Mit Maniac Mansion revolutionierte LucasArts - damals noch unter LucasFilm Games bekannt - das Adventure-Genre. Im 1986 erschienen Spiele setzten die Amerikaner erstmalig ihre legendäres SCUMM-Engine (Script Creation Utility for Maniac Mansion) ein, die nur mehr einzelne Verben wie "Gib", "Öffne" oder "Rede mit" benötigte, um Befehle des Spielers auszuführen. Das war eine erhebliche Erleichterung im Gegensatz zu den bisherigen Spielen, wo jeder Befehl noch eingetippt werden musste. Beim neuen Interface reichten maximal drei Mausklicks für jede Aktion.
Doch Maniac Mansion war auch aufgrund seiner schrägen Story ein großer Erfolg, und mit Day of The Tentacle wird diese Geschichte stilgerecht weitergesponnen.
Head-Designer von Day of the Tentacle ist Tim Schafer (sein letztes Spiel ist das vielfach ausgezeichnete Grim Fandango).
Die Geschichte um Bernard, den verrückten Dr. Fred und den Tentakeln sind in Sachen schräger Humor und aberwitziger Klamauk seinem Vorgänger in nichts unterlegen, aber in Sachen Grafik, Animationen und Sound ist mit der CD-Version im Jahre 1993 ein Meilenstein gelegt worden.
Alleine das Intro und die Credits reichen aus, um den Spieler vor Lachen die Tränen in die Augen zu treiben. Das Spiel beginnt hinter dem berüchtigten "Tollhaus" aus Teil 1, wo wir Purpur Tentakel dabei beobachten, wie er giftiges Abwasser trinkt und dabei zum Tentakel mit Armen und Intelligenz mutiert, das sich fühlt, als ob, als ob, ALS OB ES DIE WELT EROBERN KÖNNTE!!
Der sympathische Grün Tentakel (seines Zeichen Frontmann einer Rockgruppe, die aber zu unkonventionell ist, um im Radio aufzutreten) ist das so wenig geheuer wie dem verrückten Dr. Fred, der die beiden vorsichtshalber im Kellerlabor einsperrt (Einstieg durch die Jahrhunderte alte Wanduhr!). Als Grün Tentakel seinem Freund Bernard einen Eilbrief per Hamsterzustellung schickt, und Bernard mit seinen Freunden Laverne und Hoagie zum Tollhaus eilen und sie befreien, nimmt das Unheil seinen Lauf. Purpur Tentakel ist frei und macht sich auf, die Welt zu erobern.
Da gibt es nur eine, offensichtliche Lösung: Fix wird die gerade erfundene, aber bei Menschen noch nicht getestete (verflixt) Zeitmaschine angeworfen, um ins "Gestern" zu reisen und Purpur Tentakel am mutieren zu hindern. Der Ersatz-Kristall aus der Werbung zerbricht aber dummerweise während der Zeitreise, und so werden Bernard, Hoagie und Laverne getrennt.
Hoagie landet 200 Jahre in der Vergangenheit und darf sich mit George Washington den Kopf über die Unabhängigkeitserklärung zerbrechen, Bernard kehrt wieder in die Gegenwart zurück und Laverne befindet sich auf einmal 200 Jahre in der Zukunft. Diese wird bereits von Tentakeln beherrscht, Menschen sind dort nur Sklaven.
Durch Dr. Fred's patentierter Zeitklospülung ist es aber für die drei möglich, Gegenstände durch die Zeit zu schicken. Hoagie darf sich nun auf die Suche nach Elektrizität für die Zeitmaschine machen, und Laverne muss sich erst mal aus einem Baum und später aus einem Gefängnis befreien.
Es gibt viel zu tun!
Der Grafikstil von Day of the Tentacle prägt Adventurespiele bis heute noch. Beinahe jedes Adventure ist inspiriert von DOTTs Comicgrafik, die hervorragend gelungen ist und ganz zur Thematik vom Spiel passt. Vergeblich sucht man einen geraden Strich in diesem Spiel, man findet keinen. Die Animationen waren für die damalige Zeit (1993) schlicht atemberaubend.
Vor allem die zahlreichen schrägen Zwischensequenzen haben Kultcharakter, wenn die Edisons vor als Stinktiere getarnten Katzen Reißaus nehmen, oder wenn sich George Washington und Thomas Jefferson mit einem beherzten Sprung aus dem Fenster vor einer Rauchwolke in Sicherheit bringen.
Eine Vielzahl an Midi-Stücken begleiten einen bei seiner Reise durch 400 Jahre Zeitgeschichte, wobei bei der CD Version auch noch eine Sprachausgabe dabei ist.
Aber ehrlich: DOTT ist nicht so unheimlich gut aufgrund seiner Grafik oder Musik. Hier passt einfach der Spielspaß. Die Komiker bei LucasArts haben sich wieder mal selbst übertroffen, beinahe jeder Satz beinhaltet einen Seitenhieb, einen Witz oder sonst irgendwas Lustiges. Auch die Charaktere im Tollhaus und die Tentakel und Gestalten in der Zukunft bringen einen immer wieder zum Schmunzeln.
Die Rätsel von DOTT sind aufgrund der besonderen Hintergrundstory doppelt gut ausgefallen, denn zu den "herkömmlichen" Rätseln kommen noch solche hinzu, die die Zukunft beeinflussen können. Laverne hat selber zum Beispiel selber keine Chance, unerkannt in der Tentakelwelt herumzulaufen. Ein paar kleinere Änderungen in der Vergangenheit, und das ist alles kein Problem mehr. Man muss zwar immer um ein paar Ecken denken, aber ist man einmal auf die Lösung draufgekommen, folgt meistens ein Handschlag auf die eigene Stirn, gefolgt von einem "Warum komm ich da erst jetzt drauf? War doch eigentlich ganz logisch!". Und das sind doch die besten Rätsel. Die, bei denen man sich nicht ärgert, dass sie so unlogisch und unfair waren, sondern die, bei denen man sich über sich ärgert, dass man nicht früher drauf gekommen ist.
Auch die Rätsel sind allesamt witzig und abgefahren, zum Beispiel wenn man den geknebelten Dr. Fred heimlich und ohne, dass es die Steuerfahnder merken, mit seinem toten Cousin Ted auswechseln muss.
Nicht ganz unbeabsichtigt habe ich in dieser Nostalgie viele konkrete Szenen aus dem Spiel beschrieben: All diese Beispiele sind nur ein kleiner Teil, aber sie stehen stellvertretend für die vielen aberwitzigen Späße, die sich LucasArts mit Day of the Tentacle erlaubt hat. Ein Spaß für jeden Adventurespieler, und ein Muss für jeden, der sich einfach mal vor dem Computer ohne viel ballern zu müssen amüsieren will.
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