Vorschau

von  Benjamin Klemen
28.08.2012
1954 Alcatraz
Unser Termin bei Daedalic auf der gamescom erlaubte uns auch einen Blick auf den Titel 1954 Alcatraz, einer Co-Produktion zwischen dem Hamburger Entwicklerstudio und dem amerikanischen Entwickler Irresponsible Games. Während Daedalic die Grafiken beisteuert, stammen Geschichte, Dialoge und Rätseldesign von Gene Mocsy, der zuvor bei Autumn Moon gearbeitet und an Ghost Pirates of Vooju Island mitgeschrieben hat.

Von Wand zu Wand sind es vier Schritte

Die Ausgangssituation von 1954 Alcatraz lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Mechaniker Joe wurde zu 40 Jahren Gefängnis verdonnert. Doch anstatt seine Strafe tatenlos abzusitzen, bereitet er lieber seinen baldigen Ausbruch vor. Draußen wartet nämlich nicht nur die süße Freiheit auf ihn, sondern auch Ehefrau Christine sowie eine beträchtliche Summe Geld - Diebesgut, dessen Versteck alleine Joe bekannt ist.Während Joe auf Alcatraz an seinem Ausbruch arbeitet, macht sich Christine daran, das Geld zu beschaffen. Dabei ist sie nicht als Einzige hinter der Beute her. Auch Joes ehemaliger Gangsterkollege Mickey erhebt Anspruch auf das erbeutete Geld und um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, droht er sogar mit Christines Ermordung.

Untypisch Daedalic

Ein Hochsicherheitsgefängnis in den 50ern als Handlungsort sowie ein lebenslänglich Verurteilter als Protagonist – nicht gerade die gewohnten Ingredienzien eines Daedalic-Titels. Statt verwunschenen Fantasylandschaften oder amüsanten Abenteurern soll es Sex, Gewalt und eine Menge Kraftausdrücke geben. Während Joe an seinem Ausbruch feilt und dabei den rauen Gefängnisalltag zu meistern hat, durchstreift seine Ehefrau das nächtliche San Francisco, wo es auch nicht eben familienfreundlich zur Sache geht. Zu ihren besuchten Orten gehören etwa schummerige Clubs und Bars, das zwielichtige Chinatown, der Stadtpark oder die düsteren Gassen San Franciscos, bevölkert von Gangstern, Gaunern und leichten Mädchen. Dabei scheint der Autor des Adventures, Gene Mocsy, besondere Sorgfalt in die Charakterzeichnung zu stecken. Statt auf die klassischen Guten und Bösen zu treffen, bekommt es Christine etwa mit einem Polizisten zu tun, der mit ihr durchbrennen möchte - in Anbetracht der lebenslangen Haftstrafe ihres Ehegatten ist wohl nicht völlig von der Hand zu weisen, dass Christine mit dem Polizisten besser beraten wäre. Auch auf Alcatraz finden sich vielschichtige Charaktere. Joes Knastbrüder werkeln allesamt an ihren eigenen Fluchtplänen und verfügen über unterschiedliche Fähigkeiten und Marotten. Aber auch das Gefängnispersonal trägt keine blütenweiße Weste. Da ist beispielsweise der fiese Gefängniswärter, dessen unglücklich verheiratete Frau ein Auge auf Joe geworfen hat, oder der Priester, der sich nebenbei als Schmuggler verdingt.

Gesprengte Ketten

Eine weitere Besonderheit von 1954 Alcatraz dürfte die Freiheit werden, die dem Spieler bei seinen Entscheidungen gelassen wird. Gleich zu Beginn steht der monatliche Gefängnisbesuch von Christine an. Joe steht nun vor der Wahl, seine Frau über seinen Ausbruchsplan im Unklaren zu lassen, ihr einen Hinweis zu geben oder ihr den gesamten Plan offenzulegen. Vergleichbar mit den drei unterschiedlichen Pfaden bei Indiana Jones and the Fate of Atlantis legen wir bereits in diesem Gespräch fest, wie sich das Abenteuer entwickelt: als heldenhafte Love-Story, als eine Geschichte der Konflikte und Lügen zweier verbundener Seelen oder irgendwo dazwischen. Dabei soll der Spieler beinahe jederzeit zwischen den beiden Protagonisten wechseln können. Steckt Christine bei einem Rätsel fest, liegt dessen Lösung vielleicht auf Alcatraz. Werden dem Spieler die Gefängnismauern zu trist, kann er zur Abwechslung durch das vielseitigere San Francisco schlendern. Im Gegensatz zur Gefängnisinsel mit ihren Wachen, Mauern und verschlossenen Türen soll die Stadt als offene Welt weitestgehend frei begehbar sein.Gene Mocsy zeigt uns erste Spielszenen

Wenn einer in Haft rätselt, wird es schon mal rätselhaft

In Puncto Gameplay soll ganz klassische Adventure-Kost serviert werden. Sogar wenn des Rätsels Lösung 'Gewalt' lautet, läuft diese nicht auf eine Action-Passage hinaus. Statt dessen soll das Handgemenge völlig stressfrei bestritten werden, indem etwa in aller Ruhe geklickt wird, wohin dem Gegner ein Messer gerammt wird oder ob ihm zunächst Sand in die Augen geworfen werden soll. Dabei wird der Spieler auch mit moralisch nicht ganz eindeutigen Entscheidungen konfrontiert werden, wie dem Mord an einer möglicherweise unschuldigen Person. Der Wechsel zwischen Joe und Christine ermöglicht Rätsel, in denen die beiden zusammen arbeiten und sich gegenseitig mit Hinweisen oder Dingen versorgen müssen. Auch diese Aufgaben gestalten sich unterschiedlich, je nachdem wie sehr die beiden einander vertrauen können. Und immer wieder soll es nötig sein, die Stärken und Schwächen Anderer für seine eigenen Belange auszunutzen. Sei es, dass uns die Frau des Gefängniswärters einen Gefallen tut, nachdem wir auf ihre Avancen eingegangen sind, oder dass ein Knastbruder uns mit wichtigen Informationen versorgt, nachdem wir ihm unsere Essensration spendiert haben.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Während Geschichte und Rätsel verheißungsvoll klingen, konnten uns die gezeigten Grafiken noch nicht vollends überzeugen. Zwar erscheint gerade das nächtliche San Francisco als stimmungsvolle Kulisse, jedoch wollen Hintergründe und Figuren bisher nicht recht zueinanderpassen. Während die Locations nämlich handgemalt und zum Teil eher skizzenhaft gehalten sind, kommen die Charaktere als 3D-Modelle daher. Gene Mocsy erklärte zwar, dass man sich dieser Unstimmigkeit bewusst sei, jedoch wollte uns der angestrebte Lösungsansatz nicht so recht gefallen: statt die Hintergründe detaillierter zu gestalten, nehme man sich die Charaktermodelle vor. Mittels Toon-Shader-Linien und veränderter Beleuchtung soll bei den Figuren ein stärkerer Cartoon-Effekt erreicht werden. Die Locations, besonders jene in San Francisco, sollen größtenteils auf tatsächlich existierenden Orten beruhen; Gene Mocsy hat viele Jahre in der kalifornischen Küstenstadt gelebt und besucht sie noch häufig, um für sein Spiel zu recherchieren.


Bisher vertragen sich die Charaktere nicht<br>mit den Hintergründen; ob sie sich am <br>Ende versöhnen werden?

Ausblick

1954 Alcatraz steckt noch mitten in der Entwicklung und bis zum angestrebten Erscheinungstermin, dem ersten Quartal 2013, ist es noch eine Weile hin. Noch beruhen unsere Eindrücke auf vereinzelten Spielszenen ohne Sprachausgabe, Screenshots sowie den Ausführungen von Gene Mocsy, der uns sichtlich begeistert von seinem ersten eigenen Adventure-Projekt berichtete. Gespannt sind wir, welche Entwicklung die grafische Seite bis zum Release noch macht. Story und Rätsel versprechen bereits ein erwachsenes Drama um große Themen wie Liebe, Treue, Verrat und Schuld, welches als nicht-lineares Adventure daher kommt und mit unterschiedlichen Handlungsverläufen und Enden aufwartet.


Zur Webseite von Irresponsible Games 1954 Alcatraz bei Daedalic
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