609]Vor weniger als einem Jahr haben die Entwickler der spanischen Spieleschmiede Pendulo Studios in Runaway - A Twist of Fate fulminant die Geschichte von Brian Basco und Gina Timmins zum Ende geführt - wenigstens vorerst - und dabei nicht zuletzt mit ihren meisterhaften Charakteranimationen überzeugt. Bereits im Oktober soll mit The Next BIG Thing das nächste Point-and-Click-Abenteuer der Madrider erscheinen, das uns auf der gamescom erstmals ausführlich bei Publisher Crimson Cow vorgestellt werden konnte.
Ein neues Duo
Wir befinden uns in den 50er-Jahren, wo hochtoupierte Frisuren und tonnenschwere Stahlkarossen mit geschwungener Linenführung und üppigen Rundungen an der Tagesordnung sind. Die beiden Hauptfiguren, Liz Allaire und Dan Murray, hat es in Los Angeles' Filmzentrum Hollywood verschlagen, in dem derzeit eine ganze Reihe von Monsterfilmen entstehen. Monster gibt es in dieser Welt allerdings nicht nur im Film, sondern auch in der Realität. Filmproduzent William A. FitzRandolph beispielsweise zählt mit seiner verhornten, grünen Lederhaut offenkundig nicht zu den menschlichen Vertretern. In den Filmen seiner Firma MKO Pictures werden die schrecklichen Wesen nicht mehr wie zuvor von Menschen verkörpert, sondern von seinesgleichen. Eine Änderung, die im weiteren Verlauf der Story noch von großer Wichtigkeit sein wird. Die beiden Journalisten Liz und Dan bilden nicht ganz freiwillig ein Team - im Gegenteil - die beiden verbindet eine innige Hassliebe. Er ist ein arroganter, stets gut gekleideter Snob, der dem Alkohol nicht abgeneigt ist und sich gerne innerhalb der Schickeria des wohl bekanntesten Zentrums der Filmindustrie der Welt bewegt. Aufgrund verschiedener Verfehlungen wurde er jedoch aus der von ihm so geliebten Sportberichterstattung rausgeworfen und soll nun Liz das Journalistenhandwerk beibringen, wofür die beiden auf einer Branchenparty den neuesten Klatsch und Tratsch aus der Promiwelt in Erfahrung bringen sollen. Dan zeigt daran allerdings wenig Interesse und verweigert die Zusammenarbeit mit seiner neuen Kollegin. Die noch unerfahrene Liz nimmt diesen Job im Gegensatz zu ihm sehr ernst, ist aber - freundlich ausgedrückt - psychisch unausgeglichen. Als sie entdeckt, wie sich jemand im Büro des Filmmoguls FitzRandolph zu schaffen macht, will sie die Hintergründe aufdecken. Ihr selbstgefälliger Begleiter muss allerdings zunächst zur Mitarbeit bewegt werden, mit Argumenten alleine lässt sich der etwas verlotterte Dandy leider nicht überzeugen. Mindestens genauso anstrengend wie Dan sind auch die Bewohner des riesigen Anwesens, die sonderbarer nicht sein könnten.
Hollywood's new Monsters
Das Spiel lehnt sich ganz bewusst an Pendulos 1997er Hollywood Monsters an, laut Crimson Cow handelt es sich dabei aber nicht um ein Remake. Die Parallelwelt in den 50er-Jahren mit Monstern und diversen menschlichen und nicht-menschlichen Charakteren hat man sich nicht zuletzt deshalb ausgesucht, da man sich bei den Runaway-Fortsetzungen etwas in der Kreativität eingeschränkt fühlte und gerne in einem abgedrehteren Szenario für deutlich humvorvollere Unterhaltung sorgen möchte. Und in der Tat, das Szenario scheint gut dazu geeignet, sich weit stärker austoben zu können. Außerdem bietet das Hollywood-Setting noch mehr als Runaway die Möglichkeit, die bereits dort häufig anzutreffen Anspielungen auf Filme, Fernsehserien oder Spiele einzubauen, was sich bereits im präsentierten Spielabschnitt an zahlreichen Stellen optisch und inhaltlich manifestiert.
Wie gewohnt ein Augenschmaus
Wie schon in den drei Runaway-Spielen hinterlässt das Spiel auf den ersten Blick einen hervorragenden Eindruck. Die hübsch gezeichneten, etwas windschiefen Hintergründe sind detailliert ausgearbeitet und scrollen butterweich mit, wenn wir mit Charakter Liz von einer Seite zur anderen laufen. Besonders viele Hintergrundanimationen gibt es weiterhin nicht, dafür haben es die Charakteranimationen erneut in sich. Während Liz vor Dans fetter Karre steht und sich mit ihm ein Rededuell liefert, das den gestriegelten Lackaffen offenkundig kalt lässt, stellt sie ihren Fuß auf die Stoßstange, verschränkt die Arme oder fuchtelt wütend mit den Händen in der Luft herum. All diese Bewegungen sind bereits jetzt so flüssig und genau auf die Umbebung abgestimmt, dass man im Bereich der Charakteranimationen nicht weniger erwarten darf als Referenzniveau im 2,5D-Bereich. Auch die vorgerenderten Videosequenzen sehen wieder mal klasse aus und machen Lust auf mehr. Ganz so aufwändig wie Runaway - A Twist of Fate wird das Spiel in Teilbereichen vielleicht nicht werden, von den aufwändig animierten Nahansichten, wie beispielsweise die mit dem Pantomimen Marcello in Runaway 3, soll es zumindest deutlich seltener geben. Dennoch ist das Spiel unter den Abenteuern im Comic-Look wohl das optisch vielversprechendste. Wer den Stil der Pendulo Studios mag, der dürfte jedenfalls auch von The Next BIG Thing begeistert sein. Auch im Soundbereich macht das Spiel bereits einen ziemlich guten Eindruck. Der uns gezeigte Spielabschnitt ist bereits vertont gewesen und lässt erneut auf eine hochwertige deutsche Sprachausgabe hoffen. Sprechernamen wollte Crimson Cow allerdings noch keine nennen, da man sich eventuell bei einzelnen Rollen nochmal umentscheiden könnte.
Alte Engine, neues Glück
Am Interface hat sich praktisch nichts zu Runaway 3 geändert. Auch in The Next BIG Thing muss man in ein Menü wechseln, um auf die Inventargegenstände oder die Hilfs- bzw. Journalfunktion zugreifen zu können. Für die etwas umständlich gestaltete Hotspotanzeige aus dem letzten Abenteuer der Spanier werkelt man derzeit an einer besseren Alternative. Wie die genau aussehen soll konnte man noch nicht abschließend beantworten. Das bereits im letzten Pendulo-Abenteuer vollständig ausgemerzte "Runaway-Syndrom" soll übrigens auch in diesem Spiel kein zweifelhaftes Comeback feiern. Die wichtigste Neuerung ist eine neue Ingamehilfe, bei der der Spieler auf ein "Checkpoint-System" zurückgreifen kann. Dabei werden stets die bekannten Ziele festgehalten, die man sich bei Bedarf beliebig oft nochmals erläutern lassen kann. Diese Aufgabe kommt einem Sprecher zuteil, der die Ereignisse sozusagen rückblickend zusammenfasst. So behält man einerseits den Fortschritt im Blick und erhält bei dieser Gelegenheit zusätzlich kleinere Hinweise darauf, warum etwas noch nicht funktioniert bzw. wie es weitergehen könnte. Wer sich noch an die Szene mit dem Täuschungsmanöver bei Brians Flucht in Runaway 3 erinnern kann, bei dem eine Puppe im Inventar stets Aufschluss über den Fortschritt gab, der hat bereits eine gute Vorstellung davon, wie in etwa das Checkpoint-System arbeitet - hier eben in Bezug auf das gesamte Kapitel. Dieses Feature, bei dem eine Idee als Inventarobjekt abgelegt wird, kommt auch weiterhin bei bestimmten Rätseln zum Einsatz, die mehrere zusammenhängende Aktionen erfordern. Liz begegnet in der herrschaftlichen Villa beispielsweise einem etwas frustrierten Schauspieler, der glaubt, niemals Erfolg im Filmgeschäft haben zu können. Er erinnert uns allerdings an die Hauptfigur einer bekannten Actionfilmreihe. Die Hautfarbe passt nicht ganz, das Outfit stimmt nicht, außerdem fehlt die schmucke Sonnebrille, um die Illusion perfekt zu machen. Also sucht Liz nach den passenden Accessoires und etwas, um den leicht ungesunden grünlichen Teint der Spielfigur in ein beinahe geschmackvolles Blau zu tauchen. Crimson Cow betont, dass man den Spieler mit diesen Features etwas stärker an der Hand nehmen möchte, damit man nicht so schnell aus der Story herausgerissen wird und sich keine Handlungslöcher bilden. So soll das Spielerlebnis intensiviert werden, jedoch ohne das Spiel dadurch zu leicht zu machen. Mit einer überdurchschnittlich hohen Spielzeit ist auch deshalb eher nicht zu rechnen. Crimson Cow bleibt dieszüglich noch etwas vage und spricht davon, dass The Next BIG Thing keinesfalls länger würde als der letzte Teil der Runaway-Trilogie.
Ausblick
The Next BIG Thing hinterlässt einen sehr guten Eindruck. Optisch zeigt Pendulo wieder das, was sie am besten können: Äußerst ansehnliche Comicgrafik mitsamt absolut hochwertigen, flüssigen und vielfältigen Charakteranimationen. Vom höheren Humorgehalt im Vergleich mit der Runaway-Reihe konnten wir uns nach dem kurzen Einblick nur bedingt ein Bild machen, aber da Pendulo etwas von humorvollen und anspielungsreichen Dialogen versteht, gibt es bislang keinen Grund, an einem höheren Unterhaltungswert zu zweifeln. Das Setting, das ganz bewusst an das von Hollywood Monsters angelehnt ist, dürfte hierfür zudem bestens geeignet sein. Aktuell plant Crimson Cow das Spiel noch für dieses Jahr ein. Sofern man den für Oktober angepeilten Termin jedoch nicht einhalten kann, will man den Titel gleich ins kommende Jahr verschieben. Wir sind gespannt, was die Pendulo Studios mit The Next BIG Thing nach knapp einem Jahr Entwicklungszeit auf die Beine gestellt haben und ob sie das hohe Niveau von Runaway - A Twist of Fate halten können.
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