Test

von  Jan "DasJan" Schneider
21.08.2002
Bioscopia
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Lernadventures sind im Adventure-Genre eher eine Randerscheinung und werden es wohl angesichts der vergleichsweise kleinen Zielgruppe auch bleiben. Wie viele lernwillige Adventurefans in einer klar definierten Altersgruppe gibt es schon? Logischerweise muss damit auch der Aufwand möglichst gering gehalten werden, mit dem solche Spiele produziert werden, um keinen Verlust einzubringen.

Der Verlag Heureka Klett hat es sich dennoch zur Aufgabe gemacht, solche Spiele zu produzieren, und hat spätestens mit Physikus bewiesen, dass das auch auf hohem Niveau möglich ist. Neben diesem wohl bekanntesten Lernadventure überhaupt sind bisher in der Reihe noch Chemicus (samt Nachfolger Chemicus 2), Opera Fatal (Musik) und Bioscopia erschienen. Angekündigt sind Mathica und Historion. Wir haben uns Bioscopia einmal genauer angesehen, weil wir wissen wollten, was Lernadventures heute leisten und wie sie im Vergleich zu "normalen" Adventures abschneiden. Ein Test von Chemicus 2 folgt in Kürze.

Das Spiel

Bioscopia ist prinzipiell in zwei Teile geteilt: Der Lernteil, der Wissen über die Biologie enthält und das eigentliche Adventure, in dem Teile dieses Wissens benötigt werden. Beide Teile sind insofern miteinander verknüpft, dass es im Spiel an bestimmten Stellen Konsolen gibt, von denen aus man auf den Lernteil zugreifen kann.

Zur Story: In einer futuristischen Forschungsstation, in der Maschinen durch biologische Experimente mit künstlicher Intelligenz versehen werden und als Forschungsziel menschenähnliche Roboter erschaffen werden sollten, um sie versklaven zu können, ging etwas schief. Die Roboter drohten schließlich, die Herrschaft zu übernehmen, während den Menschen nur die Flucht blieb. Einem gelingt es dennoch, die Energie für die Roboter abzustellen, er verliert bei diesem heroischen Akt jedoch sein Leben. Jahre später will eine Wissenschaftlerin den Geschehnissen auf den Grund gehen, wird aber durch einen unglücklichen Zufall eingeschlossen. Die Aufgabe des Spielers ist es nun, diese Wissenschaftlerin zu finden und zu befreien.

Die Hintergrundgeschichte stammt offensichtlich nicht aus der Feder eines erfahrenen Literaten, doch kann man bei Lernadventures auch keine epische Handlung erwarten, so lange die anderen Aspekte den Spieler bei Laune halten. Die Grafik zum Beispiel: Zwar erreicht die Forschungsstation Bioscopia erwartungsgemäß nicht die Größe und fotorealistische Qualität eines Myst 3, doch ist sie mit sehr viel Liebe zum Detail modelliert worden, was in einer großen Zahl an sehr schön anzusehenden Hintergründen resultiert. Auch großflächige Animationen sind immer wieder nahtlos in die fest stehenden Hintergründe eingebaut. In so einer Welt bewegt man sich gerne. Schade nur, dass die Bildschirmauflösung nicht an die immerhin 800x600 Pixel des Spiels angepasst wird, sodass bei hohen Auflösungen ein großer schwarzer Rand eingefügt wird.

So sehr die Augen jedoch verwöhnt werden, so sehr müssen die Ohren ihren Hörgenuss mit der Lupe suchen. Zwar sind sowohl die ständig präsenten Umgebungsgeräusche wie Vogelzwitschern, Wind, Maschinenrattern und ähnliches als auch die Soundeffekte (Knopf drücken, Inventar aufziehen...) erfreulich professionell produziert und angenehm anzuhören, doch sucht man musikalische Untermalung der Szenerie leider vergeblich.

Die Steuerung funktioniert wie bei Myst. Aus der 1st-person-Perspektive geht man geradeaus, dreht sich zur Seite oder ganz um und guckt nach oben oder unten. Erweitert wurde das Myst-Prinzip durch ein aufklappbares Inventar am unteren Bildschirmrand, das leider kaum einfallsreiche Gegenstände aufnimmt: Statt mit kreativen und motivierenden Rätseln ein "echtes" Adventure abzugeben beschränkt sich Bioscopia nämlich leider zu einem großen Teil darauf, durch (wenn auch vielseitige) Frage-und-Antwort-Spiele, die mit Wissen aus dem Lernteil gelöst werden können, verschiedene Türen zu öffnen, um dahinter letztendlich abstrakte Gegenstände wie "DNA 3", "X-Schlüssel" oder "Rondell 1" zu finden. Gegen Ende des Spiels kommen dann gehäuft Rätsel, in denen dann beispielsweise alle Rondells oder DNA-Bausteine irgendwie miteinander kombiniert werden müssen. In einigen wenigen Fällen kommt noch dazu, dass solche Gegenstände unfair versteckt sind und man unter Umständen nicht festhängt, weil man ein Rätsel nicht gelöst hat, sondern weil man einen dieser Gegenstände übersehen hat. Obwohl die Rätsel durchaus logisch sind und auch der Schwierigkeitsgrad passend variiert, hätte ein kreativeres Rätseldesign dem Spiel also sicher gut getan.

Der Lernteil

Der Lernteil stellt klar die Stärke von Bioscopia dar. In den fünf Bereichen Botanik, Zoologie, Menschenkunde, Zellbiologie und Genetik hält das Programm eine große Menge Wissen bereit, das nicht nur trocken vom Bildschirm abzulesen, sondern äußerst anschaulich aufbereitet ist. Jeder Bereich ist übersichtlich und logisch in Kapitel und Unterkapitel aufgeteilt, die auch alle direkt anwählbar sind.

Alle Texte im Lernteil werden ausnahmslos von einem professionellen Sprecher gesprochen, wodurch die Informationen besser aufgenommen werden können. Gleichzeitig wird das Gesprochene durch (teilweise sogar interaktive) Animationen und Illustrationen verdeutlicht. Diese Grafiken sind sehr gut ausgearbeitet und durchdacht und locker genug, um niemanden durch zu viel steife Schulatmosphäre zu verschrecken.

Schnell stellt sich die Frage, für wen Bioscopia überhaupt gedacht ist. Die Antwort: Für fast jeden! Laut Packung ist das Programm "ab 12" geeignet und tatsächlich werden 12-jährige ihren Spaß damit haben. Sicher wird es kaum der Fall sein, dass sie auch das letzte Detail der Genetik behalten und später immer noch wissen, was "Doppellipidschicht" oder "Phenylketonurie" bedeutet, doch das tut ohnehin niemand. Die schöne Präsentation macht das vermittelte Wissen einfach interessant, ohne den Anspruch zu stellen, dem Lernenden alles Einzubläuen, bis er es weiß. Seine Grenzen findet Bioscopia dann endgültig im Bio-Leistungskurs in der gymnasialen Oberstufe. Prozesse wie die Photosynthese werden zwar prinzipiell erklärt (inklusive animiertem Schema des Ablaufs), doch die einzelnen chemischen Prozesse dabei zu erläutern würde zu weit führen. Aber auch als Erwachsener wird man, wenn man es nicht gerade studiert hat, noch sehr viel über Biologie, den Menschen, Tiere und Pflanzen lernen können, ohne "belehrt" zu werden.

Fazit

Als reines Adventure kann Bioscopia nicht mit der Konkurrenz mithalten, das war eigentlich von Anfang an klar. Aber als das, als was es gedacht ist, nämlich als Lernadventure, spielt es in der obersten Liga mit. So macht Lernen Spaß!

Wie sieht die Zukunft dieser Reihe aus? Heureka Klett macht ausgezeichnete Lernspiele, das steht außer Frage, doch irgendwann sind alle Fächer abgedeckt und es gibt kein Wissen mehr zu vermitteln. Dann bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder schraubt man den Anspruch höher, doch damit würde die Anzahl der potenziellen Käufer zu klein werden, oder man verlegt den Fokus von dem pädagogischen auf den Spielteil und macht keine "Lernsoftware mit Spiel", sondern "Spiele, bei denen man was lernt". Heureka Klett scheint das vorzuhaben und wenn die Verantwortlichen etwas Nachhilfe beim Rätseldesign nehmen, wird das vielleicht auch gelingen.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Als Lernspiel super. Edukativ und unterhaltsam, so muss es sein. Schade, dass der Adventure-Teil Schwächen zeigt.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Super Lernteil
  • Schöne Grafik
  • Verknüpfung von Spiel- und Lernteil
  • Viele unkreative Rätsel
  • Keine Musik
  • Unfair versteckte Gegenstände