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Test

von  Sebastian 'basti007' Grünwald
25.03.2007
Belief & Betrayal
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

In nomine patrui et nepotis et servitutis secreti

Es gibt so Tage, da geht einfach Alles drunter und drüber.

Jonathan Danter, seines Zeichens Klatschreporter, erlebt gerade so einen Tag: Eigentlich auf dem Weg nach Miami, um ein Interview mit dem Kardinal Gregorio zu führen, wird er stattdessen direkt nach London eskortiert. Dort eröffnet Scotland Yard dem verdutzten Journalisten, dass sein seit Jahren tot geglaubter Onkel in Wahrheit ein Mitglied des Geheimdienstes „Legat“ sei, der es sich zur Aufgabe gemacht habe, die dunklen Geheimnisse der katholischen Kirche zu erforschen. Obwohl: Tot ist der Onkel eigentlich wirklich – wenn auch erst seit kurzem. Denn irgendjemandem schmeckt der Geheimdienst ganz und gar nicht und beginnt fleißig jeden, der sich mit den Forschungen des Onkels auseinandersetzt, zu liquidieren. Dieser hatte nämlich zuletzt nach einem mysteriösen Artefakt gesucht, an dem eine unheimliche Sekte scheinbar auch Interesse hat.

Keine Frage, dass Jonathan es sich nicht nehmen lässt, der Sache auf den Grund zu gehen. Geholfen wird ihm dabei insbesondere von Katrin McKendal, die mit dem „Legat“ bestens vertraut ist und über alle notwendigen Hintergrundinformationen verfügt. Was dann folgt ist ein rasant erzählter Plot rund um eigentlich alles, was die kirchliche Verschwörungstheorie herzugeben hat: Illuminaten, Tempelritter, Opus Dei bis hin zu den Katharern wird so viel in den Raum geworfen, dass man am Ende – auch gerade wegen des hohen Erzähltempos - nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht: Das Spiel faselt also nicht lange um den heißen Brei herum, sondern spricht gleich ab dem ersten Kapitel Tacheles. So kaschiert es nebenbei auch gekonnt einige der Logiklücken.

Non scholae, sed ludo prodigioso discimus

„Belief and Betrayal: Das Medaillon des Judas“ ist nach „Das Eulemberg Experiment“ das nächste 2,5D-Point'n'Click Adventure aus der Entwicklerschmiede Artematica. Einige der Kritikpunkte am Vorgänger haben die Italiener offenbar sehr ernst genommen und Verbesserungen, insbesondere am Interface, durchgeführt. So werden die einzelnen Hot Spots nach Vorbildern wie „Geheimakte Tunguska“ oder „Undercover“ auch hier mit einem einfachen Druck auf die Leertaste angezeigt, so dass langwierige Pixelsuche entfällt. Auch der bei Eulemberg häufig bemängelte plötzliche Kamerawechsel wird nun durch ein Ausgangs-Symbol angezeigt, so dass die Navigation einfacher fällt und Gott sei Dank ist nun auch das komplette Spiel inklusive der „Gedanken“ unseres Protagonisten synchronisiert. Apropos Synchronisation: Die Synchronisation von dtp ist durchaus gelungen. Die Rollen sind nahezu alle professionell eingesprochen und passend besetzt – auch Betonungsfehler sind kaum auszumachen.

Nam vitiis ludus nullus sine nascitur

Leider haben sich bei Belief and Betrayal gegenüber den positiv zu bewertenden Verbesserungen auch einige neue Schnitzer eingeschlichen. So muss der Spieler zum Beispiel hin und wieder mit einem PDA hantieren, dessen Steuerung nicht unbedingt die innovativste ist. Wer sich nicht vorher im Handbuch informiert - beispielsweise, wie man damit E-Mails versendet – hängt im Zweifelsfall eine ganze schöne Weile im Spielgeschehen fest.

Auch ansonsten gibt es immer wieder kleinere Schnitzer im Gameplay: Kombinationen im Inventar funktionieren zum Beispiel häufig nur in eine Richtung. Verknüpft man die Gegenstände „verkehrt herum“, kriegt man grundsätzlich einen der Standard-„Das geht nicht“-Sätze aufgetischt. Deren gibt es nicht wirklich viele und allzu passend sind sie auch nicht immer, so dass einem die ewig gleichen Kommentare ziemlich schnell auf die Nerven gehen. Sinnigerweise sind genau diese Sätze nicht mit einem Mausklick abbrechbar. Solche Fehler hätte man im Grunde leicht vermeiden können. Natürlich sind solche Beispiele eher kleinere Mängel in einem ansonsten funktionierenden Interface. Die Tatsache, dass sie aber immer wieder mal vorkommen verdeutlicht, dass Belief & Betrayal in der absoluten Top-Liga der Adventures noch nicht mitspielen kann.

Eigentlich ist das ziemlich schade, denn die Jungs von Artematica machen genau dort vieles richtig, wo die meisten anderen Genrevertreter versagen. So gibt es zum Beispiel bei den Rätseln häufig alternative Lösungsmöglichkeiten. Ob man auf der Suche nach einer Flasche Wein nun einfach jeden Mülleimer der Stadt umkrempelt oder aus vorhandenen Materialien aus dem Inventar eine Eigenkreation zusammenmixt bleibt völlig dem Spieler überlassen. Je nachdem, wie die Rätsel in vorherigen Kapiteln gelöst wurden, ändert sich damit auch die Rätselschwierigkeit in den noch folgenden. Das erhöht den Wiederspielwert des sonst nicht allzu langen Adventures.

Leider wird dieser Ansatz auch hier nicht konsequent bis zum Ende durchgezogen. So sind einige wirklich sinnvolle Kombinationen einfach nicht möglich, während andere Rätsel mit teilweise ziemlich einfallslosen oder abstrusen Handlungen zu lösen sind. Ebenfalls eingeschlichen hat sich hier das umstrittene „Runaway-Syndrom“: Einige Aktionen sind leider erst möglich, wenn die Spielfigur sie für wichtig hält. So muss beispielsweise in einer Szene ein Computerpasswort in Erfahrung gebracht werden. Mehrere Aktionen später stellt sich heraus, dass man das Passwort ja gar nicht in Erfahrung bringen kann. Danach hilft dann plötzlich eine einfache Aktion und unser Protagonist hackt das Passwort völlig im Alleingang. Immerhin macht die Spielfigur auf die Linearität aufmerksam, indem sie weitere Anweisungen gibt, was zuerst getan werden sollte.

Allzu störend sind diese Macken also nicht, da die meisten Puzzles zudem sowieso nicht sonderlich schwer sind. Besonders in den ersten Kapiteln bestehen sie meist nur aus dem Auffinden und Kombinieren einiger weniger Gegenstände, die dann meist eine Zwischensequenz auslösen, um die Geschichte voranzutreiben. Erst im späteren Verlauf zieht der Schwierigkeitsgrad etwas an, so dass man um ein bisschen Ausprobieren nicht herumkommt.

Varitatio delectat

Ebenfalls sehr erfrischend ist die Möglichkeit, bis zu drei Charaktere gleichzeitig spielen zu können. Allerdings laufen die Plots parallel nebeneinander und an unterschiedlichen Orten ab, überschneiden sich also nicht. Hat ein Charakter alle Handlungen erfüllt, wird er einfach ausgeblendet und das Spiel wechselt zum nächsten noch verfügbaren Charakter, bis alle Handlungsstränge gelöst sind und eine neue Zwischensequenz ausgelöst wird.

Ebenfalls ungewöhnlich, aber dennoch gut funktionierend, ist die Einführung eines so genannten „Gedankeninventars“. Hier werden Ideen der Spielfigur als kleine Stichpunkte gespeichert. Macht die Anwendung einer Idee auf einen Gegenstand Sinn, so lassen sich beide ganz einfach kombinieren.

Probabili cum laude

Wie bereits erwähnt: Viele gute Ansatzpunkte - aber in der Durchführung eben noch nicht ganz perfekt. Warum sich dennoch ein näherer Blick auf die Abenteuer des amerikanischen Journalisten lohnt ist die wirklich sehr gelungene Atmosphäre des Spiels. Grafisch ist Belief & Betrayal zwar nur oberes Mittelmaß – die Hintergründe sind zwar alle sehr schön gerendert, dafür aber kaum oder nur durchschnittlich animiert -, gleichzeitig punktet es dafür aber durch einen sehr schönen orchestralen Soundtrack, der den einzelnen Sequenzen fast immer einen spannenden und mystischen Unterton verleiht. Allerdings muss erwähnt werden, dass die Musikstücke in nahezu jeder Szene in einer Dauerschleife laufen. Wer mit so einer musikalischen Dauerbeschallung nicht so gut leben kann, deaktiviert sie auf Wunsch einfach im Optionsmenü. In Ordnung sind auch die 3D-Figurenmodelle, bei denen vor allen Dingen eine große Bandbreite an unterschiedlichen Animationen gefällt, welche die starren Hintergründe hin und wieder etwas aufpäppeln.

Ferner sehr gelungen ist die Auswahl der einzelnen Locations. Zwar sind diese fast immer gleich düster, bieten aber dennoch einiges an Abwechslung: Von London über Chartres bis hin zu Venedig kommt so fast ein bisschen Indy-Flair auf.

Zudem gelingt es Artematica ausgezeichnet, immer wieder rechtzeitig die Neugier des Spielers zu wecken, indem relativ konkrete Zielvorgaben gemacht werden: Wie komme ich an eine Zündkerze für das Flugzeug nach Chartre? Was verbirgt sich hinter der verschlossenen Kathedrale? Wie locke ich die Wissenschaftlerin vom Brunneneingang weg? Bei Belief and Betrayal weiß man eigentlich immer, was als nächstes zu tun ist und ist somit auch immer motiviert, noch ein wenig weiter zu spielen. Hat man doch mal einige der Aufgaben vergessen, hilft bei Bedarf auch das Tagebuch weiter, das alle wichtigen Ereignisse des aktuellen Kapitels festhält.

Mel et fel

Neben der Abenteueratmosphäre und einigen innovativen Ideen punktet Artematica auch bei der Geschichte. Bereits bei „Das Eulemberg Experiment“ hat das Studio gezeigt, dass es weiß, wie man bei einem Adventure einen funktionierenden Spannungsbogen hinkriegt. Auch bei Belief and Betrayal ist die Dramaturgie gelungen: Das Spiel legt gleich im ersten Kapitel mit einigen Mordanschlägen los und wirft den Spieler gleich mitten ins Geschehen. Danach folgt für zwei Kapitel die Einführung weiterer Charaktere sowie die Vorbereitung zur Recherche im Hauptteil, der dann schließlich in einem kleinen Finale mündet. Leider kann Jonathan Danters Geschichte mit der von Adam Quinn im Eulemberg Experiment trotzdem nicht ganz mithalten. Erfahrene Spieler lösen die Rätsel in weniger als 10 Stunden. Die Spielzeit ist also relativ kurz, die Entwicklung wie erwähnt ziemlich gestrafft und damit manchmal unglaubwürdig. Auch das etwas plumpe Finale kann dem Vorgänger nicht das Wasser reichen – allerdings ist man mittelmäßige Schlussakte bei Adventures mittlerweile ja leider schon gewohnt, das ist die Story von Belief and Betrayal immer noch deutlich über dem Durchschnitt. Freunde von theologischen Thrillern sollten sich bei diesem Titel allerdings nicht allzu viel Präzision bei der historischen Aufarbeitung der Fakten erwarten.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Belief and Betrayal kann als Adventure eigentlich voll überzeugen. Die italienischen Entwickler sind mit viel Liebe zum Genre an den Titel gegangen: drei spielbare Charaktere, Ideen wie das Gedankeninventar und eine tolle Atmosphäre mit passendem Soundtrack zeichnen diesen Titel aus. Die Verbesserungen beim Interface gegenüber dem Vorgänger zeigen, dass Artematica ihre Spieler auch ernst nimmt. Leider verübeln einige neue Schnitzer im Gameplay und eine etwas zu kurze und manchmal abstruse Geschichte den positiven Gesamteindruck. Angesichts des sehr günstigen Preises von rund 25 Euro ist das allerdings absolut zu verschmerzen und ein echter Kauftipp für alle Freunde von Mystery-Adventures in klassischer PointnClick Manier. Bastimus locutus, causa finita.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • dichte Atmosphäre
  • gute Lokalisation
  • hohes Erzähltempo, nie langweilig
  • durchgehender Soundtrack
  • teils unlogische Rätsel
  • Story etwas wirr
  • kurze Spielzeit