Eine rustikal gemauerte Hütte mit Strohdach samt kleinem Gemüsegarten, an deren hölzerner Tür ein dicker eiserner Türklopfer hängt, ein Feldweg, der in einen tiefen Wald hineinzuführen scheint, im Hintergrund idyllische Wiesen. Die sattgrüne Flora ist in weiches Licht getaucht und der durch die Szenerie spazierende Protagonist Jeremias Haselnuss, kurz Jerry genannt, erinnert mit seinem übergroßen Zylinder ein wenig an den verrückten Hutmacher aus Alice im Wunderland. Wir sind geneigt anzunehmen, dass uns die erste Szene von Daedalics „The Rabbit's Apprentice – Im Bann des Zaroff“ bereits in eine fremde Fantasywelt einführt. Doch der Eindruck täuscht, denn zwei Bilder weiter, auf der anderen Seite des kurzen Waldstückchens, offenbart sich die kalte, nüchterne Realität, nämlich der Blick auf die angrenzende Großstadt mit ihren anonymen Einheitsbauten, die im Smog halb verschwinden.
Falscher Hase
Tatsächlich ist Jerry 12 Jahre alt, Schüler, und erwartet das nahende Ende der Sommerferien. Der tristen Realität der Großstadt entfliehend begibt er sich in diesen Tagen am liebsten in den kleinen Wald am Stadtrand, hoffend, noch ein echtes Abenteuer erleben zu können, bevor das neue Schuljahr diese Hoffnung zerstreut. Und wie sollte es anders sein: der Wunsch wird Jerry erfüllt. Bei seinen Streifzügen trifft er plötzlich auf ein mannshohes, anthropomorphes Kaninchen in feiner Kleidung, das sich als Marquis de Hoto vorstellt und Jerry in der Kunst der Magie ausbilden will. Dazu führt er ihn durch ein Dimensionsportal in den verwunschenen Mauswald, in dem sprechende Tiere leben und alles möglich scheint. Und natürlich erlebt Jerry hier ein echtes Abenteuer, dessen Details zwar noch geheim sind, das am Ende aber mit dem sinistren Magier Zaroff zusammenhängt. Dabei wird auch die Frage aufkommen, wie gut es eigentlich der Marquis mit seinem neu angeworbenen Zauberlehrling meint...
Shiitake!
Inspiration zieht Spieldesigner Matthias Kempke, der viele Adventurefans bereits mit A Stitch In Time von seinem Talent überzeugen konnte, aus verschiedenen Quellen. Das offensichtliche Motiv aus Alice im Wunderland, das weiße Kaninchen, welches die Hauptfigur in ein magisches Wunderland entführt, und Anspielungen auf die Welt der Märchen erklären nur einen Teil der Spielwelt. Mit Kempke und Animations-Chefin Olga Andriyenko sitzen gleich zwei Japanologen an dem Spiel, die auch die in Mangas üblichen anspruchsvollen, philosophischen Untertöne in den Titel einfließen lassen. Bereits die Charakternamen wie „Plato der Frosch“ und „Spitzweg das Wiesel“ laden zum Assoziieren ein. Den Teil, den wir bisher anspielen konnten, lässt dementsprechend auch nicht die Befürchtung aufkommen, der 12-jährige Spielercharakter und die märchenhafte Spielwelt seien primär an ein junges Publikum gerichtet. Auch wir sind dank geistreicher Dialoge, die hin und wieder auch einen pointiert spitzzüngigen Humor durchblicken lassen, und Daedalic-typisch toll gezeichneter Szenen schon während der kurzen Präsentation von der Faszination des Mauswalds gepackt. Einen wichtigen Beitrag leistet dabei auch die hervorragende Sprachausgabe mit Sprechern wie Jürgen Holdorf und Martin Sabel sowie der enorm atmosphärische Soundtrack.
À la carte
Spielerisch bietet The Rabbit's Apprentice klassischstes Point & Click. Matthias Kempke ist selbst Purist und musste sogar von der heutzutage alltäglichen Hotspot-Taste erst überzeugt werden. Als Kompromiss ist die Hotspot-Taste jetzt Teil der Geschichte: Vom Marquis bekommt Jerry eine magische Münze, die das Hervorheben von wichtigen Stellen in die Logik der Handlung einbettet. Gleichzeitig wird die Münze der Spielverpackung beiliegen und als Kopierschutz Verwendung finden. Auf dem Weg findet Jerry hier und da Spielkarten, die für ein freiwilliges Minispiel benutzt werden können. Die Hälfte der Karten findet Jerry auf jeden Fall beim simplen Durchspielen, die zweite Hälfte optional beim aufmerksamen Hinsehen. Ebenfalls optional sind acht freischaltbare Geschichten, die zusammen etwa 20 Minuten lang sind und auf einem Kinderbuch von Matthias Kempke basieren.
Gaumenschmaus
Schon im November plant Daedalic The Rabbit's Apprentice, das etwas länger werden soll als A Stitch in Time, in die Läden zu stellen. Fans von Matthias Kempkes früherem Titel und Liebhaber von märchenhaften Geschichten dürfen sich bereits freuen, doch dank spürbar hoher Qualität in allen Disziplinen dürfte der Titel auch für alle andere Adventurefreunde einen Blick wert sein. Wir sind jedenfalls schon gespannt, in welche Richtung sich Jerrys Abenteuer entwickelt.
Mitteilungen im Verwendungszweck verlesen wir ab einer Höhe von 25 € gerne im Podcast. Bitte beachtet, dass wir leider keine steuerrechtlich anrechenbare Spendenquittungen ausstellen können.
Mit jedem Einkauf bei unseren Partnern unterstützt ihr die Arbeit des Adventure-Treff e.V.