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Test

von  Jan "DasJan" Schneider
28.11.2003
Agon
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

In der heutigen Spielelandschaft muss man sich etwas einfallen lassen, um sich abzuheben. Das dachten sich auch die Private Moon Studios aus Ungarn und entschieden sich, ihr erstes Spiel nicht wie üblich über die Ladentische zu verkaufen, sondern ausschließlich über das Internet. Dabei kauft man nicht das ganze Spiel auf einmal, sondern immer nur eine einzelne Mini-Episode. Die erscheinen alle zwei Monate und bilden am Ende mit 14 Episoden ein umfangreiches Spiel. Wir haben uns die ersten zwei Episoden angesehen und wollen erörtern, ob sich ein Einstieg lohnt oder ob man Agon besser im virtuellen Regal liegen lässt.

Der Spieler schlüpft in die Rolle von Professor Hunt, einem Wissenschaftler am Britischen Museum, der einen geheimnisvollen Brief und Auszüge aus einem historischen Dokument zugespielt bekommt. Schnell stellt er eine Verbindung mit kürzlich an das Museum gelieferten Artefakten her. Um das Geheimnis zu entschlüsseln muss er die verschiedensten Winkel der Welt bereisen und die Regeln von vielen lange vergessenen Brettspielen erlernen. Und mit allem hängt irgendwie das mysteriöse Wort „Agon“ zusammen...

Episode 1 – London

Der erste Teil des Spiels, ein über 200 MB großer Download, ist im Grunde der Prolog von Agon. Hier wird der Spieler an die Story herangeführt und die Spielwelt vorgestellt. Ort des Geschehens ist das Britische Museum im Jahre 1903. Das Spiel steuert sich wie ein gewöhnliches 1st-Person-Adventure. Man steht an einem festen Punkt und kann sich frei um 360° drehen. Die vorgerenderte 3D-Welt ist dabei gut gemacht, wenn sie auch gegen Grafikspezialisten wie Salammbô den Kürzeren ziehen muss. Gerade die Aufgabe, die typische Innenausstattung eines feinen englischen Museums um die Jahrhundertwende darzustellen, schafft das Team von Agon sehr überzeugend. Auch kleine Effekte wie das eigene Spiegelbild in Fensterscheiben und Bilderrahmen setzen Akzente.

Animationen gibt es kaum, aber ganz starr ist die Umgebung auch nicht. So sieht man aus dem Fenster den typisch englischen Regen und eine Mücke wirft ihren Schatten quer durchs Zimmer. Einige Objekte fügen sich in Echtzeit-3D in die Umgebung ein und sorgen für Abwechslung. Einige vorgerenderte Zwischensequenzen sind frei von Kompressionsartefakten und sorgen für mehr Dynamik.

Wer Agon spielt, muss auch lesen. Unzählige Bücher aus dem Bücherschrank können angelesen werden und überall liegen Briefe, Manuskripte und Formulare. Einiges davon erzählt die Story, ein Paar Dinge helfen bei der Lösung von Rätseln und vieles wird gar nicht gebraucht. Alle Dokumente haben dabei gemein, dass sie optisch sehr stilecht in die Zeit vor 100 Jahren passen. Die Menge der Texte scheint aber in der ersten Episode überproportional hoch zu sein – im zweiten Teil gibt es schon deutlich weniger Dokumente.

Die Rätsel sind im Wesentlichen logischer Natur. Inventarrätsel gibt es wenige und die wenigen Dialoge, die es im ersten Teil gibt (man trifft nur einen einzigen weiteren Charakter persönlich), laufen automatisch ab. Stattdessen gilt es einen Code zu entziffern, Schlüssel zu sortieren und ein Formular auszufüllen.

Episode 2 – Lapland

Die zweite Episode von Agon, die wie alle für knappe 10 Dollar zu erwerben ist, führt Samuel Hunt in das verschneite Lapland und zeigt nach dem Prolog, der eher eine Sonderrolle einnimmt, wie Agon-Episoden in Zukunft aufgebaut sein werden. Zunächst muss man von einer kleinen Bahnstation am Ende der Welt wegkommen, um dann ein kleines Dorf und dessen Umland zu erkunden. Der Durchschnittsspieler sollte dafür in etwa 2-3 Stunden veranschlagen.

Die Rätsel sind bis auf zwei Ausnahmen wieder gelungen, die Grafik macht sogar noch einen leicht besseren Eindruck als die vom ersten Teil. Dank mehr Charakteren wird man öfters Zeuge der gelungen in die vorgerenderten Hintergründe eingefügten 3D-Figuren, der gelegentlich zu Boden gehende Schnee und Polarlichter sorgt für Bewegung im Bild und die wenigen Zwischensequenzen sind gut inszeniert.

Musikalisch geben sich die Ungarn besonders viel Mühe. Eine Reihe sehr angenehmer und passender Musikstücke ertönt von Zeit zu Zeit und steigert die Atmosphäre.

Wie jede Episode (bis auf die erste und letzte) endet Lapland mit einem Brettspiel, das gegen den Computer zu spielen ist (was aber nicht besonders schwer ist). Hat man dieses ein mal geschafft, kann man es direkt vom Menü aus beliebig oft wiederholen. Dabei handelt es sich nicht um ein bekanntes Spiel wie Schach oder Mühle, sondern um ein neues Spiel mit eigenen Regeln. Geplant ist, dass man diese Spiele auch online gegen andere spielen können wird, bisher ist dieses Feature aber noch nicht umgesetzt.

Sprache und Technik

Die Sprachausgabe ist englisch, für die bisherigen Episoden liegt aber auch eine deutsche Übersetzung in Form von Untertiteln vor. Dabei sind auch Bildschirmtexte (z.B. die vielen Dokumente) übersetzt. Fährt man mit dem Mauszeiger über eine Textstelle, wird diese hell hinterlegt und die dazu gehörige Übersetzung angezeigt.

Erfreulich ist auch, dass die Entwickler auf die Wünsche der Spieler eingehen. So wurde die erste Episode zunächst mit einer Online-Aktivierung freigeschaltet, was auf Proteste gestoßen ist. Bereits in der zweiten Episode wurde diese durch einen Freischaltcode ersetzt, sodass man seine Kopie nicht nur auf einem Rechner installieren kann. Bis jetzt fehlt ärgerlicherweise auch noch eine Funktion zum Speichern des Spielstandes – Agon startet immer an der zuletzt erreichten Position. Möglicherweise wird aber auch dieses Manko in zukünftigen Episoden behoben.

Fazit

Ein mutiges Experiment, was das junge Team aus Ungarn da wagt. Das Vertriebsmodell ist mindestens gewagt, vielleicht sogar etwas leichtsinnig, bedeutet es doch, dass das vollständige Spiel nach zwei Jahren knapp 130 Dollar gekostet haben wird. So abschreckend dies zunächst klingen mag: Zum einen ist zu vermuten, dass das Gesamtwerk deutlich länger sein wird als ein gewöhnliches Adventure, zum anderen muss man ja auch nicht alle Teile kaufen. Das beste ist wohl, ein oder zwei Episoden Probe zu spielen, und dann selbst zu entscheiden, ob man auch bei der ein oder anderen zukünftigen Episode zuschlagen wird.

Qualitativ kann Agon nicht mit den Großen des Genres mithalten, einen eigenen Stil und die überzeugende Rekonstruktion der Stimmung um die Jahrhundertwende kann man dem Spiel aber zuschreiben. Positiv ist auch, dass die Entwickler nicht stur ihr Konzept verfolgen, sondern auch auf die Wünsche von Spielern eingehen. Wer sich durch diesen Test, der auf den ersten beiden Episoden beruht, angesprochen fühlt, sollte ruhig eine Episode ausprobieren und selbst entscheiden. Das Potenzial ist jedenfalls da, das zukünftige Episoden besser werden.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Agon ist auf jeden Fall ein interessantes Projekt. Einige Rätsel sind etwas misslungen, andere wiederum sehr interessant. Mir persönlich war speziell die erste Episode etwas zu ruhig und die Geschichte wurde zu sehr durch Briefe und Bücher erzählt, atmosphärisch halte ich es aber für gelungen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Neuartiges Konzept
  • Überzeugende Atmosphäre
  • Schöne Musik
  • Teils schlechte Rätsel
  • Grafik manchmal etwas detailarm
  • Viel lesen, wenig reden