Der in Kaarst ansässige Publisher bhv war bisher nur für Applikationen und Puzzle- oder Actionspiele bekannt. Mit "Der verborgene Kontinent", dem deutschsprachigen Release von "Journey to the Center of the Earth" von Frogwares wagt sich bhv nun in den Vertrieb von Adventurespielen.
Die Journalistin Ariane landet während einer Fotoexpedition nach Eisland auf einem Fels des Sneffels Vulkans und entkommt einem plötzlich einsetzenden Steinhagel, der ihren Helikopter vollkommen zerstört. Auf der Suche nach dem Piloten entdeckt Ariane per Zufall den Zugang zu einer unterirdischen Welt, deren Bewohner seit Jahren von der Erdoberfläche isoliert leben. Umso weiter sie in diese faszinierende Welt eindringt, desto mehr erkennt sie eine große Gefahr für diese Welt und für sich selbst.
Das Spiel lehnt sich gekonnt an die alte Jules Verne-Saga "Reise zum Mittelpunkt der Erde" an und knüpft eine neue Geschichte um die von Verne beschriebene Welt. Man entdeckt mit Ariane zusammen eine fantastische Welt, die unter der uns wohlbekannten Erdoberfläche liegt. Die Geschichte entwickelt sich im Laufe des Spiels und es wird interessant und spannend.
"Der verborgene Kontinent" ist ein Third-Person-Adventure mit allem was man braucht: Ein Inventar am unteren Rand des Spiels, durch einen Klick bewegt sich Ariane und der Mauszeiger verändert sich über interessanten Stellen. Eine Sache fehlt und dies ist manchmal recht hinderlich: eine "Betrachte"-Funktion. Sowohl Objekte in der Spielwelt als auch Inventargegenstände werden meist mit nicht mehr als kurzen Stichworten bedacht, was bei dem ein oder anderen Gegenstand zu Verwirrungen in der Bedeutung des jeweiligen Objektes führt.
Das "Add-on" des Notebooks, welchen Ariane immer mit sich trägt, und welcher durch ein E-Mail-System (woher diese E-Mails unter der Erde auch immer herkommen mögen...) ähnlich wie Kate Walkers Handy in "Syberia" einen zweiten Erzählstrang bedient, ist jedoch gelungen und erfreulich stabil und sauber. Auch sonst ist das Spiel während der Tests kein einziges Mal abgestürzt.
Das Grafiksystem ist dem von "Syberia" nachempfunden: Auf vorgerenderten Hintergründen laufen 3D-Realtime-Charaktere herum. Die Hintergründe sind detailliert und schön gerendert, auch ein wenig mehr Animation als bei "Syberia" ist zu erkennen, aber wiederum doch zu wenig, um vollständig den Eindruck des sterilen, starren von ihnen zu nehmen. Die Polygon-Charaktere sind ebenfalls detailliert und wirken nur wenig kantig. Eine "Anti-Alias"-Funktion ist zwar im Optionen-Menü vorhanden, hat aber in unserem Test nicht viel bewirkt, die 3D-Kanten wirken aber auch selten störend. Auch die bei 3D-Umgebungen häufig zu beobachtenden Clipping-Fehler und Ungereimtheiten im Zusammenspiel mit dem Hintergrund sind bei "Der verborgene Kontinent" wenig zu finden.
Die Cutscenes im Spiel sind komplett vorgerendert. Teilweise sind den Programmieren hier kleine Fauxpas unterlaufen: In einem Bild will Ariane einen Dinosaurier streicheln. Dieser läuft auf einer Straße immer hin und her. Daher ist die Position des Dinosauriers in der Cutscene und im Spiel selber teilweise unterschiedlich. Dies ist keinesfalls als störend anzusehen, es trübt nur den Eindruck einer komplett runden Grafikumgebung.
Auch hier kann man klare Parallelen zu "Syberia" ziehen. Die Musik ist hymnenartig komponiert und spielt hier und da manchmal ins Geschehen. Die Harmonien sind schön und gehen ins Ohr, leider taucht die Musik viel zu selten auf und unterstützt nur die ein oder andere Cutscene.
Der Sound ist angepasst und - ebenso wie die Musik - rar gesät. Nicht jede Aktion wird mit dem passenden Geräusch unterlegt. Die Stimmen der Sprecher sind gut zu verstehen, passen zu ihren Charakteren und fügen sich gut ins Allgemeinbild ein.
Sowohl das Handbuch als auch die Spieltexte sind komplett in deutsch. Mal abgesehen von ein paar kleineren Tippfehlern wirkt die Übersetzung rund und vollständig. Die Stimmen der Charaktere sind passend gewählt und wirken nicht starr oder ungelenk.
Hier verbirgt "Der verborgene Kontinent" seine wahren Schwächen. Zum einen gibt es Logik- und Inventarrätsel, die alle möglichen Schwierigkeitsstufen durchlaufen (das Torrätsel ziemlich am Anfang des Spiels habe ich immer noch nicht ganz verstanden) und relativ gut ins Spiel passen. Auf der anderen Seite findet man bei "Der verborgene Kontinent" auch viele viele Pixelhunting-Rätsel und Rätsel in der Form "Hey, geh noch mal 40 Screens zurück, da gibt es jetzt ein Objekt, was du vorher noch nicht nehmen konntest". Hierzu kommt noch der Umstand, dass die Entwickler etwas inkonsequent bei der "Lauflänge" der Screens waren. Bei manchen Bildern kann es sein, dass schon nach wenigen Metern der Bildschirm wechselt, bei anderen wiederum kann es sein, dass man bis zu 10, 15 Sekunden warten muss, bis Ariane die Meter durch den Bildschirm gemacht hat, und dies trotz Laufmodus, welcher sich über einen Doppelklick einschalten lässt. Dies kann dazu führen, dass man manchmal eine Minute nur damit verbringt, ein Objekt zu holen, welches man vorher noch nicht aufnehmen konnte.
Auch wird dem Spiel hier das vorher schon beschriebene Fehlen von Objekterklärungen zum Verhängnis. Hinter manche Lösung für ein Rätsel kommt man einfach nicht, weil einem der Sinn eines bestimmten Objekts nicht ganz klar war.
Diese ganzen Umstände erhöhen den Schwierigkeitsgrad, aber leider auch den Frustrationsgrad.
Ein Spiel, welches so viele Anleihen bei "Syberia" macht, muss damit rechnen, auch mit seinem Vorbild verglichen zu werden. Obwohl sehr gute Ansätze, vor allem im Bereich der Grafik und des Sounds vorhanden sind und auch die Story wirklich interessant ist, erreicht es bei weitem nicht die Maßstäbe, die "Syberia" gesetzt hat. Vor allem schlägt der beschriebene künstlich hohe Schwierigkeitsgrad eine tiefe Kerbe in die ansonsten runde Vorstellung. Wenn an diesem Schwachpunkt noch ein wenig gearbeitet wird, wäre gegen eine Fortsetzung oder eine neue Story hingegen nichts zu sagen.
Der Start von bhv in das Publishing von Adventures ist mehr als gelungen. Sie haben ein relativ gutes Spiel vorgestellt und dies auch gut vermarktet, wie es aussieht. Frogwares führt seine Reihe von Adventures, die sie mit der Sherlock-Holmes-Reihe begonnen haben, konsequent fort. Die Story und die Grafik überzeugen, nur am Puzzledesign muss bei Frogwares noch gearbeitet werden.
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