Ursprünglich als Trustware geplant, bringt rondomedia das Independent-Projekt "Ghost in the Sheet" hierzulande unter dem Titel S.C.A.R.E. zum Budgetpreis heraus. Die beiden tschechischen Entwickler wird es gefreut haben, dass die Qualität ihres Projekts für die kommerzielle Vermarktung offenbar ausreicht. Prüfen, ob dem tatsächlich so ist, kann jeder Adventure-Fan seit Mitte August.
Mit dieser einfachen und wohl genauso gewöhnungsbedürftigen Tatsache wird der Held gleich zu Beginn konfrontiert. Den Autounfall kurz zuvor, hat die Spielfigur nicht überlebt und befindet sich nun an einem nicht näher bekannten Ort. Ein teufelsähnlicher Dämon erklärt ihm die Regeln und teilt dem Spieler eine wichtige Aufgabe zu. Man soll den sogenannten "Sektor Omega" einer Fabrik inspizieren, in der sich seltsame Dinge abgespielt haben sollen. Eine Gelegenheit, um Näheres in Erfahrung zu bringen, ergibt sich leider nicht.
In eine Kutte gehüllt machen wir uns also auf den Weg, unserem Boss die geforderten Antworten zu bringen. Kurz darauf befinden wir uns auch schon vor dem Eingang zu besagter Fabrik. Als Geist können wir leider nichts in unsere Taschen packen, nicht mal das herkömmliche Drücken einer Türklinke ist uns möglich. Glücklicherweise besitzen Geister besondere Fähigkeiten, wie z.B. Telekinese, um damit Objekte bewegen zu können. Mit dieser Fähigkeit ist man direkt von Beginn an ausgestattet, einige weitere kommen im Laufe des Spiels hinzu und erweisen sich dabei als äußerst nützlich. Es gilt nun, herauszufinden, was im „Sektor Omega“ passiert ist und was in jener Fabrik überhaupt produziert wurde. Immer wieder treffen wir in Gesprächen, Tagebüchern und Graffitischmiereien auf das Wort „Marienkäfer“…
S.C.A.R.E. verspricht schon beim ersten Blick auf die Schachtel ein Grusel-Adventure zu sein, jedoch hinterlässt bereits die Einführung einen zwiespältigen Eindruck. Wirklich Furcht einflößend ist dieser leicht aufgequollen wirkende, rosafarbene Dämon ja nicht. Nicht nur, weil er, wie in sämtlichen Zwischensequenzen, lediglich in Standbildern daherkommt, auch die Sprachausgabe leistet hierzu ihren Beitrag, deren Qualität sehr durchwachsen ist. Zwar passen die meisten Sprecherstimmen zu den jeweiligen Charakteren, allerdings ist - zumindest zu Beginn des Spiels - beinahe jeder zweite Satz falsch betont oder einfach nur lustlos dahergesagt, sodass erst gar keine Atmosphäre aufkommen will.
Auch die Musik im Spiel umfasst nur wenige Stücke, die aber zumeist zu sehr nach Pseudo-Horror klingen. Gleiches gilt für viele der Soundeffekte. So ernüchternd das Intro ist, so sehr lassen einen die darauf folgenden Spielminuten jedoch mit Spannung darauf warten, wie sich Geschichte und vor allem das Gameplay fortentwickeln.
Der Einfall mit dem kompletten Verzicht auf ein Inventar und die Einführung der speziellen Geisterfähigkeiten sind jedenfalls nicht nur interessant, sondern halten den Spieler auch am Ball. Auch die optische Gestaltung vermag es nämlich nur bedingt, einen Beitrag hierzu zu leisten. Einerseits sind die Schauplätze schön düster und dabei doch recht detailliert gestaltet, andererseits lassen sie aufgrund ihres Standbild-Charakters ein hohes Maß an Lebendigkeit vermissen. In seltenen Fällen kommt es vor, dass dem Spieler ein tropfendes Rohr begegnet oder auch mal eine unbereifte Achse eines Fahrzeugs, die nach Ingangsetzung unentwegt rotiert. Jedoch halten sich solche Elemente stark in Grenzen.
Es kommt auch höchst selten vor, dass eine Aktion ausgelöst wird, die in einer fortlaufenden Animation erfolgt. Meist wechselt das Spiel zu einem schwarzen Bildschirm und präsentiert uns dann kurz darauf das Ergebnis unseres Handelns. Geringfügig Bewegung kommt hin und wieder hinein, wenn erneut eine der Zwischensequenzen gestartet wird. Diese liegen aber, wie bereits erwähnt, nur in Form von Standbildern vor. Oft sind es nur wenig mehr als ein Dutzend Bilder für eine mittellange Sequenz. Man kann sich dies wie ein kurzes Daumenkino vorstellen, das man zum einen sehr langsam durchblättert und zugleich noch jedes zweite Bild entfernt hat. Anders ausgedrückt: Die Zwischensequenzen sind mehr als lahm inszeniert.
Dem Grusel-Faktor und der Atmosphäre allgemein abträglich ist zudem, dass unsere Spielfigur immer wieder mal versucht, einen lockeren Spruch zu lassen. Die Bemerkungen, etwa zu den zahlreichen Eimern im Spiel, sind zwar durchaus witzig, ersticken aber jeden Anflug von Gruselatmosphäre im Keim.
Die Anzahl der Schauplätze im „Sektor Omega“, ist vergleichsweise gering. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass sich kleinere Probleme in der Orientierung ergeben. Dabei handelt es sich aber eher um ein "Verklicken", als dass man nicht wirklich wüsste, wo man hin will oder muss. Das hängt mit der 1st-Person-View und der beinahe zwanghaften Rotation der Spielfigur zusammen. Betritt man einen Raum, kommt es häufig vor, dass man in eine ganz andere Richtung blickt als zuvor. Das gibt es zwar auch in anderen 1st-Person-Adventures, jedoch meist nicht in diesem Maße.
Zudem sind die Standortwechsel so unterschiedlich, dass man fast nie verlässlich einschätzen kann, an welcher Stelle im Raum man nun steht bzw. woher man gekommen ist. Mal schaut man direkt von innen auf die soeben durchschrittene Tür, mal ist diese Tür auf der rechten Seite, mal auf der linken. Besonders unangenehm ist es dann, wenn sich folglich ein Hotspot am unteren Bildschirmrand befindet, um weiter in den Raum zu gelangen. Mit der Tabulator-Taste kann man sich die Hotspots zwar anzeigen lassen, jedoch entschuldigt dies nicht, dass diese teils ungünstig platziert sind.
Während S.C.A.R.E. in den Bereichen Grafik und Steuerung bestenfalls Mittelmaß ist, so kann das Spiel im Bereich des Gameplays einiges wieder gut machen. Besonders erfreut werden jene Spieler sein, die gerne Adventures mögen, bei denen man immer ein Blatt Papier und etwas zum Schreiben neben sich liegen haben sollte. Da S.C.A.R.E. zu einem nicht unerheblichen Anteil aus Schalter- und Zahlenrätseln besteht, gibt es immer wieder Hinweise in Form von „adventuretypischen Bedienungsanleitungen". Diese abzuzeichnen oder mögliche Codekombinationen zu notieren bzw. zu errechnen ist oftmals vonnöten.
Sehr schön ist auch die Implementierung von Dialogrätseln. Diese sind zwar selten so komplex wie in so manchem Klassiker, wissen aber durchaus zu gefallen.
Unpassend, aber wenig störend, sind die drei Minispielchen, die der Spieler bewältigen muss. Diese sind allesamt nicht übermäßig schwierig, haben in der vorliegenden Form aber auch keine wirkliche Daseinsberechtigung. Wer allerdings schon immer mal Pixelratten mit einem Ziegelstein erschlagen wollte, kommt auf seine Kosten.
Insgesamt sind die Rätsel als mittelschwer einzustufen, hin und wieder gibt es aber auch eine anspruchsvollere Aufgabe. Besonders ein Rätsel kurz vor Schluss könnte dem ein oder anderen ungeduldigen Spieler mächtig auf die Nerven gehen. Mit etwas Geduld und intensivem Nachdenken kann man aber auch diese Aufgaben ohne zusätzliche Lösungshilfe bewältigen. Oft sind bei der Lösung der Rätsel auch die genannten Geisterfähigkeiten sehr zentral. Acht verschiedene erlangt der Spieler nach und nach, einige davon kommen aber nur selten zum Einsatz.
An Einfallsreichtum scheint es den beiden Tschechen jedenfalls nicht zu mangeln. Dieses Feature sorgt zwar vielleicht nicht direkt für Begeisterungssprünge, liefert aber einen der Hauptgründe, weshalb man sich vielleicht doch - trotz der vielen anderen Schwächen - für dieses Spiel entscheiden sollte.
S.C.A.R.E. ist kein richtig gutes Adventure. Es gibt einige positive Eigenschaften wie etwa das Rätseldesign, das trotz fehlender Inventarrätsel, mit Schalter-, Dialog- und Zahlenrätseln beinahe alles zu bieten hat. Dabei sind die Aufgaben mit ihrem unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad gleichsam unterhaltend wie fordernd. Die Sprachausgabe erreicht zwar bei weitem nicht die Qualität von absoluten Topprodukten, ist aber insgesamt ebenfalls auf einem soliden Niveau. Grafisch ist das Spiel nicht gerade beeindruckend und die Schauplätze oft zu statisch, dennoch weiß der Stil durchaus zu gefallen.
Schade ist allerdings, dass das Spiel über weite Strecken kaum nennenswert Atmosphäre erzeugen kann. Das liegt weniger an der eher geringen Qualität der Präsentation als vielmehr an der schwachen und lückenhaften Story des Spiels. Während man im Vorspann vielleicht noch glauben könnte, dass der Spieler bewusst noch etwas im Dunklen gelassen wird, so ändert sich dies mit steigendem Spielfortschritt nur geringfügig. Viel zu viele Fragen bleiben ungeklärt und lassen wesentliche Storydetails dadurch fast schon abstrus erscheinen. Hier wurde viel Potenzial verspielt. Wirkliche Spieltiefe erlangt der Titel deshalb eigentlich nie und schafft es auch zu keinem Zeitpunkt eine dichte Gruselatmosphäre aufzubauen. Da ist mit Scratches, das ebenfalls als Independent-Game startete, schon weit Besseres in diesem Bereich produziert worden. Berücksichtigt man allerdings noch den geringen Kaufpreis, kann man sich - selbst über die geringe Spielzeit von ca. 5 Stunden - nicht beschweren.
Erwartet habe ich von S.C.A.R.E. nicht wirklich viel, eigentlich nur eines: Eine dichte Gruselatmosphäre. Gemessen daran müsste ich vollkommen enttäuscht sein, da das Spiel eben genau diese nicht beinhaltet. Enttäuscht bin ich aber ganz und gar nicht. Mir hat es durchaus Spaß gemacht, die vielen Schalterrätsel zu lösen und mich dabei durch die einzelnen Schauplätze von Sektor Omega zu klicken. Besonders gefallen haben mir die Idee mit den Geisterfähigkeiten und das Vorhandensein von Dialogrätseln.
Richtig gestört haben mich eigentlich nur die Zwischensequenzen in Standbildern und die hin und wieder schlecht betonten Dialoge. Wer über die So-la-la-Story, die schwache Präsentation und den bestenfalls geringen Gruselfaktor nicht hinwegsehen kann, lässt lieber die Finger von dem Spiel und packt noch mal Scratches oder Penumbra aus. Wer sich jedoch an den größtenteils schönen und teilweise fordernden Rätseln genügend erfreuen kann, dem sei S.C.A.R.E. wärmsten ans Herz gelegt, zumal das Preis-Leistungs-Verhältnis zweifellos für und nicht gegen den Titel spricht.
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