Der kürzlich verstorbene Milliadär Duncan W. Adams war vielleicht ein alter Schlawiner! Hat er doch sein Testament glatt in einem seiner 35 Safes versteckt. Kein Wunder dass die Familie ganz scharf darauf ist, eben jene Safes knacken zu lassen, um endlich an den gewünschten Geldsegen zu kommen - und so engagieren sie kurzerhand einen professionellen Safeknacker: Uns.
Klingt nach einer langweiligen Geschichte? Nun, die ist es auch. Denn die Story steht bei Safecracker nicht im Vordergrund. Nach einem sehr kurzen Intro, in dem uns prinzipiell nur ein paar illustrative Zeitungsfetzen um die Ohren fliegen, stehen wir auch schon am Eingang der Villa. Der Auftrag ist klar: Alle Safes knacken und dabei endlich Opas letzten Willen finden. Das war´s von der Storyline eigentlich auch schon.
Man bewegt sich also in gewohnter Kheops-Manier ("Rückkehr zur geheimnisvollen Insel", "Reise zum Zentrum des Mondes") per Ego-Perspektive und Mausklicks durch das wirklich pompös gestaltete Anwesen des ollen Adams. Gesprächspartner oder komplexe Inventarrätsel sind dabei nicht zu finden. Das Öffnen der Geldschränke steht hier ganz klar im Mittelpunkt. Dabei hat jeder Safe seine eigene Knack-Methode: Die Rätsel gehen von einfachsten Puzzlespielchen bis hin zu komplexen Drehkombinationen. Auch der Schwierigkeitsgrad ist bunt gemischt. In der Regel lässt sich jeder Safe dabei in Form eines Minispielchens lösen, die -genau wie die Navigation im Haus- komplett per Maus gesteuert werden.
Meistens kann man mehrere Räume auf einmal besuchen und die darin enthaltenen Safes in beliebiger Reihenfolge öffnen. Möchte man tiefer in das Haus vordringen muss dafür meist ein komplexeres Türschloss umgangen werden, das erst nach dem "Knacken" einiger vorheriger Safes freigegeben wird. Ein Beispiel: Im Untergeschoss ist das Codepanel defekt, die notwendigen Einzelteile fehlen. Öffnet man nun einen der vorhandenen Safes finden sich darin verschiedene Utensilien, die man zur Reparatur des Panels verwenden kann. Sind alle notwendigen Safes geöffnet ist das Ziffernfeld komplett und es geht weiter.
"Safecracker: Das ultimative Puzzle Abenteuer" wird seinem Titel gerecht: Es ist in erster Linie ein Puzzlespiel. Doch auch wenn die Interaktion jenseits der Safes gering und die Geschichte hauchdünn ist - es hat immer noch den Ansatz eines Adventures: So lassen sich durchaus Gegenstände ins Inventar aufnehmen, um sie nach Hinweisen zu untersuchen oder später bei den Safes anzuwenden. Einige Safes sind sogar ausschließlich mit klassischen Kombinationsrätseln zu lösen. Viele optionale Hinweise wie Tagebucheinträge oder Briefe illustrieren zudem die Geschichte um Adams und seine Familie. Hin und wieder hätte man sich vielleicht häufiger mal ein Close-Up gewünscht, z.B. wenn im Museum zwar einige Schaukästen stehen, man den Inhalt so aber kaum erkennen kann.
Die sehr hübsch gerenderte Grafik wird einem modernen Adventure durchaus gerecht, leider herrscht auf den meisten Bildern absolute Bewegungsarmut. Hin und wieder hätte eine zusätzliche Animation wirklich nicht geschadet. Auch die spannungsgeladene Musik ist stimmig und versetzt einen schnell in die Lage eines gewieften Safeexperten. Wird sie einem auf Dauer zu eintönig kann man bei Safecracker allerdings immer nur den kompletten Ton abschalten. Die Soundkulisse jenseits der Musik ist aber ohnehin recht schlicht gehalten: Ein paar Klacks, Knocks, Pings und Zischs bei den Safes - das war´s dann aber auch schon.
Die deutsche Synchronisation ist dagegen eine regelrechte Zumutung. Während die englische Version durch den Einsatz einer sehr männlichen Stimme punkten kann, ist das Gequäke des deutschen Safecrackers kaum zu ertragen. Artikulation, Betonung, Pausen - absolut nichts haut bei dem Sprecher hin. Das ist umso bedauerlicher, da die Stimme (neben dem Intro) ja die Einzige ist, die wir im Verlauf des Spiels zu hören bekommen. Dazu kommen zahlreiche Schönheitsfehler - in der heutigen Zeit ist es z.B. nicht mehr notwendig, den englischen Familiennamen "Adams" in einem Adventure deutsch auszusprechen. Leider verbaut sich die deutsche Version damit das größte Potential, das Safecracker eigentlich zu bieten hat - nämlich den Atmosphärebonus. Machte in der englischen Version das Zuhören der ironischen Monologe noch richtig Spaß, wird man in der deutschen unentwegt daran erinnert, nur ein C-Produkt erhalten zu haben.
Dazu gesellt sich ein lächerlich überhöhter Preis von 45 Euro. In den USA kostete das Spiel von Anfang an nicht mehr als 20 Dollar (rund 15 Euro), was für die Spielqualität und -länge (von ca. 5-7 Stunden) deutlich angemessener ist. Wer also dem englischen nur etwas mächtig ist macht um die deutsche Variante besser einen ganz großen Bogen.
Safecracker ist mehr interaktives Rätselheft als Maschinenrätsel-Adventure, mehr "The 7th Guest" als "Myst". Die Rätsel haben zum größten Teil nicht den Schwierigkeitsgrad anderer Puzzle-Adventures und beginnen teilweise schon bei "Stecke passenden Schlüssel in Safe". Tagelang knobeln muss man bei Safecracker nicht. Und wenn man nach einigen Versuchen immer noch nicht auf des Rätsels Lösung gekommen ist, hilft die Off-Stimme des Spielcharakters auch schon Mal mit einem kleinen Gedankenanstoß nach. Zusätzlich hilft eine Übersichtskarte des Hauses dabei, noch nicht gelöste Puzzles schneller zu finden. Gemeinsam mit der schicken Präsentation und der angenehmen Steuerung sorgt das bei Safecracker zwar für eine relativ geringer Spielzeit, aber auch für einen hohen Spaß- und niedrigen Frustationsfaktor: Es macht richtig Laune, einen Safe nach dem anderen zu öffnen, und dabei immer wieder neue Geheimkammern, Schlüssel, Codekarten, Hinweise oder Apparaturen zu entdecken. Da man bei jedem neuen Fund eigentlich sehr schnell weiß, wo man es einsetzen könnte, bleibt der Spielfluß durchgehend erhalten. Adventurespieler, die sich gerne auch mal in klassische Puzzlerei a la "The 7th Guest" verlieren können, sollten sich Safecracker unbedingt mal näher ansehen, wirkliche Myst-Maschinenrätsler werden aber womöglich unterfordert sein. Generell nicht zu empfehlen ist dagegen die deutsche Version, die nicht nur fast 30 Euro teurer sondern auch noch wesentlich schlechter lokalisiert ist als das englischsprachige Pendant.
Ich gebe es zu: Ich hasse Maschinenrätsel! Aber nicht, weil ich nicht gerne knobele - im Gegenteil. Ich bin nur einfach nicht geduldig genug, die Funktionsweisen solcher komplexen Apparaturen à la Myst zu verstehen: Kaum glaubt man das System durchblickt zu haben, macht einem das Gerät mit einem völlig unerwarteten Verhalten das Konzept kaputt! Safecracker ist nicht so. Die Rätsel sind bei weitem nicht so komplex, die Tragweite von Interaktionen überschaubar. Tatsächlich hab ich bei den meisten Safes sofort geahnt, wie der Hase läuft. Und hat man dann mal ein Ziel vor Augen, ist es schon um mich geschehen: Da sitze ich durchaus mal bis in den frühen Morgen an einem dieser Panzerschränke und denke mir: Komm, ein Versuch geht noch! Somit hat Safecracker durchaus Suchtpotential. Klar: das hier ist vornehmlich ein Puzzlespiel - aber dabei mehr als schön in ein klassisches Adventureoutfit verpackt. Die tolle Grafik, stimmige Atmosphäre und die einfache, klassische Point´n Click Steuerung tragen absolut zur Motivationssteigerung bei und machen die verschiedenen Rätsel viel spannender, als sie es für sich allein stehend wären. Seit The 7th Guest und Shivers hat mir jedenfalls kein klassisches Puzzleadventure so viel Freude bereitet - zumindest in der englischen Version. Die deutsche versaut einem allein schon durch den Preis den Spaß und büßt bei mir durch die verhunzte Sprachausgabe zusätzliche Atmosphärepunkte ein. Wer hingegen die englische spielt, kann bei der Gesamtwertung nochmal 8 Prozentpunkte draufschlagen.
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