1793. Die Welt befindet sich im Umbruch. Die Französische Revolution ist in vollem Gange, wichtige Persönlichkeiten treffen bedeutsame Entscheidungen und auch die Wissenschaft macht Fortschritte. Dennoch oder genau deswegen bleibt Raum für den Glauben an übernatürliche Phänomene und an das Okkulte. In Orden genannten Gruppierungen streben weltweit Menschen nach unglaublichen Fähigkeiten. Der Hauptcharakter Louis de Richet ist einer von ihnen. Ausgebildet von seiner Mutter ist er offen für Visionen, übermenschliche Fähigkeiten und dunkle Geheimnisse. Doch schon bald wird ihn The Council in einen Strudel unkontrollierbarer und blutiger Ereignisse stürzen.
Kernstück des Spiels sind Entscheidungen und Fähigkeiten. Wer aufmerksam spielt, kann seinem Gegenüber wichtige Informationen entlocken und Rätsel auf Anhieb lösen. Gleichzeitig kommt ein Fähigkeitsbaum zum Einsatz. Mit unterschiedlichen Talenten wie beispielsweise Überzeugung, Gewandtheit oder Etikette können nicht nur Dialoge beeinflusst, sondern auch Objekte manipuliert oder gefunden werden. Dabei wird der Spieler jedoch zweifach eingeschränkt: Zum Einen kostet der Einsatz der Fähigkeiten Konzentrationspunkte, die nur begrenzt wieder aufgefüllt werden können. Zum Anderen gibt es, wie sonst in Rollenspielen üblich, den bereits erwähnten Fähigkeitsbaum. Liegt zu einem Thema keinerlei Erfahrung vor, kann auch die entsprechende Option nicht gewählt werden. Andererseits können durch das Ausgeben von Erfahrungspunkten und das Lesen von Fachliteratur am Ende jedes Spielabschnitts die Kosten für Fähigkeiten reduziert und neue Eigenschaften freigeschaltet werden. So entwickelt der Spieler seinen Charakter kontinuierlich über das Spiel hinweg – und trifft auch hier wichtige Entscheidungen. Eine davon findet gleich zu Beginn des Spiels statt: Insgesamt drei Klassen (Okkultist, Detektiv, Diplomat) mit unterschiedlichen Stärken stehen zur Auswahl.
Was kompliziert klingt, geht recht schnell in den Spielfluss über und bereichert die Erzählung stark. Denn oft können Probleme auf mehrere Arten gelöst werden. Offene Fragen, für die andere Fähigkeiten benötigt wurden, bleiben im Dunkeln und erhöhen die Spannung und den Wiederspielwert.
Die Darstellung der Schauplätze und der Charaktere ist beeindruckend. Der Titel muss sich auf keinen Fall hinter aktuellen Großproduktionen verstecken und überzeugt mit einer ebenso detailreichen wie realistischen Grafik. Gerade deshalb fallen jedoch auch kleinere Macken sofort auf. Neben Rucklern in der Animation passen auch die Lippenbewegungen häufig nicht zum Gesagten. Irritierend ist die Entscheidung, das aktuelle Ziel als reinen Text einzublenden. Das sieht unschön aus und stört die Atmosphäre. Hotspots glühen mit einem angenehmen, weißen Punkt und machen so ausreichend auf sich aufmerksam.
Ähnlich wie in Life is Strange: Before the Storm gibt es im Laufe des Spiels zahlreiche Konfrontationen. Hier müssen die richtigen Antworten oder Fähigkeiten gewählt werden, um Erfolg zu haben. Wie diese Dialoge ausgehen, bestimmt den weiteren Spielverlauf stark mit. Bestimmte Objekte und verbesserte Eigenschaften des Hauptcharakters beeinflussen auch in Dialogen die Kosten für bestimmte Aktionen und können für den Ausgang entscheidend sein. Zusätzlich hat jeder Gesprächspartner Immunitäten, also Argumentationsweisen, die an ihm abprallen, sowie Schwächen, die ausgenutzt werden können. Diese zu erkennen, zu beobachten oder durch Zusatzobjekte aufzudecken ist ebenfalls ein wichtiger Teil der Dialoge.
Gesteuert wird The Council in einer fixierten Schulteransicht des Hauptcharakters. Das Verändern des Abstandes der Kamera zur Person ist dabei leider nicht wie bei anderen Rollenspielen möglich. Dadurch kommt es häufiger vor, dass Louis Teile des Raumes oder wichtige Objekte verdeckt. Nach etwas Eingewöhnungszeit lernt der Spieler, damit umzugehen. Bequem ist es jedoch nicht. Zudem empfiehlt sich auch am Rechner die Steuerung mit einem Gamepad. Denn die Maus-Tastaturkombination erreicht bei der Wendigkeit eindeutig ihre Grenzen, besonders, wenn die Kamera häufig neu ausgerichtet wird.
Um die Fähigkeitspunkte aufzufüllen, Schwächen des Gegenübers zu erkennen oder für eine Aktion keine Punkte ausgeben zu müssen, gibt es diverse Gegenstände, die entdeckt, eingesammelt und anschließend über Zahlentasten eins bis vier ausgelöst werden. Das ist insbesondere inmitten eines Dialogs anstrengend, denn wer ohnehin schon unter Zeitdruck steht, wird kaum die richtige Taste treffen. Hier wäre ein Mausklick deutlich besser gewesen.
Louis’ Mutter ist bei einer Expedition auf die Privatinsel des mysteriösen Lord Mortimer verschwunden. So folgt ihr Sohn nur zu gerne einer Einladung des gesichtslosen Mannes, ihn ebenfalls jenseits des Festlandes zu treffen. Doch schnell wird klar: Louis ist nicht der Einzige, der dorthin gebeten wurde. Ein merkwürdiger Kreis an Menschen, darunter Napoleon Bonaparte und George Washington, ist ebenfalls vor Ort. Was wollen diese Gäste von Lord Mortimer – und was hat der mit ihnen vor? Und was haben die brutalen Visionen zu bedeuten, die Louis plagen? Langsam tastet sich der Spieler voran und sammelt Informationen. Und er ist sich sicher, dass seine Mutter ihm einen entscheidenden Hinweis hinterlassen hat …
Ob es den Ausschnitt wirklich so tief gebraucht hätte? Das Spiel könnte auch ohne Effekthascherei überzeugen
Die Episode zeichnet sich durch ein hohes Erzähltempo, diverse schwierige Entscheidungen, eine Menge optionaler Pfade und wenige, sehr leichter Rätsel aus. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und die Atmosphäre wird schnell sehr dicht. Es werden genug Fragen aufgeworfen, um starkes Interesse an der Geschichte zu wecken, gleichzeitig gibt es aber genug Konkretes an die Hand. Je nach Gründlichkeit des Spielers und gewählten Pfaden dauert der erste Teil der Serie etwa zwei bis drei Stunden. Nicht immer ganz perfekt ist die deutsche Übersetzung, die als Untertitel eingeblendet wird und sich ein paar kleinere Fehler leistet.
Die passend besetzten englischen Sprecher leisten die allermeiste Zeit sehr gute Arbeit. An einigen, von Haus aus nicht besonders gut geschriebenen Dialogen, können sie jedoch nicht viel verbessern. Zusätzlich sind an wenigen Stellen starke Emotionen der Charaktere zu schwach intoniert, was jedoch nicht zu stark ins Gewicht fällt. Nicht ganz perfekt fügt sich auch der Soundtrack ein. Dieser fällt hin und wieder etwas zu dominant und nicht immer zur Szene passend aus. All diese Kritikpunkte wiegen nicht besonders schwer, verhindern jedoch eine perfekte Atmosphäre.
Lord Mortimers Haus steckt voller Geheimnisse. Und einige davon hat Louis' Mutter hinzugefügt. Durch eine intensive Erkundung des Anwesens dringt der Spieler immer weiter in die größeren Zusammenhänge der Geschichte vor – und erfährt gleichzeitig, wie wenig er eigentlich weiß. Ein starker Cliffhanger zum Abschluss motiviert zum Weiterspielen. Insgesamt ist Hide and Seek etwas länger als The Mad Ones, was nicht zuletzt an den größeren Rätseln liegt.
Bereits in dieser zweiten Episode wird deutlich, wie stark das Spiel bei unterschiedlichen Entscheidungen auffächert. Denn abhängig von einer Entscheidung im ersten Teil verändert sich fast das gesamte erste Drittel des Spiels. Zusätzlich stehen zahlreiche neue Entscheidungen an, die vermutlich weiter zur Differenzierung beitragen. Hier beginnt der Titel bereits zu halten, was er verspricht und zeugt von einem hohen Wiederspielwert.
Der Fokus dieser Episode liegt deutlich mehr auf Rätseln. Diese sind nicht nur gut in Umgebung und Geschichte integriert, sondern auch ziemlich knackig. Hinweise liefern eine genaue Betrachtung der Umgebung und der Einsatz von Talenten.
Ein Problem, das bereits in der ersten Episode auftrat, wird nun noch deutlicher: Bei Wiederholungen nicht überspringbare Zwischensequenzen. Das ist insbesondere nervig, wenn Dinge untersucht oder Orte erneut aufgesucht werden. Hinzu gesellen sich einige Fehler bei der Kollisionsabfrage. So konnte mehrmals die Kamera in Louis' Gesicht fahren und der Hauptcharakter steckt seine Hand auch gerne mal in feste Möbelstücke. Wie bereits oben erwähnt, wiegen diese Kritikpunkte aufgrund der gesamten Präsentation jedoch nicht besonders schwer.
The Council überzeugt durch seinen Ansatz, der durchaus in der Lage ist, die Standards des modernen Adventure Genres neu aufzurollen. Unweigerlich stellt sich beim Spielen die Frage, warum Daedalic bei den Säulen der Erde nicht auf diese Art der Präsentation gekommen ist. Denn die unumkehrbaren Entscheidungen, der Fähigkeitsbaum und die spannende, ohne Längen erzählte Geschichte der ersten Episode sind ein tolles Beispiel für modernes Storytelling. Demgegenüber stehen kleinere Macken in der grafischen Darstellung, bei den Dialogen, Sprechern und dem Soundtrack sowie eine etwas hakelige Steuerung und ein anfangs durch die vielen Charakter-Elemente komplexerer Spielaufbau. Wenn die Geschichte ihr hohes Tempo und ihren spannenden Mix aus Krimi, Historienfiktion und Thriller über die nächsten vier Episoden aufrecht halten kann und die Entscheidungen tatsächlich so vielfältige und unterschiedliche Enden hervorrufen können wie versprochen, haben wir hier einen der Top-Titel 2018 vor uns.
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