeichnen der Charakteranimationen betraut. Dass der Entwickler sich in mancher Hinsicht an früheren Tagen orientiert, wird auch bei der Ausstattung der Box deutlich: Die enthält nicht nur das Spiel, sondern auch ein Handbuch mit Artbook-Charakter, ein Poster, ein 22-minütiges Making-of und drei zwölfseitige, mit Runen bedruckte Würfel. Letztere werden für den originellen Kopierschutz benötigt – und für das Würfelspiel „Droggel“, dessen Spielbrett auf der Rückseite des beiliegenden Posters zu finden ist.
Technische Vision
Der technische Unterbau von The Whispered World wechselte in der langen Geschichte des Titels mehr als einmal. Nach einer AGS-Demo von bad brain entertainment versuchte es Daedalic mit einer Eigenentwicklung, um dann zur Games Convention eine auf der Wintermute-Engine basierende Version zusammenzustricken. Die finale Lösung ist allerdings noch eine andere: Visionaire. Das Team um Thomas Dibke hat eigens für Daedalic eine angepasste Version der im Fanadventure-Bereich beliebten Autorensoftware erstellt, welche zum Beispiel bei „Zak McKracken: Between Time and Space“ zum Einsatz kam. Die Anpassungen betreffen die Performance, die für die komplexen Hintergründe verbessert wurde, und Details wie adaptive Schrittgeräusche.
Hört sich gut an?
Und dann war da noch das Thema Sprachaufnahmen. Insbesondere der Sprecher von Protagonist Sadwick sorgte seit der Veröffentlichung von ersten Sprachproben für heftige Kritik. Der weinerliche, deprimierte Stil von Gunnar Frietsch hat manch einen, der etwas Melancholischeres erwartet hatte, verschreckt. Auch die Texte hatten Anstoß erregt, erinnern sie doch weniger an ernste Erwachsenenunterhaltung, als mehr an die irre Edna. Grund für die Irritationen war offenbar eine falsche Erwartungshaltung. Ob die Stimme nun passt oder nicht, das hängt ganz von dem Charakter ab, den Daedalic hier erschaffen möchte. Und der wandelt auf einem schmalen Grat. Denn tatsächlich ist die Figur des Sadwick traurig und deprimiert, gebeutelt vom Leben. Gleich zu Beginn des Spiels bekommt er gesagt, dass er demnächst für den Untergang der Welt verantwortlich sein wird, was seine Laune nicht unbedingt verbessert. Um den Spieler nicht permanent zu deprimieren, soll aber aus dieser Bedrücktheit auch immer wieder ein bitterer Humor entstehen. Sadwick ist sich seiner Situation bewusst und kann durchaus pointiert damit umgehen. Verlässt er beispielsweise das idyllische Camp seiner Familie, um für sein Abenteuer in die Welt hinauszuziehen, geht er aus dem Bild, um kurz darauf noch ein letztes Mal aufzutreten: „Ach, übrigens. Ich hasse euch alle.“ Pause. „Das wollte ich nur mal loswerden.“ Abgang Sadwick. Unser Eindruck ist, dass Stimme, Charakter und Texte von Sadwick gut zusammenpassen. Eher wirkten einige Nebenfiguren in ihrer Tonlage etwas zu schrill für das bedrückende Setting. Abzuwarten bleibt auch, ob das Weinerliche in Sadwicks Stimme auf Dauer nicht anstrengend wird, und ob Daedalic die schwierige Balance schafft, kurzfristig stets die richtige Menge Humor zu dosieren, während der gesamte Storybogen von tiefer Tragik geprägt ist und immer finsterer wird. Diese Fragen wollen wir kurz nach dem Release in unserem Test genauer klären.
Schwierige Balance
Vieles an The Whispered World weiß bereits zu überzeugen. Die fantastische Grafik wurde schon genug gepriesen, aber auch spielerisch gehen die Strategie, fast jede mögliche Interaktion mit einem eigenen Kommentar zu belegen sowie die originellen Einsatzmöglichkeiten von Sidekick Spot in die richtige Richtung. Der Schwierigkeitsgrad soll entgegen dem Trend auch mal anziehen (natürlich ohne zu frustrieren) und der Humor, der klar aus Jan Müller-Michaelis' („Edna Bricht Aus“) Feder stammt, sorgt für manch bitteren Schmunzler. Offen bleibt, wie der ungewöhnliche Charakter Sadwick und seine knifflige Gefühlswelt zwischen niedergeschlagener Deprimiertheit und sarkastischer Selbstironie, die gelegentlich ins Ednahafte spielt, durch die vier Kapitel trägt. Wir sind gespannt.
Infokasten
Und sonst?
Nach wie vor tanzt Daedalic längst nicht nur auf einer Hochzeit. Als wichtigstes Projekt wird The Whispered World nach dem Release vom Öko-Thriller A New Beginning abgelöst. Dieses wurde in den vergangenen Monaten stark überarbeitet, eine erste neue Grafik durften wir bereits in den News zeigen. Ebenfalls länger bekannt ist die Produktion von Alphabit in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung in Rostock. Auch hier ist bereits ein Homepage zum Spiel
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