Die Kathedrale ist ein sehr komplexes Adventure, das eine Vorliebe für geschichtliche Themen zeigt. Entwickelt von Weltenschmiede unter den Fittichen von Software2000 ist Die Kathedrale um einiges größer (und auch besser) geraten als das Vorgängerprojekt Das Stundenglas.
Schon allein das Begleitmaterial zum Spiel ist über dem Durchschnitt, obwohl es "nur" in einer DinA5 großen Verpackung ausgeliefert wurde. Dazu gehören zwei Disketten (von denen man aber erst 1:1 Kopien anfertigen muss, um das Spiel normal installieren zu können. Wahrscheinlich ist das als Sicherheit gedacht, und natürlich lässt sich dieser Schutz auch umgehen), ein Abenteuer Handbuch (so was wie ein Adventure-Guide, auf Die Kathedrale zugeschnitten, allerdings nicht mit einem Lösungsheft zu verwechseln), ein Poster, die "Geschichte der St. Pauls Kathedrale zu Schönau", die übrigens sehr interessant zu lesen ist, und ein paar, auf alt getrimmte Briefe und Karten der Kathedrale, die zur Lösung der Spiels nötig sind. Dieses Begleitmaterial widmet sicher der Vorgeschichte.
Das eigentliche Spiel erscheint mit schlichtem Look. Die Grafik ist auch eines der größten Mankos an Die Kathedrale. Unbewegte Bilder, die nicht sehr aufschlussreich und auch nicht für jeden Raum verfügbar sind. Gesteuert wird mit Maus und Tastatur, wobei das Spiel von der Eingabe her wie ein Textadventure funktioniert. Der einzige Unterschied ist, dass die meisten Eingaben durch 25 verschiedene Buttons automatisch auf die Eingabezeile gebracht werden. Klickt man also auf den Schlüssel, so erscheint im Textfeld öffne oder schließe, und man muss nur noch ergänzen, was denn geöffnet oder geschlossen werden soll. Man kann auch einige Aktionen verknüpfen (z.B. "schalte das Licht an und untersuche die Wand"). Man kann allerdings auch das Objekt durch das passende reflexive Fürwort ersetzen (z.B. aus "gehe zum Fenster und öffne das Fenster" wird "gehe zum Fenster und öffne es").
Das Spiel beginnt in den Gewölben der ehrwürdigen St. Pauls Kathedrale zu Schönau, in der man eine alte Klassenkameradin wieder trifft, mit der man dann versehentlich eingesperrt wird. Man untersucht das alte Gemäuer, findet Briefe, und schon bald stellt sich heraus, dass die religiöse Oberfläche nur Fassade ist, und eigentlich das wahre Böse in den Gemäuern brodelt. Das beruht darauf, dass der Baumeister, Victor Paz, Intimfeind der damals herrschenden Inquisition war. Das heißt, damals bestand die Kirche nicht aus vielen Gläubigen sondern nur aus dem Papst und den Kardinälen. Hatte jemand etwas gegen die Kirche, sorgte die "Glaubenspolizei", also die Inquisition die aufpasste das alle schön gläubig waren (und zwar nach den Regeln der Kirche), dafür das derjenige auf dem Scheiterhaufen endete. Der Baumeister also erlebte in seiner Kindheit, wie Menschen, die ihm nahe standen, durch die Inquisition starben, und die Wut die daraus entstand entlud sich im Bau der Kathedrale.
Um seinen Erzfeind, den Klerus, zu vernichten baute er viele Fallen ein. Dabei unterscheiden sich diese, die gleich bei der Eröffnungsfeier ausgelöst werden sollten, und diese, die erst viele hundert Jahre später Wichtigkeit erreichen würden. Und dieser Zeitpunkt tritt genau wenige Stunden nach dem Eintritt ins Spiel in Kraft. Deswegen hat der Spieler auch nur begrenzt Zeit, das Spiel zu lösen. Natürlich steht eine Speicherfunktion zu Verfügung, die es ermöglicht, Spielpassagen noch mal im Eiltempo durchzuspielen, um Zeit zu sparen (anders ist es wohl auch gar nicht zu schaffen).
Die Kathedrale hat mich sofort in ihren Bann geschlagen. Einige Rätsel gehen mit ein paar Klicks über die Bühne, andere erfodern stundenlanges Studium der Gegebenheiten. Auch die Atmosphäre lässt nichts zu wünschen übrig. Die Grafiken und der Text passen zusammen und die auf alt getrimmten Briefe und Karten die beiliegen tun ihr Übriges. Wer geschichtlichen Hintergrund mag (die Story beruht auf wahren Begebenheiten, die Kathedrale gibts wirklich, etc.) und wem es nichts ausmacht viel Text, der allerdings nie langweilig wird, zu lesen, für den ist dieses Spiel genau richtig.
Adventure-Treff-Verein
IBAN: DE38 8306 5408 0004 7212 25
BIC: GENODEF1SLR