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  • Tony Tough and the Night of the Roasted Moths

Test

von  Jan "DasJan" Schneider
15.03.2003
Tony Tough and the Night of the Roasted Moths
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

3D-Polygoncharaktere, Lensflare-Effekte, dynamische Schatten, Celshading und vollständige 3D-Welten - Langsam werden auch Adventure-Fans an die Freuden der modernen Hochtechnologie gewöhnt. Puristen haben es da immer schwerer, wirklich klassische Adventures zu finden. Doch wenn man gut sucht, findet man sie auch heute noch: Wir haben eines in Italien ausfindig machen können - getestet haben wir allerdings aus verständlichen Gründen die englische Version, die seit letztem Jahr in Amerika von Got Game Entertainment vertrieben wird.

Die Story

Wie der Name schon sagt übernimmt man im Spiel die Rolle von Tony Tough, einem Privatdetektiv auf wichtiger Mission. Tony gleicht seine körperliche Benachteiligung (er ist kaum größer als sein Schreibtisch und auf seine gewaltige Brille angewiesen) durch einen weit über dem Durchschnitt liegenden IQ und seinen hilfreichen Assistenten Pantagruel aus. Letzterer ist ein lilafarbener sprechender Tapir (südamerikanischer Unpaarhufer), der gerne Süßigkeiten isst und - das ist das eigentliche Problem - zu Beginn des Spiels entführt wird.

Damit ist klar, womit Tony Tough die diesjährige Halloween-Nacht verbringen wird: Im Foyer seiner Agency findet er einen Brief des Entführers, der das Hauptaugenmerk der Ermittlungen auf den örtlichen Freizeitpark beschränkt. Dort muss sich unser Held auf die Suche nach seinem lila Freund machen und dabei vielleicht sogar noch einen Fall lösen, der ihn schon viele Jahre beschäftigt...

Die gesamte Handlung passt in eine einzige Nacht und ist alles andere als episch. Die Tatsache, dass man sie im Grunde mit einem Satz beschreiben kann, macht das Spiel aber nicht unbedingt schlechter oder simpler. Sicher - wer ein Epos der Komplexität von Grim Fandango oder The Longest Journey sucht, sollte an dieser Stelle aufhören zu lesen - aber es wäre falsch zu glauben, Tony Tough sei einfach oder an zwei Abenden durchzuspielen.

Atmosphäre

Tony Tough setzt voll und ganz auf seinen ausgezeichneten Humor. Da braucht es keine opulente Orchestermusik oder dunkle unheimliche Gassen, um Stimmung zu erzeugen - die kommt einzig durch die gewitzten Kommentare des naseweisen Protagonisten. Dabei sollte man das Spiel trotz der niedlichen Grafik nicht unbedingt Kindern vorsetzen. Zwar wird Tony kaum anstößig, aber die Kleinen werden den vor Intelligenz triefenden Sprüchen nicht viel abgewinnen können.

So unterhält man sich mit einem morbiden Verkäufer nicht nur über Fäulnis und Särge, sondern auch völlig Grundlos über Klassenvererbung in C++, ein nikotinsüchtiger Clown formt aus länglichen Luftballons Escherichia Coli (Stäbchenbakterium) und der überforderten Haushälterin eines Schlosses erklärt man Details des physikalischen SI-Systems. Dabei ist es noch nicht einmal schlimm, wenn man nicht jeden Witz versteht, man kann sich auch in diesen Fällen über die herrlich schrägen Dialoge zwischen herrlich schrägen Charakteren amüsieren.

Das Ganze wirkt allerdings nicht, wie man meinen könnte, oberlehrerhaft und steif, sondern erfrischend locker und unterhaltsam (wozu auch Tonys Stimme beiträgt) - man kann fast sagen, Tony sei der sympathischste Klugscheißer, den die Adventurewelt je gesehen hat. Die bunte Grafik tut dann ein Übriges und macht dem Vergnügungspark zu einem großen Spaß. Auch die Tatsache, dass Tony zu extrem vielen Situationen etwas eigenes, teilweise sogar viele verschiedene Dinge, zu sagen hat, trägt zu dem Abwechslungsreichtum bei. Keine Spur von Standardphrasen der Marke "Das geht so nicht".

Rätsel

Wie schon zu guten alten Monkey Island Zeiten lassen sich zu Beginn des Spiels zwei verschiedene Schwierigkeitsstufen einstellen. Während sich der Hardcore-Fan für die schwere Variante entscheidet, wählt der Einsteiger die leichtere. Doch auch diese enthält eine Menge knackige Rätsel und befindet sich vom Niveau über manch anderem Adventure.

Insgesamt erfreut die Rätselkost mit ihrer Vielfalt das Abenteurerherz: Normale "Benutze A mit B" Situationen werden angereichert mit Kombinationen von Inventargegenständen, einem klassischen Logikrätsel, LucasArts-ähnlichen Dialogen und Stellen, an denen man gewisse Aktionen zum richtigen Zeitpunkt ausführen muss, angereichert. Sämtliche Kopfnüsse sind mindestens schräg bis völlig abgedreht. So lässt sich ein störrischer Papagei statt auf Kekse nur auf Schrimp Kanapee ein und eine Haushälterin muss zum Stolpern gebracht werden, um ihren Gesichtsabdruck im Boden abnehmen zu können - mit Schafserbrochenem.

So skurril die Rätsel auch sind, die Logik leidet darunter nur teilweise. Häufig ist es durch gutes Nachdenken möglich, auf Schritte zu kommen oder zumindest im Nachhinein diese nachvollziehen zu können. Die Grenzen der Logik werden dennoch streckenweise arg strapaziert und gerade im schweren Modus gelegentlich klar überschritten. Wieso sollte man auch ein Stofftier mit einem Brunnen benutzen oder einen Kaugummi mit einem Stück Brot.

Grafik

In der heutigen Zeit muss man die Grafik von Tony Tough leider als größte Schwäche des Titels ansehen. Die mit 640x480 Pixel relativ kleinen Hintergründe sind offenbar handgezeichnet und detailärmer als die meisten Mitbewerber im Adventuremarkt. Viele Formen sind eher angedeutet als ausformuliert und so schafft das Spiel zwar seinen eigenen, aber recht einfachen Grafikstil.

Die völlig unterschiedlichen und skurrilen Charaktere heben sich dabei stark von dem Hintergrund ab. Sie sind wesentlich detaillierter, dafür aber sehr verpixelt. Eine Kantenglättung findet, obwohl dafür ein Schalter in den Einstellungen vorgesehen ist, so gut wie gar nicht statt. Damit wirken sowohl Charaktere als auch viele bewegliche Gegenstände aufgesetzt. Auch wenn Puristen sich daran nicht stören und an den witzigen Szenen ihren Spaß haben werden ist man heute anderes gewohnt. Effektverwöhnte Adventure-Neulinge wird Tony Tough wohl nur in Ausnahmefällen für das Genre begeistern können.

Positiv zu erwähnen sind allerdings die ausgezeichneten Animationen. Praktisch alle Aktionen sind bis in die letzte Bewegungsphase liebevoll durchanimiert, wo andere Spiele sich den Aufwand gespart hätten - egal ob Tony einen Hammer aus der Tasche holt, lacht, mit den Armen fuchtelt oder ein Schaf schert.

Musik & Sound

Die angenehme Musik bleibt stets im Hintergrund, ist aber immer da und wird nie nervig. Die einzelnen Stücke sind auf die entsprechenden Ortschaften zugeschnitten und unterstreichen subtil die entsprechende Atmosphäre. Auf der CD befinden sich keine kompositorischen Meisterleistungen, aber die Pflicht ist eindeutig erfüllt.

Auch bei den oft unterschätzten Soundeffekten hat der Entwickler nicht gespart. Ob es das Knarzen einer Tür, ambientes Vogelzwitschern und andere Tierlaute, das Plätschern von Wasser oder der Ruf eines Zombies ist - alles wurde nicht nur in Bild, sondern auch in Ton ohne Makel umgesetzt.

Ein besonderes Prädikat verdient jedoch die hervorragende englische Sprachausgabe. Die Sprecher vermitteln ein sehr gutes Verständnis ihrer Rollen und wirken nicht wie reale Menschen, sondern entsprechend dem Spiel wie einer schrägen Comicserie entsprungen. Sämtliche Charaktere sind passend besetzt und gerade Tony Tough glänzt mit herrlich stereotyper Klugscheißer-Stimme.

Steuerung

Das Spiel setzt wie Monkey Island 3 oder The Longest Journey auf eine Coin GUI, die sich bei einem Druck auf die rechte Maustaste öffnet und die Wahl zwischen verschiedenen Aktionen wie "Betrachten", "Benutzen" oder "Nehmen" erlaubt. Die Anordnung der Verben auf der GUI ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, stellt aber nach kurzer Einarbeitung kein Problem mehr dar.

Das Inventar öffnet sich, wenn die Maus den unteren Bildschirmrand erreicht. Dort können maximal acht Gegenstände nebeneinander angezeigt werden, was bei größerem Inventar einiges Scrollen erforderlich macht. Das hält sich aber in moderaten Grenzen, wenn man mehr darüber nachdenkt, welche Gegenstände man kombinieren will, als blind alles auszuprobieren. Die Einstellungen und den Speichern/Laden-Dialog erreicht man über die Escape-Taste.

Tony Tough bewegt sich mit einer recht hohen Geschwindigkeit über den Bildschirm, sodass weitere Möglichkeiten der Abkürzung (zum Beispiel der beliebte Doppelklick) nicht nötig sind. Trotzdem schreibt Tony zumindest im ersten Teil des Spiels in seinem Notizblock eine Karte mit, die es einem ermöglicht, an einige Stellen des Freizeitparks direkt zu springen.

Fazit

Tony Tough ist ein klassisches Grafik-Adventure wie es klassischer kaum sein könnte. Es verzichtet auf sämtlichen Schnickschnack der neuesten Generation, insbesondere Grafikeffekte sind Tabu. Wer sich daran nicht stört und die englische Sprache sehr gut versteht wird in Tony Tough das wohl witzigste Adventure seit Escape from Monkey Island finden, das ohne Probleme für 20 Stunden Spielspaß sorgen kann.

Aus diesen Gründen ist es wirklich schade, dass das Spiel seinen Weg nicht nach Deutschland gefunden und keiner die schwierige Lokalisation gewagt hat. Auf weitere Adventures aus dem Hause Prograph dürfen wir uns wohl auch nicht freuen - es sind keine weiteren Titel angekündigt.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Dass die Grafik des Spiels nicht up-to-date ist, lässt sich nicht abstreiten. Wer aber intelligenten Humor mag, sehr gut Englisch kann und wem als Adventurefan die mittelmäßige Grafik nichts ausmacht, der wird sehr viel Spaß mit dem Spiel haben. Ich jedenfalls habe seit Monkey Island 4 nicht mehr so viel bei einem Adventure gelacht.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Super Humor
  • Vielseitige und knackige Rätsel
  • Ausgezeichnete Sprachausgabe
  • Knuffige Animationen
  • Zwei Schwierigkeitsgrade
  • Schwache Grafik
  • Manche Rätsel unlogisch