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von  Jan "DasJan" Schneider
09.09.2007
Undercover - Doppeltes Spiel
Getestet auf DS/DSi/Dsi XL, Sprache Deutsch

Es ist Nacht. Wir befinden uns in einer britischen Forschungseinrichtung im Zweiten Weltkrieg. Schemenhaft schleicht eine mysteriöse Gestalt durch die Szenerie. Das finstere Büro wird nur von ein paar Lichtstrahlen erhellt, die der Vollmond durch das einzige Fenster zu werfen vermag. Gerade so lässt sich erkennen, dass die Gestalt sich zum Mülleimer hinunterkniet, um dort irgendetwas zu hinterlassen. "Jetzt wird jeder Professor Russell verdächtigen," murmelt sie vor sich hin, und schnell ist klar: Der Unbekannte führt nichts Gutes im Schilde.

Der nächste Morgen, dasselbe Büro, jetzt lichtdurchflutet. Ein schwarz gekleideter Herr - man sieht ihm an, dass er im Auftrag der Regierung handelt - durchsucht Schränke und Tische. Nichts. Dann macht er am Mülleimer halt, beugt sich darüber und macht eine Entdeckung. Ein Blick, ein Griff. Das vermeintliche Corpus Delicti ist entdeckt: "Genau danach haben wir gesucht."

Schließlich taucht der eigentliche Büro-Besitzer auf, der Physikprofessor John Russell. Auf dem Hof vor dem Gebäude begegnet er dem still in sich hineintriumphierend vorbeimarschierenden Regierungsbeamten, dem er ebenso irritiert wie wortlos hinterherschaut. Im Büro angekommen bemerkt der Forschergeist dann sofort, dass etwas nicht stimmt. Jemand war da und hat sein Büro durchsucht. Kein gutes Zeichen.

Schon bald eilt die Sekretärin Audrey herbei. Sir William, der Chef der Forschungseinrichtung, wolle ihn sehen, richtet sie aus...

Doppeltes Gameplay

Knapp ein Jahr ist es jetzt her, als der österreichische Entwickler Sproing Interactive mit seinem Weltkriegs-Adventure Undercover: Operation Wintersonne den Adventure-Markt betrat. Seitdem arbeitet man an Doppeltes Spiel für den Nintendo DS, das die Undercover-Marke mit weiterem Leben füllen soll. Anstatt den fertigen PC-Titel einfach für die Konsole anzupassen, wie das beispielsweise gerade mit Ankh passiert, haben sich die Österreicher jedoch dazu entschlossen, ein völlig neues Spiel zu schreiben und dabei ein Point-&-Click-Konzept für die zwei Bildschirme des innovativen Handhelds zu entwickeln.

Der Protagonist John Russell ist Kennern von Operation Wintersonne bereits vertraut, die zweite Hauptfigur, Audrey, wird dagegen neu eingeführt. Die Handlung ereignet sich im Jahr 1939, also noch vor den Ereignissen des Vorgängers.

Bevor der Spieler nach dem Intro die Kontrolle übernimmt, erklärt eine Illustration die Steuerung. Karte, Inventar, Scrollen, Hotspots, Figurenwechsel, Menü, Interaktion, das wirkt erst einmal recht kompliziert, gerade wenn man als PC-Spieler an die immer gleichen Mechanismen von Maus und Tastatur gewöhnt ist. In der Tat stellt sich heraus, dass die Bedienung von John Russells DS-Ausflug etwas komplexer ist als klassisches Point & Click am PC, allerdings viel einfacher wegen des Spielkonzepts nicht hätte ausfallen können.

"Doppeltes Spiel" ist nämlich nicht einfach nur ein Untertitel - der Name ist Programm. Über die gesamte Spielzeit hinweg hat der Spieler die Wahl, ob er lieber mit dem Physikprofessor oder der Sekretärin herumläuft. Das ist kein Gimmick, sondern wichtiger Bestandteil des Gameplays. Beide Charaktere haben unterschiedliche Möglichkeiten, was im Rätseldesign ständig ausgenutzt wird. Audrey darf das Gelände der Forschungseinrichtung verlassen und genießt mehr Vertrauen bei Johns Professorenkollegin Dr. Oswald, dafür macht sie sich nicht so gern schmutzig. Es gibt auch Bereiche wie die Herrentoilette, die dem männlichen Spielercharakter vorbehalten bleiben.

Das neue Point & Click

Die Aufgabe der beiden ist es, John aus der Patsche zu helfen. Die gefälschten Beweise, die ihm im Intro untergeschoben werden, scheinen darauf hinzudeuten, dass er dem Feind, also den Deutschen, geheime Informationen zusteckt. Das ist natürlich ein ernstes Vergehen, sodass der britische Geheimdienst MI6 in der Sache ermittelt. Die einzige Möglichkeit, seine Uschuld zu beweisen, ist, den wahren Verräter zu enttarnen. Irgendwo im Umfeld der Einrichtung muss er sein. Ist es einer von den anderen Professoren? Die Wachfrau McFee? Oder doch der Wirt?

Auf der Suche nach dem Unschuldsbeweis werden die zwei Bildschirme des DS vorbildlich ausgenutzt. In der Regel zeigt der obere Monitor das Inventar, während der Touchscreen die Spielszene zeigt. Mit dem Stylus tippt man auf die Stelle im Bild, mit der man interagieren oder zu der man hinlaufen möchte. Erwischt man dabei ein Objekt, werden zwei Symbole für "betrachten" und "interagieren" eingeblendet. Da man nicht wie auf dem PC ständig mit einem Mauszeiger die Szene abfährt, ist die Hotspot-Anzeige von zentraler Bedeutung. Die markiert alle interaktiven Objekte und Ausgänge, sodass wildes Durch-die-Gegend-Klicken nicht nötig ist.

Auf Knopfdruck schiebt sich das Inventar von oben über den unteren Bildschirm, und kann dann ebenfalls mit dem Stylus manipuliert werden. Entweder zieht man einen Gegenstand auf einen anderen, um beide zu kombinieren, oder man wählt einen Gegenstand aus, um ihn dann - zurück in der Spielansicht - in der Umgebung anzuwenden.

Erst das Rätsel, dann die Moral

Die Rätsel haben bei Sproing so einen hohen Stellenwert, dass sie noch über der Geschichte stehen. Wo man auf den ersten Blick einen spannenden Weltkriegs-Spionagethriller vermutet, wartet am Ende nur ein Rätselspiel mit Story-Hintergrund. Klar, die Frage, wer der Verräter ist, zieht sich durch's Spiel und hält die Motivation aufrecht, weiterzuspielen, immer wieder wird man allerdings daran erinnert, dass die Spielwelt für die Rätsel konstruiert wurde.

Die Dialoge beschränken sich auf das Minimum, das nötig ist, um die Geschichte vorwärts zu bringen, und die Glaubwürdigkeit der Spielwelt leidet unter der Konstruiertheit mancher Situation. Warum ist sich Audrey zu schade, mal auf ein Fass zu steigen, wo es doch um die Entlastung ihres Vertrauten von einem schweren Vorwurf geht? Und wieso setzt sich John angesichts der ernsten Lage nicht etwas energischer durch, wenn es darum geht, sich einen Schraubenschlüssel auszuborgen? Die Antwort ist klar: Sonst würden die Rätsel nicht funktionieren.

Sieht man davon aber ab und betrachtet Undercover nicht als interaktive Geschichte, sondern als Rätselspiel, dann gibt es einige originelle Aufgaben zu entdecken. Besonders die Aufteilung auf zwei Charaktere wurde hervorragend ausgenutzt. Leider kann es ab und zu vorkommen, dass unklar ist, was als Nächstes zu tun ist. Hier hätte ein Logbuch Abhilfe geschafft.

Kriegsspielchen

Regelmäßig streut das DS-Undercover Minispiele ein, die die besonderen Eigenschaften des Handhelds nutzen und das Point-&-Click-Prinzip auflockern. Ihr Unterhaltungsfaktor ist schwankend: Highlight ist das Dartspiel in der Kneipe, bei dem oben die Zielscheibe eingeblendet wird, während man unten per Touchscreen den Pfeil auf den Weg bringt. Ist eine bestimmte Stelle im Spiel erreicht, kann man sich beliebig oft an dem Minispiel versuchen. Auch nett sind die diversen Schlossknacker-Einlagen, wo eine Büroklammer so zu verbiegen ist, dass die Bolzen im Schloss korrekt angehoben werden.

Andere Intermezzi sind eher überflüssig. Das von den Screenshots bekannte Blasrohr-Schießen ist nach ein paar Sekunden wieder zu Ende. Der Flug im senkrechten Windkanal ist da deutlich kniffliger und dürfte weniger geschickte Seelen eine ganze Weile am Weiterkommen hindern. Überspringen lassen sich solche Sequenzen nämlich nicht.

Grafik hui, Sound pfui

Für die Augen hat Doppeltes Spiel einiges zu bieten. Die Hintergründe sind vorgerendert und angesichts der geringen Auflösung schon fast verschwenderisch detailliert gestaltet. Besonders die Ausleuchtung ist sehr atmosphärisch gelungen, zumal es viele Locations in einer Tag- und einer Nachtvariante gibt. Da schaut man gerne hin! Noch größer wäre der Genuss allerdings, wenn die Hintergründe zusätzlich durch Animationen belebt werden würden. Auf den kleinen DS-Monitoren kann die Regungslosigkeit der Szenen mit umherlaufenden Charakteren und dem Hin- und Herscrollen aber deutlich besser kaschiert werden, als das auf dem PC der Fall wäre.

Auch die Darstellung der Figuren, die sogar kleine Schatten in die Umgebung werfen, ist gut gelungen. In den Dialogen bekommt man zusätzlich gerenderte bildschirmfüllende Closeups zu sehen. Mundbewegungen gibt es dabei zwar nicht, immerhin gönnt uns Sproing aber verschiedene Versionen der Gesichter, um diverse Stimmungslagen auszudrücken.

Akustisch fällt das Urteil allerdings deutlich enttäuschender aus. Vom Intro abgesehen muss man sich mit einem Musikstück begnügen, dass immer mal wieder abgespielt wird. Das Stück selbst ist zwar nett anzuhören, auf Dauer wäre aber etwas mehr Abwechslung wünschenswert gewesen. Auf Sprachausgabe muss man, wie bei DS-Adventures bisher üblich, ganz verzichten. Dass es auch anders geht, will demnächst die Ankh-Umsetzung beweisen. Bei den Soundeffekten waren die Entwickler etwas spendabler: Je nach Charakter und Untergrund variiert das Spiel sogar die Schritt-Sounds.

Zweischneidiges Schwert

Doppeltes Spiel zeigt äußerst gelungene Ansätze, das klassische Point-&-Click-Prinzip auf den Nintendo DS zu transportieren. Dabei wird die technische Eigenart der zwei Bildschirme konsequent in die spielerische Eigenart mit den zwei spielbaren Charakteren umgesetzt. Herausgekommen ist dabei ein visuell ansprechendes Rätselspiel, das sich seinen festen Platz in der Reihe der DS-Adventures erobert hat.

Leider sind den Entwicklern dabei auch einige Fehler unterlaufen. Die Spielwelt würde man sich um einiges glaubhafter wünschen und der gelegentliche Leerlauf, der entsteht, wenn man auf der Suche nach der nächsten Aufgabe ist, macht ähnlich wenig Spaß wie der reizlose Soundtrack. Dass das wenig umfangreiche Spiel eher ein kurzes Vergnügen bietet, ist da nicht gerade förderlich.

Eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für alle Adventure-Fans mit Nintendo DS können wir daher nicht aussprechen. Wer aber Lust auf innovative Knobeleien auf dem Weg zur Arbeit hat und den sympathischen Physiker John Russell vielleicht schon seit Operation Wintersonne lieb gewonnen hat, sollte sich das neue Abenteuer aus dem Hause Sproing einmal näher anschauen.

thumb
Kleines DS-Einmaleins Adventure-Treff.de hat schwerpunktmäßig immer über PC-Spiele berichtet. Das wird voraussichtlich auch so bleiben, trotzdem hat im letzten Jahr das Adventure-Angebot für den Nintendo DS stark an Bedeutung gewonnen. Wer mit dem Handheld nicht vertraut ist, findet in diesem Kasten ein paar Erläuterungen: Cartridge: Die Spiele für den Nintendo DS werden auf Speicherkarten, sogenannten Cartridges ausgeliefert. Diese haben in der Regel eine Größe von 32 oder 64 MB, da größere Cartridges in der Produktion recht teuer sind. Mikrofon: Der Nintendo DS besitzt ein eingebautes Mikrofon. Dadurch sind weitere innovative Rätseldesigns möglich wie das Blasrohr-Spiel in "Undercover - Doppeltes Spiel". Hier muss Spieler zur Steuerung über den Bildschirm pusten. Nintendo DS: Nintendo-Konsole, die ähnlich wie der klassische Gameboy in der Hand gehalten wird. Der DS zeichnet sich besonders durch zwei Bildschirme aus, von denen einer ein Touchscreen ist. Die Aufteilung ermöglicht völlig neue Spielkonzepte. (Mehr bei Wikipedia...) Stylus: Kleiner Plastikstift, der zum Nintendo DS gehört. Mit ihm können Spiele über den Touchscreen deutlich präziser gesteuert werden, als das mit einem Finger geht. Bei Adventurespielen ersetzt er damit im Prinzip die Funktionen der Maussteuerung. Technische Details: Der Nintendo DS ist ca. 14 cm lang und 8 cm hoch, die Bildschirme habe jeweils eine Auflösung von 256x192, der Hauptprozessor läuft mit 100 MHz. Außerdem kann sich der Nintendo DS in ein WLAN-Netzwerk einwählen, sodass neben mobilen Surfen auch Multiplayer-Spiele über das Internet möglich sind. Touchscreen: Allgemeine Bezeichnung für einen Bildschirm, der über Berührungen gesteuert werden kann. Beim Nintendo DS ist der untere Bildschirm ein Touchscreen, sodass einige Spiele auch per Finger bzw. Stylus gesteuert werden können.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Als ich mich daran gewöhnt hatte, dass die Entwickler hier ein Rätselspiel ins Historiengewand gepackt haben, hatte ich einigen Spaß mit Undercover DS. Die Zwei-Spieler-Rätsel sind wirklich innovativ und wer nun der Verräter ist, wollte ich dann doch wissen. Die Minispiele passen für mich gut ins Konzept, auch wenn nicht alle perfekt ausgeführt waren. Nur eine Logbuch-Funktion hätte ich mir dringend gewünscht. Nach ein paar Tagen Spielpause wusste ich mehrfach nicht mehr, was gerade zu tun ist.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Schicke Grafik
  • Innovative Rätsel
  • Sehr gute Ausnutzung der DS-Features
  • Akustik
  • Leerlauf-Gefahr
  • Spielwelt teils unglaubwürdig
  • Recht kurz