Er ist wieder da: George Stobbart wurde schon auf dem Abstellgleis der Adventurewelt vermutet, da kündigten Revolution und THQ unvermittelt den vierten Teil der Serie an. Nach Der schlafende Drache hatte Chefrevoluzzer Charles Cecil sich praktisch aller Mitarbeiter entledigt und keinen weiteren Teil seiner Abenteuerreihe mehr geplant. Die Pläne änderten sich und der Entwickler Sumo Digital wurde mit der Produktion des neuen Baphomets Fluch beauftragt.
Der Engel des Todes, so der Name des neuen Spiels, schließt nicht direkt an den Vorgänger an. Im Gegenteil, einiges scheint passiert zu sein im Leben des Helden. George Stobbart arbeitet inzwischen in einem heruntergekommenen Teil der Stadt bei einem ebenso heruntergekommenen Kautionsbüro und ist völlig pleite. Nicht einmal der Pizzaladen will ihn beliefern, solange er seine Schulden nicht begleicht.
Da steht plötzlich die blonde Schönheit Anna-Maria in Georges Büro. Bevor die ihr Anliegen erklären kann, stürmen aber bereits finstere Mafiaschergen das Gebäude und Anna-Maria kann gerade noch die Tür verbarrikadieren, bevor die ungebetenen Gäste eindringen. In diesem Moment schlüpft zum ersten Mal der Spieler in die Rolle der Hauptfigur und muss nun durch diverse Hinterausgänge und das verfallene Gebäude nebenan flüchten, während die Mafiosi an Türen rütteln und Gassen bewachen.
Dabei erfährt man, worum es eigentlich geht: Anna-Maria befindet sich im Besitz eines mittelalterlichen Manuskriptes, das angeblich den Weg zu einem Schatz weisen soll. Diesen abenteuerlichen und gut bezahlten Job will George natürlich nicht an sich vorbeiziehen lassen und so begibt er sich mit der Auftraggeberin auf eine weitere Reise rund um den Globus. Bald findet er sich im Kreuzfeuer zwischen Mafia, Vatikan und türkischem Geheimdienst wieder und wie sehr sollte er überhaupt seiner blonden Begleiterin trauen?
Groß war der Aufschrei, als in der ersten Ankündigung noch keine Rede von Nico war, Georges Lieblingsjournalistin aus den ersten Teilen. Offenbar haben sich die Entwickler hier einen Spaß daraus gemacht, die Fans in die Irre zu führen. Nico ist auch in diesem Spiel wieder mit von der Partie, wenn auch nich von Anfang an. Etwa ab der Mitte des Spiels unterstützt sie George bei seinen Anstrengungen, neckische Sprüche zwischen den beiden inklusive.
Die Tempelritter sind, wie sollte es anders sein, auch wieder ein Thema. Wem davon inzwischen die Ohren bluten, der sei beruhigt, denn die Story von Baphomets Fluch 4 auf "Suche Schatz der Tempelritter" zu reduzieren wäre falsch. Die Templer verlieren im Spielverlauf immer mehr an Bedeutung, stattdessen bekommt die Story Dan-Brownsche Züge und wird vielschichtiger, als man das von manch einem Konkurrenzprodukt gewöhnt ist.
Kurz ist das Spiel jedenfalls nicht, ohne Lösung werden die meisten wohl deutlich über 10 Stunden benötigen. Die Spieldauer wird aber nicht nur durch eine große Spielwelt erreicht, sondern auch dadurch, dass viele Animationen und Dialogzeilen nicht abgebrochen werden können und man sich manches mehrfach anhören muss, ohne die Möglichkeit einer Abkürzung zu haben. Wer sich beim Spielen sowieso zurücklehnt und die Figuren machen lässt, wird davon eher wenig bemerken, wer gerne mal Dialoge verkürzt oder die Doppelklick-Funktion auf Ausgänge gewöhnt ist, der wird genervt sein. Laufwege sind zwar in der Regel kurz, werden gelegentlich aber von nicht überspringbaren Kletterpassagen in die Länge gezogen.
Wie in den letzten Jahren häufiger zu sehen war und auch schon beim Vorgänger anklang reiht sich Baphomets Fluch 4 in die Reihe der Spiele ein, die in ihrer Inszenierung weniger an klassische Adventures, sondern mehr an Filme erinnern sollen. Mit vielseitigen Kamera-Einstellungen und regelmäßigen Schnitten in Dialogen und selbstablaufenden Sequenzen gelingt dieses Ziel weitreichend. Ab und zu kommt es in Zwischensequenzen leider vor, dass Figuren scheinbar recht beteiligungslos in der Gegend herumstehen und nicht die physische Reaktion zeigen, die man erwarten würde. Anders als bei Titeln wie Fahrenheit oder Dreamfall wurden keine Kompromisse bei den Rätseln gemacht. Diese decken von leicht bis knackig ein breites Spektrum ab.
Auf Sokoban-ähnliche Kistenschiebereien haben die Entwickler dankenswerterweise fast vollständig verzichtet, Schleichpassagen gibt es allerdings nach wie vor in größeren Mengen. Dabei gilt es, unauffällig an verschiedenen Wachen vorbeizukommen. Wird man entdeckt, muss die Situation von neuem gespielt werden, viel Zeit geht dadurch nicht verloren. Diese Szenen bremsen den Spielfluss meist mehr, als dass sie für Spielspaß sorgen.
Eine besondere Rätselsorte wird durch den PDA ins Spiel gebracht, den George bei sich trägt. Damit kann er sich in Computersysteme einhacken, wobei ein "Datenstrom" mit Spiegeln auf dem richtigen Weg zum Zielort geführt werden muss. Realistisch ist das nicht, aber gelegentliche eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Inventarrätseln. Mit Hilfe von Anna-Marias schickem Mittelalter-Manuskript gilt es außerdem einige Logikrätsel in unterirdischen Katakomben zu lösen. Indiana Jones lässt grüßen.
"Point & Click ist tot," hatte Charles Cecil damals gesagt, um die problematische Tastatursteuerung in Baphomets Fluch 3 zu rechtfertigen. Jetzt lebt Point & Click offenbar wieder, zumindest darf der neue Titel wieder mit Maus gespielt werden. Leider ist der Versuch, Maussteuerung mit einer 3D-Welt und dynamsichen Kameras zu verbinden mehr schlecht als recht gelungen.
Da immer nur ein kleiner Teil der gesamten Szene zu sehen ist und die Kamera bei jeder Bewegung mitschwenkt kann man oft nicht direkt dorthin klicken, wo man eigentlich hin will, sondern muss ständig "nachklicken". Alternativ kann man auch die Maustaste gedrückt halten und den Mauszeiger dabei ständig in die Richtung schieben, wo George hinlaufen möchte. Man gewöhnt sich mit der Zeit auch an diese Steuerung, gelungen ist sie deswegen aber noch nicht. Wer lieber zur Tastatur greift, kann auch dies wieder tun.
Immerhin lässt sich das Inventar problemlos bedienen und die Interaktionen mit der Umgebung funktionieren - vorausgesetzt George bleibt auf dem Weg dorthin nirgendwo hängen.
Grafisch musste das Spiel schon viel Schelte einstecken und tatsächlich glänzt es hier nicht übermäßig. Zwar enthalten Szenen und Charaktere in der Regel mehr Polygone als noch beim Vorgänger, trotzdem wirken viele Stellen tostlos und unbelebt. Große, kahle Wandflächen und ständig wiederkehrende Elemente hinterlassen keinen glänzenden Eindruck.
Trotzdem gibt es zwischendrin immer wieder Stellen, die wirklich hübsch gelungen sind. Dank Effekten wie Schatten, Spiegelungen oder überstrahlendem Licht hat die Engine durchaus das Zeug dazu. Und die Tauben, die vor George weglaufen und durch die Gegend fliegen, tragen zur Belebung mancher Szenen bei.
Die Charaktere sind spürbar detaillierter als im Vorgänger und ihre Gesichter besitzen ein Animationssystem, das den Figuren Emotionen beibringen soll. Das gelingt in Zwischensequenzen ganz gut, ansonsten muss gewöhnliche Lippensynchronität ausreichen. Nur manchmal hat offenbar jemand zu viel an den Reglern herumgespielt und eine der Figuren zieht eine etwas seltsame Grimasse.
Als erstes Adventure unterstützt Baphomets Fluch 4 das amBX-System von Philips. Hier werden mit Lichtstimmungen und anderen Effekte die Geschehnisse aus dem Spiel auch in den Raum, in dem es gespielt wird, übertragen. Testen konnten wir diese Technik leider nicht.
Sehr gut gelungen ist die orchestrale Musik, die vielen Szenen Leben einhaucht. Im normalen Spiel ist sie zwar nicht immer zu hören, spätestens zur nächsten selbstablaufenden Sequenz trumpft sie aber wieder auf.
Die bekannten Figuren, insbesondere George und Nico, werden wieder von denselben Sprechern wie in Teil 1-3 gesprochen, was bei Kennern der Serie der Atmosphäre sehr zuträglich ist. Aber auch die anderen Sprecher liefern eine gelungenen Vertonung ab. Nur ab und zu fällt ein Schnitzer der Regie auf, wenn sich einer der Sprecher im Ton vergreift, und manchmal wirkt die Übersetzung seltsam. Insgesamt hat THQ aber für eine gute Lokalisation gesorgt. Erfreulich auch, dass sich das Spiel gleich in fünf Sprachen installieren lässt.
Baphomets Fluch 4 ist nicht besonders schön, die Point-&-Click-Steuerung ist nicht besonders geglückt und hier und da gibt es immer wieder mal ein Ärgernis: Trotzdem, so schlecht, wie er von manch einem enttäuschten Fan geredet worden ist, ist Der Engel des Todes nicht. Die spannende Geschichte motiviert bis zum Schluss, Musik und Sprachausgabe hauchen dem ganzen Leben ein und die Rätselkost ist ausgewogener als beim Vorgänger. Man darf einfach keinen fehlerfreien Toptitel erwarten, dann kann auch dieses Spiel unterhalten.
Schade, hier haben die Entwickler Potenzial verschenkt. Die Story war wirklich interessant und hat sich auch nicht so sehr am alten Templer-Thema aufgehangen wie befürchtet, auch der Verzicht auf Sokobahn-Einlagen war mir - trotz meiner Liebe zum Knobelklassiker - durchaus willkommen. Leider gab es immer wieder diverse Ärgernisse zu ertragen, die teilweise ohne viel Mühe zu vermeiden gewesen wäre.
Adventure-Treff-Verein
IBAN: DE38 8306 5408 0004 7212 25
BIC: GENODEF1SLR