Test

von  silly
13.06.2006
Dreamfall
Getestet auf
  • Windows
  • Xbox
, Sprache
  • Deutsch
  • Englisch
86%

The longest Journey

Es war einmal ein Mädchen mit Namen April, das schon früh von zu Hause auszog, um in Venice - Newport Kunst zu studieren. Doch merkwürdige Träume und Vorkommnisse machten aus der Kunststudentin eine Reisende zwischen zwei Welten mit einer ganz besonderen Aufgabe - der Aufgabe, das Gleichgewicht zwischen den Welten von Stark und Arcadia wiederherzustellen. Seitdem sind nunmehr zehn Jahre vergangen und offensichtlich hat sich seit der wunderbaren Weltenrettung einiges getan, zumindest lässt das der Anfang von Dreamfall - The Longest Journey vermuten und auch all diejenigen, die den ersten Teil nicht gespielt haben, werden schnell in den Bann der außergewöhnlichen Geschichte gezogen werden.

Zunächst findet man sich in der Metropole Casablanca im Jahr 2219 wieder und zwar in der Rolle von Zoë Castillo, einer jungen Frau, die sich nach Schule und einem begonnen Studium gerade in einer ziemlich lustlosen Phase ihres Lebens befindet. Sprich, sie kann mit sich und ihrer Umwelt bzw. ihren Mitmenschen nicht allzu viel anfangen. Von ihrem Freund Reza hat sie sich erst kürzlich getrennt und lebt nun mehr oder minder in den Tag hinein.

In diese lethargische Stimmung platzt auf einmal ein kleines Mädchen, das Zoë per Fernseher Botschaften zukommen lässt. Zunächst tut Zoë dies als Störungen im Fernsehprogramm ab und macht sich erst einmal auf den Weg zu ihrer Personal Trainerin, bei der sie eine Art Kickboxen trainiert – übrigens ein klug gewählter Einstieg, um das Kampfsystem von Dreamfall - The Longest Journey kennen zu lernen. Dabei kann man sich mit bestimmten Tastenkombinationen in Deckung begeben oder leichte und schwere Angriffe ausführen. Dieses wird sich im späteren Spielverlauf als sehr wichtig erweisen, kommt man doch nur mit einem Sieg über den ein oder anderen Gegner an bestimmten Stellen im Spiel weiter. Doch zurück zu Zoë und dem kleinen Mädchen, das ihr am Ende ihrer Sportstunde über einen eigentlich ausgeschalteten Fernsehapparat die Botschaft: „Finde April Ryan – rette sie!“ zuruft. Spätestens da merkt Zoë, dass nur sie gemeint sein kann und dass das kleine Mädchen offenbar nicht locker lässt.

Doch zunächst versucht Zoë ihrem ehemaligen Freund Reza zu helfen, indem sie ein Paket für ihn abholt. Und ab da ist sie auch schon im Strudel der Ereignisse gefangen und stellt fest, dass ihr Ex-Freund als Journalist wohl an einer ziemlich großen Sache dran gewesen sein muss, denn bei der Rückkehr von ihrem Botengang ist Reza plötzlich spurlos verschwunden.

Auf einmal ist Zoës Leben alles andere als langweilig, denn sie fasst den Entschluss Reza zu suchen und der geheimnisvollen Botschaft des kleinen Mädchens auf den Grund zu gehen.

Wiedersehen mit alten Freunden

Zoë ist übrigens nicht die einzige Figur, die man in Dreamfall – The Longest Journey steuern kann. Vielmehr schlüpft man auch (wieder) in die Rolle von April Ryan und in die von Kian – einem sogenannten Apostel, der als sehr gottesfürchtiger Mensch eine ganz eigene Mission in dem Spiel zu erfüllen hat. Zwischen diesen drei Protagonisten wird das Spielgeschehen aufgeteilt, wobei der Wechsel entweder am Ende eines Kapitels erfolgt, oder sehr geschickt bei einem zufälligen Treffen erfolgt.

Spielstätten und auch Nebenrollen aus dem ersten Teil der Dreamfall-Reihe kann man näher entdecken und kennen lernen. So sind zum Beispiel nicht nur "Die Brücken" wunderschön in Szene gesetzt, sondern auch das Wirtshaus in Marcuria kann vom Keller bis zum Dach erforscht werden. Manches Wiedersehen mit alten Freunden und sogar Feinden fällt überraschend aus, allerdings soll hier nicht zu viel verraten werden, nur soviel, die Figuren sind wunderschön animiert, wenn auch hier und da etwas fehlende Mimik zu bemängeln ist. Zudem haben die Figuren größtenteils wieder die gleichen Stimmen wie im ersten Teil.

Wer hat an der Uhr gedreht?

Es dauert nicht lange und man ist gänzlich in der Story von Dreamfall – The Longest Journey gefangen, denn die verschiedenen Erzählstränge der fantastischen Geschichte sind so raffiniert miteinander verwoben dass man unweigerlich mitten in die Story hineingezogen wird. Äußerst geschickt ist zudem der Übergang von einem zum anderen Hauptcharakter gelöst, so entsteht ein regelrechter Spielfluß, der es sehr schwer macht, sich vom Monitor zu lösen und mal eine Pause zu machen.

Das Spiel ist komplett in 3D gehalten, was das Spielerlebnis noch realistischer macht. Die Hauptfiguren sind allesamt sehr detailliert und liebevoll gestaltet, bei den Nebenfiguren fehlt es bisweilen, wie oben bereits erwähnt, an der Mimik, so dass sie im Sprechen und Agieren etwas hölzern wirken. Eine Augenweide wiederum sind die verschiedenen Locations, die egal zu welcher Jahreszeit man sie besucht nahezu echt auf dem Bildschirm wieder gegeben werden. Da rieselt der Schnee beschaulich auf Zoë oder man sieht beim Ankommen eines Schiffes, wie sich das Wasser sanft am Bug bricht. Leider fallen kleinere Fehler in so einer 3D-Umgebung dann besonders auf. So wurde einmal wohl vergessen, das Wasser bei einer Bootsfahrt zu animieren, oder auf dem Markt sieht man bei einigen Ständen deutlich, dass die Früchte als Foto über den jeweiligen Korb gelegt wurden. Oder dass die Figuren beim Laufen im Schnee keine Fußspuren hinterlassen, springt einem förmlich ins Auge. Letztlich sind das aber kleinere Macken, die dem Spielspaß keinen Abbruch tun.

Ohren auf

Nicht nur die deutsche Lokalisation bekommt man beim Kauf von Dreamfall – auch die englische Version ist als Zugabe noch auf der DVD enthalten. Und beide sind einzigartig gut. In der deutschen Version hat wieder einmal Stephanie Kindermann den Part von April übernommen, Zoë hat die Stimme von Marion von Stengel geliehen bekommen, welche auch Angelina Jolie synchronisiert. Insgesamt hat dtp mehr als 30 Synchronsprecher verpflichtet und damit einmal mehr hervorragende Lokalisationsarbeit geleistet. Einziger Wermutstropfen dabei ist die Inkonsistenz bei der Übersetzung. Viele Schlüsselwörter, die in dem Vorgänger noch auf deutsch zu hören/lesen waren, sind dieses Mal einfach gar nicht übersetzt worden. So ist nun der „Hüter“ ein „Guardian“, das „Gleichgewicht“ wird „Balance“ genannt und aus der witzig-eloquenten Krähe wird auf einmal „Crow“. Auch werden viele Sätze anders gesprochen, als sie im Untertitel erscheinen, aber das ist auch nur dann auffällig, wenn man aufmerksam mitliest.

Dialoge gibt es übrigens reichlich in Dreamfall – The Longest Journey und was sonst in Adventures eher langatmig und ermüdend wirkt, schafft hier den Spagat zwischen dem Schaffen einer einzigartigen Atmosphäre und dem Eintauchen in eine faszinierende Geschichte, die den Figuren nicht nur Leben sondern auch so etwas wie eine „Seele“ einhaucht. Innerhalb der Dialoge hat man des öfteren die Wahl sich beispielsweise für „Ja oder „Nein“, „Lüge“ oder „Wahrheit“ zu entscheiden. Doch ist diese Wahlmöglichkeit nur eine Scheinmöglichkeit, zwar hat man an mehreren Stellen unterschiedliche Antworten zur Auswahl, doch das Spielgeschehen oder gar der Ausgang der Geschichte wird dadurch nicht beeinflusst.

Was man allerdings wählen kann, ist die Art wie man die ein oder andere kniffelige Situation innerhalb des Spiels bewältigen kann.

Rätsel

So kann man zum Beispiel bei einem Besuch des Grenzhauses in Venice auswählen, ob man sich eher auf sein Kampfgeschick oder auf seine Schleich- und Versteckkünste verlassen will.

Ansonsten geht die Bandbreite der Rätsel von einfachen Kombinationsrätsel über „Schlösser-Knack-Rätsel“ bis hin zu „Lerne-die-Architektur-einer-Höhle-schnell auswendig-sonst-wirst-du-Monsterfutter-Rätsel“. Leider gibt es nicht allzu viele und vor allem nicht allzu schwere Rätsel, so dass geübte Adventure-Spieler die meisten Aufgaben wohl sehr schnell lösen können. Allerdings weiß man bei Dreamfall – The Longest Journey immer genau, was zu tun ist, so dass lästiges Umherirren oder langes Suchen komplett entfällt. Trotzdem ist die Rätseldichte und der Herausforderungsgrad derselben eher im einfachen Mittelfeld anzusiedeln. Das soll wohl durch die teilweise implementierten Action-Szenen kompensiert werden. An manchen Stellen kommt man lediglich mit seinen Fäusten, bzw. mit seiner Waffe weiter. In solchen Situationen wird dann automatisch in den "Kampfmodus" geschaltet, der in der linken oberen Bildhälfte den eigenen Gesundheitszustand; in der rechten oberen Bildhälfte den des jeweiligen Gegners einblendet. Ist der Balken des Gegners komplett rot hat man selber gewonnen, ist es dagegen umgekehrt, wird man automatisch an den Beginn der Kampfszene zurückversetzt und kann sein Glück nochmal versuchen. Für Neulinge auf dem Gebiet von Actionsequenzen kann dieses Feature sehr hilfreich sein, erfahrene Spieler werden aber mit dem Besiegen der Gegner keine Schwierigkeiten haben. Je nachdem wo man zu Beginn des Kampfes steht ist es übrigens etwas schwierig, den jeweiligen Hauptcharakter so zu manövrieren, dass er zugleich ausweichen, aber auch angreifen kann.

Steuerung

Gespielt wird gleichzeitig mit der Maus und mit der Tastatur oder nur mit der Maus. Bei der ersten Variante kann man sich per Maus umsehen, bzw. sich Dinge ansehen und das Inventar aufrufen. Mit den Tasten W A S D gibt man die Richtung vor. Außerdem kann man das Spiel mit dem Gamepad spielen, was wohl einige Spieler als einfacher empfinden. Dinge, die von Interesse sind, oder die man benutzen kann, werden mit einem kleinen grünen Rahmen hervorgehoben, der auch erst bei dessen Aufleuchten, den jeweiligen Hotspot aktiviert. Mir ist es allerdings mehr als einmal passiert, dass ich an einem wichtigen grünen Rahmen vorbeigestürmt und damit von einem fiesen Feind entdeckt worden bin.

Innerhalb des Inventars kann man per Mausrad die einzelnen Gegenstände auswählen - rechts und links erscheinen dann kleine Icons, die bei Anklicken entweder eine Beschreibung desselben oder eine Kombinationsmöglichkeit liefern. Kann man den Gegenstand anwenden, erscheint ein kleines Zahnrad oberhalb, das man ledliglich per Mausklick aktivieren muss, um den Gegenstand zu benutzen.

Richtig voll ist das Inventar übrigens nie, was ebenfalls dazu beiträgt, dass des Rätsels Lösung oft auf der Hand liegt.

When shall we three meet again?

Man kann nur hoffen, dass die großartige und fantastische Geschichte von April, Zoë und Kian bald weiter erzählt wird, denn das Ende von Dreamfall – The Longest Journey ist eigentlich gar kein Richtiges, sondern eine Art Schwebezustand, der mehr als nur eine Frage offen lässt.

Ragnar Tørnquist arbeitet übrigens im Moment auch an einem anderen Projekt als The Longest Journey 3. Ob und wann The Longest Journey 3 auf den Markt kommt, hängt vom Erfolg von Dreamfall ab. Auf jeden Fall wird es aber noch eine ganze Weile dauern, bis die Trilogie abgeschlossen wird

Egal, ob man nun den ersten Teil gespielt hat oder nicht, Dreamfall ist jedenfalls ein tolles Adventure für Einsteiger und für Fortgeschrittene. Kleinere Mängel sind in diesem Spiel zwar vorhanden, aber das schmälert den Spaß beim Spielen nur unwesentlich. Dreamfall – The Longest Journey ist mit Sicherheit ein guter Grund in diesem Sommer zu Hause vor seinem Rechner zu sitzen.

thumb
Die Konsolenversion Nach Baphomets Fluch 3 und Still Life usw. gibt es nun ein weiteres Adventure in einer Konsolenversion, dieses Mal jedoch ausschließlich für die Xbox (bzw. Xbox 360 mit aktuellem Emulator). Die PC- und Konsolenversion unterscheiden sich nur in der Steuerung und grafischer Hinsicht: bei der heimischen Konsole gibt es eine niedrigere Auflösung und unschärfere Texturen, diese fallen besonders in dunklen Szenen auf. Bedingt durch die größere Entfernung zum Fernseher sind die Symbole bei den „Hack-Szenen“ auch deutlich schwerer zu erkennen und man muss sich näher zum TV begeben. Erfreulich ist jedoch der optionale 16:9 Modus, die kinoreife Atmosphäre wird damit nochmals aufgewertet. Die Steuerung erinnert sehr stark an die gute Bedienbarkeit von Baphomets Fluch 3, die Ladezeiten zum Glück nicht: länger als 3-4 Sekunden wartet man bei keinem Szenenwechsel – sehr löblich! Insgesamt kann die Konsolenfassung mit der PC-Fassung gleichziehen, die Wahl liegt also zwischen Couch und Bürostuhl.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Ich hatte extra kurz vor dem Erscheinen von Dreamfall, den ersten Teil der Reihe rausgekramt, um ihn nochmal zu spielen. Just als der Abspann über meinen Monitor flimmerte, kam auch schon der Postbote mit dem Nachfolger, den ich wirklich sehnlichst erwartet hatte. Und was soll ich sagen? Ich war absolute positiv überrascht! Zunächst hatte ich ob der Steuerung und in Anbetracht der Tatsache, dass ich ein Greenhorn bin, was Action-Sequenzen angeht, einige Bedenken. Doch schon nach kurzer Zeit klebte ich buchstäblich vor meinem Monitor und habe die Geschichte in allen Zügen genossen. Ich muss zugeben, dass ich zwischenzeitlich sogar Tränen in den Augen hatte und mich an manchen Stellen der Schauer des Gruselns oder des Schönfindens ereilte. Trotz kleinerer Mängel, wie die Steuerung, teilweise fehlende Mimik oder fehlender Übersetzung ist Dreamfall eines der besten Adventures, das ich spielen durfte.
Nach dem Spielen von Dreamfall - The Longest Journey warte ich nunmehr umso sehnsüchtiger auf Teil 3 und hoffe, dass dieser in nicht allzu ferner Zukunft erscheinen wird.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • überragend gute Story
  • drei verschiedene Charaktere spielbar
  • sehr ausführliche Dialoge
  • sehr schöne Locations
  • schöne Aus- und Anblicke
  • englische und deutsche Sprachausgabe auf der DVD enthalten
  • sehr gute Lokalisation
  • Steuerung teilweise zu ungenau
  • zu wenige und zu einfache Rätsel
  • überflüssige Kämpfe
  • fehlende Mimik bei Nebencharakteren