Seit Deck13 im Oktober 2005 mit Ankh sein erstes PC-Adventure veröffentlicht hat, genießt der Frankfurter Entwickler viel Popularität unter Adventurefans. Gerade Freunde der Tradition alter LucasArts-Späße freuen sich über gute Neuzugänge im Comicadventure-Bereich, wozu die Ankhs zweifellos gehören. Mit größerem Team und ausgereifterer Technik soll jetzt das neue Projekt Jack Keane neue Maßstäbe setzen. Ob das gelungen ist, soll dieser Testbericht erörtern.
Titelheld Jack Keane ist ein begeisterter wie erfolgloser Seefahrer, der mit seiner kleinen Crew die sieben Weltmeere besegelt. Am Anfang des Spiels ist er wieder mal in Schwierigkeiten, sieht er sich doch zwei ungemütlichen Schlägertypen gegenüber, die ihn im Dachstuhl des Londoner Big Ben an einen Stuhl gefesselt haben und nun mit schlagkräftigen Argumenten dazu bringen wollen, alte Rechnungen zu begleichen. Doch Jack Keane wäre nicht Jack Keane, würde er sich der Halunken nicht in einer aufregenden Flucht entledigen - vorläufig zumindest.
Das erste Kapitel soll, wie so oft, unerfahrene Spieler an das Adventureprinzip heranführen. Schließlich will man nicht nur alte Adventurehasen ansprechen, sondern ein Spiel für die ganze Familie auf den Markt bringen. Der Schwierigkeitsgrad ist dementsprechend noch gering, regelmäßig weisen Kamerafahrten unmissverständlich auf relevante Objekte hin.
Als Jack bei seinem Schiff ankommt, wartet bereits ein Mitarbeiter vom königlichen Geheimdienst auf ihn. Der hat einen wichtigen Auftrag für Jack: Er soll dem teuflischen Dr. T auf der südlich von Indien gelegenen britischen Kolonie Tooth Island das Handwerk legen, vorher allerdings noch einen Geheimagenten in Kapstadt abholen. Dr. T züchtet auf seinem idyllischen Inselreich eine teefressende Pflanzenart, die alle Teesorten außer der Haussorte „Dr. T's Finest“ verschlingt. Nicht auszudenken, was ein Teemonopol für das britische Empire bedeuten würde!
In Kapstadt lernt Jack nicht nur den sehr von sich selbst überzeugten, aber völlig nutzlosen Geheimagenten Agent Montgomery kennen, auch die schöne Seefahrerin Amanda läuft ihm über den Weg. Die ist zufällig auch auf dem Weg nach Tooth Island und was läge da näher, als die adrette Amerikanerin gleich mitzunehmen. Die zeigt sich leider nicht besonders dankbar und zieht, nachdem Jacks klappriges Schiff vor Tooth Island gekentert ist, mitsamt seiner Crew im Beiboot von dannen. Jack muss sich also allein mit dem überforderten Montgomery durch das Dickicht des tropischen Eilands kämpfen.
Ob Jack trotzdem den diabolischen Plan des Dr. T durchkreuzen und Amanda von seinen Qualitäten überzeugen kann, stellt sich im Laufe von insgesamt 13 Kapiteln heraus. Zwischenzeitlich steuert man dabei auch Amanda, die eigentlich gegen Jack arbeitet. Die Story ist zum Glück so konstruiert, dass man beim Spielen der verschiedenen Figuren nicht das Gefühl bekommt, sich selbst das Wasser abzugraben.
Während seines abenteuerlichen Kampfes gegen den Doktor vereint Jack ein zerstrittenes Dorf, wird in eine höhere Kaste geweiht und erlebt allerlei andere verrückte Geschichten. Insgesamt ist das Spiel wesentlich umfangreicher als die Ankh-Titel, was auch zu einer deutlich längeren Spielzeit führt.
Doch schließlich kommt es nicht nur auf die Länge an, sondern auch auf die Technik. Der auf OGRE 3D basierenden Grafikengine hat Deck13 wieder neue Tricks beigebracht, sodass Jack Keane auf neuen Rechnern zum wahren Effektfeuerwerk wird. Realistisch berechnete Schattenwürfe, dynamische Beleuchtung, überstrahlendes Licht, Tiefenunschärfe und Bewegungsunschärfe bringen auch moderne Grafikkarten ins Schwitzen. Je älter und billiger die Grafikkarte, desto zahlreicher sind die Effekte, auf die man verzichten muss. Das Optionsmenü erlaubt es, diverse Features ein- bzw. auszuschalten.
Die Anforderungen, die Jack Keane an die Hardware stellt, sind hoch. Zwar lässt sich die Performance durch das Herunterregeln der einzelnen Grafik-Optionen auch auf betagteren PCs verbessern, die optische Qualität leidet dadurch aber merklich. Wer seiner heimischen Ausrüstung nur wenig Vertrauen entgegenbringt, sollte vor dem Kauf anhand der Demo testen, ob Jack Keane zufriedenstellend läuft.
Grundsätzlich hat sich die Grafik seit Ankh verbessert. Auch ohne Vollbildeffekte machen die Umgebungen dank einer höheren Zahl an Polygonen und Texturen einiges her. Raum zur Verbesserung gibt es aber nach wie vor: Während manche Kameraperspektiven komplexe Szenen spektakulär in Szene setzen, stören an anderer Stelle viel zu kantige Pflanzen und matschige Texturen den ansonsten positiven Eindruck. Gerade wichtige Objekte wie ein Buch, das Jack in einer Zwischensequenz bildschirmfüllend durchblättert, hätte man mehr Feinschliff spendieren können.
Dank zahlreicher Animationen wird die knackebunte Inselwelt erfreulich vielfältig belebt. In Kapstadt fahren im Hintergrund Schiffe vorbei, Schornsteine qualmen und das haiförmige Schild des Ladens öffnet und schließt seinen Mund. Auf Tooth Island wiegt sich ein Großteil der Inselflora im Wind, ein Wasserfall rauscht in das wellige Wasser und an jeder Ecke schwirren diverse Partikel durch die Luft. Im Dschungel selbst fallen sogar immer wieder Blätter durchs Bild. Zusätzliche Bewegung kommt durch die regelmäßigen Kamerafahrten ins Spiel.
Die Animation der Charaktere, die etwas detaillierter modelliert sind als noch bei Ankh, ist ebenfalls gelungen. Dafür, dass man auf Motion Capturing verzichtet hat, bewegen sich gerade die Hauptfiguren erstaunlich dynamisch durch die Spielwelt. Nebenfiguren stehen allerdings auch schon mal etwas steif in der Gegend herum. Die Gesichter sind flexibel und können in Dialogen und Zwischensequenzen über die verschiedensten Gesichtsausdrücke Emotionen transportieren. Bei Jack bewegen sich sogar die Haarspitzen.
Der Soundtrack ist häufig zu hören. Mal hält er sich dezent im Hintergrund, ein anderes Mal kommt er gezielt in den Vordergrund, um die jeweilige Stimmung zu unterstreichen. Gerade in Zwischensequenzen wird die Musik sehr gut eingesetzt, um die Geschehnisse akustisch in Szene zu setzen. Das atmosphärische Titelthema klingt ein wenig nach Fluch der Karibik und wurde sehr gut umgesetzt, tönt aber ein bisschen zu oft aus den Lautsprechern.
Zur Musik gesellt sich eine hervorragend abgemischte ambiente Geräuschkulisse, die die tropische Insel erst richtig zum Leben erweckt. Auch die zahlreichen Soundeffekte sind fast immer ein Volltreffer.
Für die Sprachaufnahmen wurde wieder bewusst ein Großaufgebot an Promisprechern aufgefahren. David „Johnny Depp“ Nathan und Bianca Krahl, die ab und zu Charlize Theron ihre Stimme leiht, geben ein motiviertes Protagonisten-Paar ab, das stimmlich zu seinen Alter Ego passt. Udo Schenk (Ray Liotta) könnte in der Rolle des Bösewichts Dr. T manchmal etwas böser klingen, liefert aber insgesamt genauso professionelle Arbeit ab wie der Rest der Sprecher-Riege. Erfreulich ist auch, dass Thomas Danneberg mit seiner John-Cleese-Stimme diesmal perfekt in seine Rolle als Agent Montgomery hineinpasst und nicht, wie in Ankh, für zu viele verschiedene Figuren eingesetzt wurde.
Das neue System für Lippensynchronität sorgt dafür, dass die Lippenbewegungen recht gut zu den gesprochenen Sätzen passen. Insbesondere bewegen die Figuren ihre Münder exakt dann, wenn sie auch etwas sagen.
Bleibt die Frage, ob hinter der bunten Fassade auch ein gutes Spiel steckt. Es kommt ja schließlich auch auf die inneren Werte an. Rätseltechnisch wagt Deck13 keine Experimente. Jack Keane bietet durchgängig klassische Inventar-Knobeleien nach dem Motto "wie kann ich ein Problem auf möglichst abgefahrene Weise lösen". Die Entwickler haben hier einiges an Kreativität bewiesen. Trotzdem sind die Lösungen fast immer logisch, sodass man sich nicht vom Spiel hintergangen fühlt.
Wenn man Jacks Kommentaren zuhört und sich immer wieder klarmacht, was die aktuellen Ziele sind, kann man Lösungen immer finden, ohne alles mit allem zu kombinieren. Welche Aufgaben gerade zu erledigen sind, zeigt das Logbuch nach einem Druck auf die Tab-Taste an. Erst gegen Ende wird es etwas kniffliger, was leider dazu führt, dass Jack immer wieder einfallslose Standardantworten der Marke "Das funktioniert so nicht" gibt. Insgesamt bleibt der Schwierigkeitsgrad sehr moderat, Frust kommt nie auf.
Das Inventar wird nie unüberschaubar groß, bietet aber genug Möglichkeiten zum Herumexperimentieren. Manchmal liegen die Objekte, die aufzusammeln sind, etwas uninspiriert in der Gegend herum. Anstatt in die Spielwelt eingebunden zu sein, liegt Vieles einfach so am Wegesrand.
Ein größeres Problem ist aber, dass einige Rätsel umständlicher sind, als sie sein müssten. Hat ein Problem innerhalb der Spielwelt eine triviale oder einfache Lösung, ist es unverständlich, warum das Spiel eine kompliziertere Lösung erzwingt. Ein Beispiel: Von einer Dorfbewohnerin erhält Jack ein Glas Marmelade. Die Marmelade braucht er nicht, nur das Glas wird benötigt. Statt die Marmelade einfach aufzuessen oder wegzukippen, muss Jack im Dorf erst einen anderen Charakter finden, der bereit ist, das Glas leerzulöffeln.
An anderer Stelle gilt es, eine Bierflasche in einem Flusslauf zu kühlen. Anstatt die Flasche einfach ins Wasser zu halten, muss erst der Flusslauf geändert, die Flasche im trockenen Flussbett fixiert und dann der ursprüngliche Flussverlauf wiederhergestellt werden.
Schön ist dagegen, dass die Entwickler an einigen Stellen alternative Lösungsgwege vorgesehen haben. Wer die Demo gespielt hat, wird gemerkt haben, dass er in Kapstadt nur drei von vier Objekten im Abenteurer-Shop kaufen konnte. Je nachdem, wie man sich hier entscheidet, ist später ein Rätsel anders zu lösen. Solche kleinen Abweichungen von der ansonsten strikten Linearität gibt es nicht besonders oft, erhöhen aber den Wiederspielwert.
Bei der Steuerung setzt Deck13 auf das alte Rezept: Klassisches Point & Click in 3D. Das funktioniert im Großen und Ganzen wieder sehr gut, nur wenn sich Jack auf die Kamera zubewegt, sind an ein paar Stellen recht viele Klicks nötig. Die Kamera schwenkt automatisch mit, wobei sie stets Positionen einnimmt, in denen wichtige Objekte sichtbar sind. Die Wegfindung der Figuren klappt tadellos, mit einem Doppelklick bringt man Jack zum Rennen. Lange Laufwege stören daher so gut wie nie.
Lange Ladezeiten fallen besonders beim Spielstart und zwischen den Kapiteln unangenehm auf. Zum Glück werden neue Level bei Schauplatzwechseln innerhalb eines Kapitels wesentlich schneller nachgeladen, sodass längere Wartezeiten nur selten den Spielfluss stören.
Dem Trend folgend haben die Entwickler ihre Engine mit einer Funktion ausgerüstet, mit der die Hotspots angezeigt werden können. Ein Druck auf "x" genügt und auf dem Bildschirm werden jede Menge Sternchen angezeigt. Etwas problematischer als bei aktuellen 2D-Kollegen ist das Vorhaben dann aber doch, und so hakt die Hotspot-Anzeige ein wenig. Zum einen unterschlägt das Feature manch ein anklickbares Objekt, was zum Glück aber nur solche betrifft, die nicht für den Spielfortschritt wichtig sind. Zum anderen werden einige Sternchen nicht auf, sondern neben den Objekten, auf die sie hinweisen sollen, angezeigt, was in unübersichtlichen Situationen verwirrend sein kann. Wichtiges ist aber in der Regel so gut sichtbar, dass man auch gut durch das Spiel kommt, wenn man ganz auf die Funktion verzichtet. Ihre Fehlerchen fallen folglich nicht schwer ins Gewicht.
Was in anderen Genres, erst recht bei Konsolenspielen, keine Seltenheit ist, transportiert Jack Keane auch in die Adventurewelt: Im Spiel kann man nämlich Bonusgegenstände mitnehmen und optionale Aktionen ausführen, die dann immer mehr Bonusmaterial freischalten. Dazu gehört zum Beispiel ein Wachsfigurenkabinett, in dem noch mal einige Charaktere herumstehen, Konzeptzeichnungen und ein "historischer Modus". Wer nicht alles beim ersten Mal freischaltet, braucht nicht alles noch mal neu zu spielen. Jack Keane merkt sich den Fortschritt, sodass es reich, ein Kapitel per Savegame anzuspringen, um sich dort vergessene Boni zu sichern. Ein nettes Extra!
Jack Keane ist ein gelungenes Comic-Adventure mit sympathischen Helden, das mehr zu bieten hat als Ankh. Wem die Abenteuer von Assil zugesagt haben, sollte hier zugreifen. Trotzdem gibt es noch Raum für Verbesserugen. Es sieht so aus, als würde der große Umfang des Spiels seinen Tribut im Spieldesign fordern. Ideenlos herumliegende Objekte, nicht funktionierende Triviallösungen, hier und da eine Logiklücke in den Dialogen und ein hoher Anteil an Standardantworten sind nur selten wirklich ärgerlich, trüben aber den sonst sehr positiven Gesamteindruck.
Von solchen Mängeln abgesehen ist Jack Keane nämlich ein großes, buntes und spaßiges Abenteuer für die ganze Familie. Die regelmäßigen Zwischensequenzen und der faire Schwierigkeitsgrad haben mich ständig motiviert, weiterzumachen, anstatt mich zu frustrieren. Wer dem recht braven Humor etwas abgewinnen kann und sich irgendwo zwischen Fluch der Karibik, Indiana Jones und Monkey Island wohlfühlt, sollte nicht zögern, sich den Titel zuzulegen.
Ich hatte viel Spaß mit Jack Keane und keine Probleme, mich zu motivieren, bis zum Ende zu spielen. Lauthals lachen musste ich aber eher selten, dazu war mir der Humor meistens etwas zu zahnlos, zu kindgerecht. Mich würde es sehr interessieren, was dabei herauskäme, wenn Deck13 einmal aufdreht und so böse wie Monty Python oder so abgefahren wie Sam & Max entwickelt. Trotzdem werde ich auch das nächste Ankh und den nächsten Jack Keane wieder mit Freude erwarten, haben sich die Titel des Entwicklers doch zu einem Garant für kurzweilige Adventure-Unterhaltung entwickelt.
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