Test

von  Jan "DasJan" Schneider
09.11.2003
Informaticus
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Die Lernadventures von Heureka Klett ("Physicus", "Biolab"...) gehören wohl mit zu den renommiertesten Lernspielen überhaupt. Während die Firma jetzt mit ihren Lern-Strategiespielen ein neues Genre erschließt, geht sie mit vier weiteren Adventures gleichzeitig auch in „unserem“ Genre in die Offensive. "Informaticus", "Physikus – Die Rückkehr", "Geograficus" und "Historion – Babylons Fluch" heißen die Spiele, die entsprechenden Fachrichtungen sind nicht schwer zu erraten. In dieser Besprechung haben wir uns das erste davon vorgeknöpft...

Die Story

Informaticus spielt auf einer verlassenen Insel, auf der eine archäologische Sensation entdeckt wurde: Die Überreste einer 7000 Jahre alten, völlig unbekannten Zivilisation, die schon über eine erstaunlich fortgeschrittene Informationstechnologie verfügten. Als Spieler schlüpft man in die Rolle des Neffen von Grabungsleiter Jacques Moreau, der eigentlich nur seinen Onkel besuchen und ihm dabei zusehen will, wie sein Team wertvolle wissenschaftliche Entdeckungen macht. Doch kommt alles ganz anders.

Zwei Artefakte sind auf dem Weg ins Museum verschwunden und als neutrale Person bekommt man zu Beginn des Spiels den Auftrag, diesen Diebstahl aufzuklären. Der Täter muss Teil der Expedition sein. Während man ein Mitglied der Expedition in einem unterirdischen Stollen besuchen will, stürzt die Decke ein, der Sprachexperte verschwindet hinter den Trümmern und man selbst entgeht nur knapp dem Tod. Schnell findet man heraus, dass es sich um Sabotage gehandelt haben muss und ab sofort gilt es, den Fall aufzuklären – und ständig an die verschwundenen Artefakte zu denken.

Der Paläontologe mir der Rohrzange im Billardzimmer

Das Gameplay setzt sich im Wesentlichen aus zwei Elementen zusammen: Der zeitlich deutlich kleinere Teil besteht darin, sich immer wieder mit Mitgliedern der Expedition zu unterhalten und sich so wie ein Detektiv das komplexe Beziehungsgeflecht der Wissenschaftler untereinander aufzudecken mit dem Ziel, die Ereignisse vor dem Einsturz des Stollens genau zu rekonstruieren. Die vielen Dialoge sind dabei durchaus gut gemacht und wirken meistens ungekünstelt. Nur manchmal verwundert es etwas, dass man einem Wissenschaftler zunächst dabei helfen muss, eine Tür zu öffnen, bevor er einem Fragen zu der aktuell viel wichtigeren Sabotage beantwortet. Insgesamt lockern diese investigativen Einlagen das Spiel dadurch auf, dass sie einen Kontrast zu den schweren Logikrätseln (siehe unten) darstellen und man auch als Spieler stets mitraten kann, wer denn nun der Maulwurf im Team ist.

Der zweite Rätseltyp ist wesentlich zeitaufwändiger und bildet den Hauptteil des Adventures: Knallharte Logik! Informaticus ist, wie der Name schon sagt, ein Informatik-Lernspiel und eine ganz wichtige Grundlage der Informatik ist die Logik. Und so ist das Spiel getränkt mit einem solchen Rätsel nach dem anderen. Das reicht von Textaufgaben Marke p.m. Logiktrainer über das Entschlüsseln von Codes welcher Art auch immer bis hin zu komplexen Aufgaben mit logischen Schaltkreisen. Das ist zwar die optimale Therapie für all die, die gerne CPUs mit Bleistiften anmalen und Ventilatoren mit bunten Leuchtstoffröhren verzieren und sich dabei schon für „Informatiker“ halten, macht das Spiel insgesamt aber relativ einseitig.

Dazu kommt der immense Schwierigkeitsgrad. Informaticus ist so knüppelschwer, dass man schon ein kleiner Einstein sein muss, um ohne Lösung (die übrigens Ende November für knapp 8 Euro zu haben ist) das Ende des Tunnels zu erreichen. Wegen der hohen Konzentration der Logikrätsel dürften die meisten irgendwann auch einfach die Motivation verlieren, sich für jedes neue Problem wieder die nötige Arbeit zu machen. Als Altersempfehlung „ab 12“ auf die Packung zu schreiben grenzt da an eine Frechheit – frühestens wenn man ernsthaft über ein Informatikstudium nachdenkt und allgemein viel Spaß an Denkaufgaben hat, dürfte man sich mit dem Spiel halbwegs anfreunden können.

Steuerung

Spielerisch macht Informaticus keine Probleme. Man steuert schrittweise aus der Klett’schen Ich-Perspektive und kann mit dem Mauszeiger bestimmen, wo man hingehen oder was man benutzen will. Es ist dabei immer recht klar wo man hingehen kann und die Schritte sind klein genug, um nicht den Überblick zu verlieren. Auch wenn Klett immer noch nicht die Möglichkeit eingeführt hat, sich an jedem Punkt um 360° umzusehen, fühlt man sich bald in der Spielwelt zu Hause und verläuft sich kaum.

Das grafische Interface kann am unteren Bildschirmrand aufgerufen werden. Es bedeckt etwa den halben Bildschirm und besteht aus mehreren Seiten. Diese enthalten dann z.B. das Inventar, die schon besuchten Orte, Personen oder einen Notizzettel. Dasselbe Menü öffnet sich auch während Dialogen und dient dazu, die Gesprächspartner auf die entsprechenden Themen anzusprechen. Bis auf ein paar Kleinigkeiten – das Scrollen funktioniert z.B. nicht sehr glatt – ist das Interface gut gelöst und zudem ansehnlich gestaltet.

Diashow vom Feinsten

Grafisch liefert Klett die gewohnte Qualität. Alle Bilder sind vorgerendert und äußerst schön anzusehen. Schade nur, dass die Bildschirmauflösung nicht umgeschaltet wird und so bei großen Monitoren ein breiter schwarzer Rand um die mittleren 800x600 Pixel entsteht. Manchmal wirken die sehr guten Grafiken leider auch etwas wie eine Diashow, da zwar Dinge wie Wasser, Rätsel und die Charaktere animiert sind, sich dazwischen aber in vielen Bildschirmen gar nichts bewegt. Gerade Bäume und Pflanzen, die sich nicht mit dem Wind bewegen, wirken so etwas starr. Die vorgerenderten Zwischensequenzen sind jedoch wieder zu loben: Zwar passiert dort meistens relativ wenig, die Bilder folgen aber der hohen Qualität der Ingame-Hintergründe.

Auch der Sound weiß zu überzeugen. Realistische Geräusche begleiten die mechanischen Rätsel und ambiente Stimmung lässt einen in der Spielwelt versinken. Und im richtigen Moment begleitet einen dann auch atmosphärische, wenn auch nicht besonders ohrwurmverdächtige Musik in die dunklen Stollen und mystischen Hinterräume des Spiels.

Cogito Ergo Sum

Doch was wäre ein Lernadventure ohne Lernteil? Wie auch schon bei den anderen Heureka-Titeln ist an das eigentliche Spiel auch wieder ein umfangreicher Lernteil angeschlossen, den man leicht erreichen kann. Von vielen Rätseln kann man sogar direkt in das Kapitel springen, mit dessen Hilfe das Rätsel zu lösen ist (oder auch nicht). Grundsätzlich ist diese Hälfte von Informaticus in sieben große Kapitel eingeteilt: Informationsdarstellung, Programmierung, Computer, Datenspeicherung, Datenkommunikation, Datensicherheit und Multimedia. Diese sind wieder in zwei Ebenen unterteilt und jedes Mini-Kapitel enthält dann 1-8 Seiten.

So kommen insgesamt viele hundert Seiten zusammen, die so umfangreiche Informationen enthalten, dass man sich entschlossen hat, die Texte dieses mal nicht vorlesen zu lassen. Kein Thema wird wirklich tief und mathematisch behandelt, man darf auch nicht erwarten, dass man nach der Lektüre programmieren kann, dafür erhält man einen extrem breiten und sehr umfangreichen Einblick in die Grundlagen der Informatik. Der Stoff wird sehr behutsam aber bestimmt vermittelt und ist nicht nur für Studienanfänger interessant, sondern auch für jüngere Informatikinteressierte geeignet – umso unverständlicher der extreme Schwierigkeitsgrad der Rätsel.

Wie üblich gibt es auch wieder einige interaktive Seiten, in denen man selbst etwas ausprobieren kann. Dazu kommt am Ende vieler Kapitel eine Seite mit drei Multiplechoice-Fragen, in denen man sein gerade erlangtes Wissen gleich überprüfen kann. Das aber natürlich völlig freiwillig und nicht oberlehrerhaft. Nur der kleinste Teil dieses Bereichs wird übrigens für das Spiel benötigt – es kann sich also durchaus lohnen, den Lernteil unabhängig vom Spiel durchzuarbeiten. Durch die angenehme Aufmachung und das leserfreundliche Niveau fühlt man sich dabei nicht wie in der Schule und findet den Spaß an der Informatik. Hier hätte man sich vielleicht noch eine stärkere Vernetzung von Lern- und Adventureteil gewünscht.

Nichts für Warmduscher

Informaticus ist kein schlechtes Spiel. Die Grafik ist gut, die „Wer ist der Maulwurf“-Story für ein Lernspiel gelungen und die Rätsel machen anfangs noch Spaß. Zwar fragt man sich, warum die völlig Fremden Schriftzeichen einer 7000 Jahren alten Kultur 1:1 in die deutsche Sprache zu übersetzen sind, aber das edukative Anliegen macht halt Einbußen im Spielteil notwendig. Nur ist denn keinem Betatester aufgefallen, dass das Spiel viel zu schwer ist? Der mörderische Anspruch und die sehr hohe Konzentration der Logikrätsel lässt irgendwann jedem Spieler die Luft ausgehen und irgendwann will man nur noch (egal wie) das Ende sehen oder gibt schlichtweg auf. So macht das Spielen keinen Spaß mehr. Informaticus ist definitiv nicht für Kinder geeignet und nur für jemanden zu empfehlen, der harte Logik nicht ablehnt. Schade eigentlich, denn der Lernteil ist wieder mal sehr gut gelungen und macht Freude auf die Informatik.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Puh! Ich als Informatikstudent war natürlich am Thema interessiert und war anfangs auch nicht von den Logikrätseln abgeschreckt. Diese treten aber so häufig auf und sind so schwer, dass auch mir irgendwann die Luft ausgegangen sind. Gute Ansätze, guter Lernteil - aber nächstes mal bitte leichter...

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Toller Lernteil
  • Schicke Standbilder
  • Ausgereifte Technik
  • Viel zu schwer!
  • Wenig Animationen
  • Einseitiges Gameplay