Nachdem Headfirst Productions schon an einem Nachfolger der Simon-Reihe in alter 2D-Point-and-Click-Manier werkelte, stellten sie fest, dass sich kein Publisher finden ließ, der das Risiko eingehen wollte, ein technisch unmodernes Spiel zu vertreiben. Dies zwang Headfirst dazu, ein komplett neues Simon 3 zu entwickeln. Headfirst warf fast alle Ideen für Story, Charaktere und andere Dinge über Bord, um mit einem für Publisher attraktiveren Simon-Nachfolger zu beginnen. Diesmal mithilfe einer 3D-Engine namens NetImmerse 3D, die von NDL erstellt wurde. Sämtliche Handlungsstränge, Charaktere, Dialoge etc. wurden neu entworfen. Seit 1999 wurde an dem Spiel gearbeitet, das Ende 2000 eigentlich schon fertiggestellt war. Doch auch dieses Mal wurde kein Publisher gefunden. Erst im Jahre 2002 wechselte das Simon-Spiel dann zum Vertrieb von Vivendi und erschien im Mai 2002 unter dem Namen Simon the Sorcerer 3D.
Das Spiel fängt ungefähr da an, wo Simon 2 endete. Sordid kommt gerade aus Simons Welt zurück und befindet sich in Simons Körper, den er aber schnell ablegt, da Runt, der kleine Zauberlehrling, den wir bereits aus Simons zweitem Abenteuer kennen, und der inzwischen selbst ganz schön mächtig geworden ist, Sordid bereits einen neuen mechanischen Körper angefertigt hat. Beide haben natürlich nichts Gutes im Sinn und streben die Herrschaft über das gesamte Universum an. Der Einzige, der jetzt noch helfen kann, ist Simon. Doch der existiert nur noch in Form einer Seele und hat seinen Körper verlassen. Also machen sich Calypso und einige Priester daran, Simons Seele wieder mit seinem Körper zu vereinen. Nach einem Wiedergeburtritual schaffen sie es dann. Simon wacht in einem Raum einer riesigen Pyramide auf, und das ist der Moment, in dem der Spieler ins Geschehen eingreifen muss. Auf seinem Weg nach draußen muss er einige Übungen absolvieren; geholfen wird Simon dabei von einer guten Fee, die auch an einigen anderen Stellen des Spiels erscheint und dem Spieler dabei hilft, die zahlreichen Actionsequenzen zu meistern. Des Weiteren trifft Simon auf viele alte Bekannte, zum Beispiel die Holzwürmer, den Sumpfling, die zwei Dämonen, den Igeljungen und andere. Auch neue Charaktere wie Coneman, Melissa Leg, einen Zwergen-Prinzen und viele andere wird er kennenlernen. Simon muss auf seinem Weg zu Sordids Schloss viele Abenteuer erleben und Orte besuchen, an einem Gnom-Schießwettbewerb teilnehmen, von einem schwulen Helden geküsst werden, einen alten Marihuana-verliebten Einsiedler treffen, mit einem sprechenden, alkoholkranken Schild reden und viele andere gefährliche und nicht-gefährliche Situationen überstehen. Die Geschichte an sich bietet nicht viel Neues und könnte, nachdem man das Spiel durchgespielt hat, schnell erzählt werden. Trotzdem sind der schwarze Humor und die lustigen, einprägsamen Dialoge und Charaktere Hauptbestandteile der Story, ganz im Stil der beiden Vorgänger. Das Spiel hat auch ein etwas kurzes und abstruses Ende, das viele offene Fragen lässt und auf einen weiteren Nachfolger deutet. Doch dafür muss Simon 3D erst mal kommerziell erfolgreich sein.
Jetzt kommen wir zu einem der größten Probleme von Simon 3D: die Grafik. Simon spielt sich in der von Spielen wie Tomb Raider bekannten 3rd-Person-Perspektive, allerdings gibt es auch die Möglichkeit, in die Ego-Perspektive zu wechslen, allerdings nur als Sichtmodus und nicht zur Fortbewegung. Alle Figuren bestehen nur aus sehr wenigen Polygonen, was dazu führt, dass sie aussehen wie Lego-Figuren. Anstatt Hände haben sie Klötze, dadurch wirken auch die Animationen total albern, zum Beispiel in der Anfangssequenz beim Ritual, als der Priester seine Arme ganz steif und ruckartig herumwedelt. Das Bewegen des Mundes findet nur durch das Ändern der Textur statt; das führt dazu, dass der Mund bei Personen mit Bart unter diesem verschwindet. Auch die Locations leiden stark unter der Grafik. Was einen Wald darstellen soll, wirkt wie eine riesige Wiese mit ein paar Bäumen und Wegen. Alles ist so steril und fade, auch gibt es keine beweglichen Objekte wie Tiere oder Vögel am Himmel, die ein wenig Leben in die Welt bringen könnten. Auch später in der Stadt Poliganis ist wenig Leben zu finden, es gibt kaum Bürger, die in der Stadt spazieren gehen. Es existieren eigentlich nur handlungsrelevante Personen. Auch die Texturen können die Grafik nicht retten, ein Kornfeld beispielsweise ist nur an ein paar verschieden Gelbtönen zu erkennen, in der Stadt gibt es kaum abwechselnde Texturen für Wände. Zudem ist das Spiel auch noch voll mit Grafikfehlern, Werbeplakate sind halb, nur von Weitem oder Nahem oder gar nicht zu sehen. Simon bleibt in Wänden stecken, ist manchmal unsichtbar und, und, und… Zusätzliches Ärgern bereitet das Ruckeln oder Stocken beim Fortbewegen. Selbst bei Besitz einer Geforce-4-Grafikkarte.
Da Simon 3D hauptsächlich in der 3rd-Person-Perspektive dargestellt wird, spielt es sich komplett mit der Tastatur, die Maus kann nur im Menü und im Inventar benutzt werden. Das Steuern ist aber ziemlich nervig, zum Beispiel muss sich Simon auf eine bestimmte Weise vor eine Tür stellen. Steht er zu nah dran, lokalisiert Simon sie nicht. Das Laufen durch enge Gänge wird durch das Wechseln der Kamera-Perspektiven zusätzlich erschwert. Zudem ist die Steuerung auch ziemlich ungenau. An einigen Stellen des Spiels fällt dies negativ auf. Das gibt dem Spiel einen ziemlich schlechten Nachgeschmack, denn man ist aufgrund der riesigen Welten hauptsächlich mit dem Bewegen von Simon beschäftigt, welches das Spiel unnötig in die Länge zieht. Probleme bei der Steuerung tauchen auch bei vielen Actionsequenzen und Minispielen auf. Beispielsweise gibt es auf einem Jahrmarkt ein Spiel, bei dem man 20 von 20 Enten abschießen muss. Da man das Anvisieren der Enten mit der Tastatur anstatt mit der Maus machen muss, ist dies eine ziemlich nervige Sache. Das Steuern nach oben, unten oder seitwärts reagiert dabei manchmal zu empfindlich und richtige Ausreißer entstehen, das heißt, man will ein wenig nach links und auf einmal hat man sich fast 90 Grad nach links gewendet. Simon kann zusätzlich durch Drücken der Shift-Taste gehen bzw. joggen und mit der Caps-Lock-Taste kann er rennen. Letzteres benutzt man noch am häufigsten, zusätzlich kann er in einen Sichtmodus (Ego-Perspektive) und einen Kriechmodus wechseln. Eine große Erleichterung im Spiel sind die an den meisten Stellen vorhandenen Telefonzellen, mit denen man sich von Ort zu Ort beamen kann, später im Spiel ist es einem möglich, auf einem großen Vogel durchs Land zu fliegen und an entsprechenden Plätzen zu landen. Gegenstände, die man im Laufe des Spiels sammelt, landen in einem Inventar, das durch das Drücken der Space-Taste aufgerufen wird. Das ist in Situationen, in denen Schnelligkeit gefragt ist, ziemlich umständlich. Durch das Drücken der C-Taste kann man auch eine schnelle Durchwahl der Gegenstände erreichen, aber nur in einer Richtung. Wenn man zum Beispiel einen Gegenstand zu weit geblättert hat, kann man nicht zurückblättern, sondern muss alle anderen noch mal wieder durchwählen. Auch das Kombinieren von Gegenständen im Inventar ist manchmal etwas fummelig. Leider gibt Simon nicht zu jeder Aktion oder zu jedem Gegenstand einen Kommentar ab, was die Rätsellösung manchmal, aber nicht gravierend, stört.
Die Rätsel sind im Gegensatz zur Grafik, abgesehen von einigen Actionsequenzen, glücklicherweise traditionell gehalten. Die meisten sind logisch und nicht unfair, auch gibt es wenige Rätsel, die nur durch das Ausprobieren von Gegenständen zu lösen sind. Der Schwierigkeitsgrad reicht da von sehr leicht bis sehr schwer, einige Abschnitte, wie zum Beispiel im Sumpf, sind schnell erledigt, da sie fair und einfach sind. Zahlenkombinationen oder mechanische Rätsel kommen eigentlich nicht vor. Viele Rätsel sind durch Kommentare von Charakteren oder von Simon selbst oder Hinweise aus Gesprächen gut zu lösen. Das letzte Rätsel im Spiel halte ich für das kurioseste und innovativste aller Adventures, die ich kenne. Darauf sind und werden bestimmt die wenigsten kommen, ohne in eine Komplettlösung zu schauen. Frust kommt nur auf, wenn man an einem Ort irgendwas vergessen oder es übersehen hat, und man wieder ganz zurück muss, oder es fällt einem erst später ein, wie man ein Rätsel lösen kann. Das heißt, man muss oft von Ort zu Ort hin und her. Dabei nerven dann auch die langen Ladezeiten. Wenn man z.B. ins Hotel geht und merkt, dass man was vergessen hat und man wieder zurück will, so muss man sich zweimal die gleiche Ladesequenz antun. Die Actionsequenzen senken den Spielspaß ein wenig, dabei geht es meistens um kleine Reaktions- und Geschicklichkeitsspiele, die aber zum Glück nur recht selten im Spiel vorkommen.
Für die Lokalisation dieses Spiels war das bekannte Studio Ulrich Mühl verantwortlich, für die Rolle des Simon war, wie in den beiden Vorgängerspielen, Erik Borner als Synchronsprecher besetzt, der als Simon wieder mal meisterlich brilliert und den Charakter aufgrund der Grafik rettet. Das Gleiche zählt auch für die anderen Rollen, die gut besetzt sind und auch überzeugen können. Lippensynchron ist das Spiel absolut nicht, was wieder mal der Grafik zu verdanken ist, aber was dem Eindruck nicht schadet. Die Lokalisation dieses Spiels hat das Potenzial, locker mit den LucasArts-Adventures mithalten zu können. Die Musik würde ich nicht als überragend bezeichnen, dennoch ist sie sehr gut. Es ist wohl kein Stück vorhanden, welches einen begeistert, aber die Musik fügt sich im Spiel gut ein und ist selbst nach längster Zeit nie nervend. Die Soundkulisse allerdings ist dürftig bis durchschnittlich, da einem Hintergrundgeräusche im Wald oder an anderen Plätzen fehlen. Geräusche, die generell bei Aktionen auftauchen, sind realistisch und ohne Fehler.
Zu Anfang des Spiels will gar keine Atmosphäre entstehen, weil man sich zuvor an die Grafik und die Steuerung gewöhnen muss, auch die viele Lauferei tut ihr Übriges. Man sollte dem Spiel aber dennoch eine Chance geben, denn etwa bis zum 3. Kapitel (das Spiel gliedert sich in 6 Kapitel) hat man sich an das Gegebene gewöhnt und kann in die Welt eintauchen. Eckige Bäume oder riesige, kahle Areale empfindet man nicht mehr als störend, sondern man will nur noch wissen, wie es weiter geht. Es gibt auch sehr viel zu schmunzeln und zu lachen in dem Spiel. Das Repertoire reicht von Filmanspielungen, Beleidigungen, makaberen Scherzen, Sarkasmus bis hin zu Slapstick. Der Humor trägt das Spiel und lässt einen einige negative Punkte verschmerzen.
Sieht man mal an der Steuerung und der Grafik vorbei, ist Simon3D ein richtig gutes und lustiges Adventure. Die witzigen Dialoge und Charaktere, die meisten Rätsel und die Lokalisation machen das Spiel zu einem kleinen Kauftipp! Simon Fans sollten aber auf alle Fälle zuschlagen.
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