Wer erinnert sich noch an das Adventure Traitors Gate, das in Deutschland 1999 erschienen ist? Kaum jemand? Trotzdem unternehmen die Entwickler jetzt mit dem Nachfolger den Versuch, ihre Marke dennoch zu etablieren. „Cypher: Code der Verdammnis“ heißt das gute Stück hierzulande und ist von Dreamcatcher sogar komplett lokalisiert worden. Wir haben die fertige Version durchgespielt und berichten an dieser Stelle von unseren Eindrücken...
Raven ist sein Codename, Weltrettung seine Mission. In Cypher übernimmt man die Rolle eines streng geheimen Geheimagenten, der auf eine extrem geheime Mission irgendwo in die ägyptische Wüste geschickt wird. Dort bereitet eine terroristische Gruppe in Labors, die mindestens so geheim wie Ravens Mission sind, die Beherrschung der Welt vor. Dazu brauchen sie keine nuklearen Waffen oder neuartige Amphibienpanzer, sondern lediglich einen gemeingefährlichen Computervirus. Dieser soll – wie praktisch - in die Kommunikationssysteme der Welt eingeschleust werden und die Erde in die digitale Steinzeit zurückversetzen. Allein Raven hat die Möglichkeit, in den Komplex einzudringen, das Mainboard mit dem Virus zu entfernen und so die Welt zu retten.
Wirklich originell ist die Geschichte nicht, zumal man seine klare Mission bereits im schicken Intro erhält und daran ändert sich auch nichts, bis die End Credits über den Bildschirm gleiten. Die meiste Zeit des Spiels wandert man durch ein großes System von alten ägyptischen Gängen und Räumen, um überhaupt die Labors der Terroristen zu finden und löst dabei viele Rätsel der Erbauer.
Die Steuerung von Cypher ist nicht wirklich gelungen, nach etwas Eingewöhnungszeit aber ertragbar. Die Kamera (Cypher ist vollständig 3D) bewegt sich relativ unflexibel in der Verfolgerperspektive hinter Raven her, der wiederum primär mit der Tastatur gesteuert wird. Dabei kann man nur geradeaus laufen, zurück gehen oder sich nach links bzw. rechts drehen. Den aus Actionspielen bekannten Seitwärtsschritt gibt es nicht. Für die Drehungen kann man auch die Maus verwenden (so kann man auch nach oben und unten sehen), was einen schnelleren Richtungswechsel ermöglicht. Die Maus ist aber manchmal sehr sensibel und präzises Steuern ist damit nur schwer möglich.
Die sehr flache Story und die schwerfällige Steuerung bleiben aber im Schatten der schlechten Rätsel, die Cypher sämtlichen Reiz entziehen. In den ersten 80% des Spiels basieren diese auf ägyptischen Symbolen, konfusen Mechanismen und so originellen Inventargegenständen, wie Schlüsseln, Stäben und kleinen Statuetten. Die Dinge, die man von Anfang an bei sich trägt (die übliche Agentenausrüstung wie Gasgranaten und ein Bindehautimitationsgerät zum Austricksen von Augenscannern) benötigt Raven erst im letzten Fünftel des Spiels, in dem die Rätsel aber auch nicht vielseitiger werden.
Bis dahin läuft man in dem großen Komplex durch immergleiche Gänge von Raum zu Raum. In einem befindet sich ein großes Labyrinth mit beweglichen Türen, ein weiterer enthält einen Steg mit umklappenden Bodenplatten, der in der richtigen Reihenfolge abgelaufen werden muss. Dann müssen die richtigen Knöpfe gedrückt werden, Schalter in der richtigen Reihenfolge gezogen werden und Räder in die richtige Position gedreht werden – nichts, was man nicht schon gesehen hätte. Besonders ärgerlich ist, dass ein simpler Sprung so manches Rätsel massiv vereinfachen könnte, doch diese Fähigkeit wurde unserem Protagonisten nicht mit in die Wiege gelegt. Natürlich kann man auch sterben, häufiges speichern lohnt sich also.
Ab und zu scheint man Rätsel so verstellen zu können, dass deren Lösung nicht mehr möglich ist – besonders ärgerlich, wenn man gerade dann ein wichtiges Savegame überschrieben hat. Ob das schlechtes Rätseldesign oder ein Bug ist, ist dabei schwer festzustellen. Mit ein Bisschen Glück sorgt dann aber ein weiterer Bug dafür, dass man irgendwie doch noch um das Rätsel herumkommt, denn Programmfehler gibt es in Cypher allerhand. Da fällt man mal durch unterirdische Treppen ins Nichts im Inneren der Erde und da spaziert man auch mal durch massive Steinsarkophage oder die Szenerie färbt sich grünlich oder Raven läuft fröhlich auf der Stelle vor sich hin... Manchmal gewinnt man den Eindruck, man spiele eine frühe Grafikdemo einer neuen Engine.
Grafisch ist Cypher nicht völlig daneben, schnell hat man sich an den drei bis vier Texturvariationen von ägyptisch-gelb bis ägyptisch-braun aber satt gesehen. Die sich ständig wiederholenden Symbole und die paar Felszeichnungen wirken teilweise schwer matschig. Raven selbst ist zwar gut modelliert, reizt jedoch mit sehr wenigen ziemlich steifen Animationen nur einen kleinen Teil seines Potenzials aus. Ab und zu gibt es mit interessanten Lichteffekten oder Rauch einen Pluspunkt zu verbuchen, darüber hinaus bleibt Cypher optisch aber ein schwaches Erlebnis.
Musikalisch setzt das Spiel ebenfalls keine Akzente. Immerhin nerven Musik und Hintergeräusche nicht. Erstere ist sogar so subtil, dass man nicht mal merkt, dass häufig immer nur dasselbe zu hören ist. Cypher ist voll lokalisiert, auch die Sprachausgabe wurde neu aufgenommen, was gar nicht mal so schlecht gelungen ist. Leider beschränkt sich die Sprache auf das Intro und einige wenige Sätze, die Raven hier und da einwirft. Diese sind meistens so nichtssagend wie "Welche Richtung jetzt?" oder "Hmm".
Das war wohl nix. Wer sich eine Sammlung von mäßigen Logikrätseln antun möchte, die weder durch eine interessante Geschichte noch durch besondere Atmosphäre fesseln, sollte auf eine Budgetvariante warten. Alle anderen können sich getrost die Zeit sparen, die das verbugte Spiel kostet.
Cypher hat mir keinen Spaß gemacht, Punkt. Die Rätsel haben genervt, das optische Einerlei auch und die Story ist gleich null.
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