Sentinel ist das aktuelle Spiel aus der Schmiede Detalion, die schon mit Schizm und Schizm 2 von sich hören ließen. Für die ersten beiden Spiele war die Kritik mittelmäßig bis gut. Zielgruppe von Sentinel sind wie auch bei den ersten beiden Spielen die Myst-Spieler. Und - wie in Schizm 2 - wird diese Zielgruppe in 3D-Realtime angesprochen.
Ganze 1900 Jahre schickt uns Detalion mit Sentinel in die Zukunft, das sind ein paar Jahre mehr als die Zivilisation der Tastan überlebt hatte. Das Einzige, was die Tastan den neuen Menschen überlassen haben, sind Grabstätten, die sogenannten "Tastan-Höhlen", 85 an der Zahl. In der Zeit, in der Sentinel spielt, hat sich eine Art Volkssport entwickelt, der daraus besteht, es den alten Grabräubern in Ägypten nachzumachen und die Tastan-Höhlen um ihre Reichtümer zu erleichtern.
Beni, so der Name des Protagonisten, ist so ein Grabräuber und hat schon einige Grabhöhlen durchforstet. Doch vor einer Höhle macht auch er halt: das mysteriöse Grab Nummer 35. Viele haben versucht, auch dieses Grab auszurauben, doch nur einer hat es geschafft: der legendäre Ramirez.
Im Leben wäre Beni nicht in diese Höhle gestiefelt, wären da nicht zwei Kriminelle, die Benis Schwester Carrie entführt haben und ihn nun dazu zwingen, ihnen die Schätze des Grabes Nummer 35 zu bringen, ansonsten würde Carrie getötet. Also bleibt Beni nichts anderes übrig, als seinen Mut zusammenzunehmen und den Lift hinunter in das kerzenerleuchtete Grab Nummer 35 zu nehmen. Und dort wartet schon der Sentinel.
Anscheinend hat Detalion ein wenig zu oft mit Cyan zusammengesessen, denn dass Sentinel sehr an Uru erinnert, ist unverkennbar: Ein weißer Kreis führt uns als Cursor durch Realtime-3D-Welten, durch die wir durch ein Drücken der rechten Maustaste durchwandern. Die Maus gibt dabei die Richtung vor. Als Alternative lässt sich hier auch die eher von Shootern bekannte Tastatur-Steuerung durch die Tasten a,w,s und d benutzen. Kommt unser Mauszeiger vor etwas Interessantes, füllt sich der weiße Kreis und wir können mit der linken Maustaste klicken. Auf Hotspots wird dankenswerterweise schon aus ein paar Metern Entfernung durch Pfeile hingewiesen.
Der Nachteil für Detalion: Nun muss sich ihr Spiel auch in gewissem Maße mit Uru messen lassen. Nun ist ja das Uru-System nicht eins der Schlechtesten. Was an Uru nur immer sehr gestört hatte waren die langen Ladezeiten zwischen den einzelnen Welten. Dies ist bei Sentinel hingegen nicht der Fall. Ein Weltenwechsel dauerte nie länger als knapp acht Sekunden. Dafür sind natürlich die bei Sentinel enthaltenen Welten nicht so detailliert und umfangreich wie bei Uru. Trotzdem ist das eine Art Pluspunkt für das Spiel.
Die Story des Spiels entwickelt sich am Anfang von einer typischen Grabräuber-Story über eine technisch hochentwickelte SciFi-Geschichte bis zu einer philosophischen Abhandlung. Obwohl dieser Bogen sehr hart aussieht, schafft es Sentinel, immer interessant zu sein. Man möchte endlich erfahren, warum Beni wirklich im Grab 35 ist und was mit den Tastan geschehen ist.
Die Grafik des Spiels ist, wie gesagt, Realtime-3D. Wir durchwandern mehrere fantastische Welten à la Myst. Dass wir hier bei der Gestaltung der Welten nicht eine Qualität wie bei Uru erwarten können, ist klar. Dennoch weiß Sentinel mit interessanten Bauten und Grafiken aufzuweisen. Die Qualität ist allerdings eher die eines mittelmäßigen Ego-Shooters als die eines hochwertigen Adventures. Als einzige Person im Spiel wird der Sentinel gezeigt, der als Gegenspieler zu Beni gilt und ihn immer in philosophische Dialoge verstrickt. Dieser Sentinel ist eine hübsch modellierte Polygon-Frau, die vom Aufzug her perfekt in die 20er Jahre passen würde. Die Cutscenes, die eigentlich immer aus den Dialogen zwischen Beni und dem Sentinel (namens Tamara) bestehen, sind direkt in das Spielgeschehen eingebaut, interessant und nett anzusehen.
Die Soundkritik besteht ja immer aus den beiden Teilen "Soundeffekte" und "Musik". Dies ist bei Sentinel ein zweischneidiges Schwert. Wohingegen die Soundeffekte zum Spiel passen und dabei helfen, die Atmosphäre aufzubauen, lässt die Musik doch etwas zu wünschen übrig. Wenn man einmal Musik hört, ist dies nicht mehr als ein paar atmosphärische Töne, die abklingen. Ein richtiger Soundtrack ist nicht zu vernehmen. Und gerade dies hätte dem Spiel noch die nötige Würze gegeben. Jedoch lässt sich noch - neben den Soundeffekten - ein zweiter Punkt als Lob hervorheben: die Sprachausgabe. Hierbei sind die Sprecher passend gewählt und man hört ihnen an, dass sie nicht das erste Mal vor dem Mikro stehen. Allerdings muss man bemerken, dass außer in den Zwischensequenzen und dann auch nur zwischen den beiden Hauptcharakteren gesprochen wird.
Sentinel ist, wie eingangs erwähnt, ein Myst-artiges Spiel. Demnach ist auch die Rätselkost entsprechend eingeschränkt. Es gibt kein Inventar (gut, es gibt ein Inventar, in dem man die sechs Kristalle aufsammeln kann, die man während der Reise findet. Davon aber mal abgesehen.) und die Rätsel bestehen größtenteils aus Maschinen- und Zuordnungsrätseln. Die Rätselvielfalt ist dabei nicht allzugroß. Es gibt im ganzen Spiel nicht mehr als zwanzig Rätsel und die sind mir fast alle doch relativ leicht von der Hand gegangen. Daher sitzt der Adventurespieler, der schon den ein oder anderen Myst-Teil durchgespielt hat, lediglich knapp 7 Stunden vor dem Rechner bis er die Endszene sieht. Das ist ein wenig karg. Man merkt, dass die Entwickler eher die Story vorantreiben wollten, als den Spieler mit Rätseln aufzuhalten.
Grundsätzlich ist an dem Spiel nicht viel auszusetzen. Man darf nicht allzuviel erwarten, es ist qualitativ gesehen eher mittelmäßig, allerdings macht die durchaus interessante, philosophisch-angehauchte Story ein paar qualitative Schwächen wieder wett. Von daher ist von diesem Spiel sicher nicht abzuraten, empfehlenswert ist es allerdings nur für Myst-Fans.
Es ist schön zu sehen, dass Detalion immer sehr der Story zugewandt ist, wenn es ein Spiel gestaltet. Das freut mich als Fan von Story-lastigen Spielen. Allerdings ist Sentinel nicht mehr als ein Spiel für die Mittagspause. Ein großes, episches Adventure ist es nicht.
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