Test

von  Gianni
26.11.2007
Tell
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

„Die Stadt vom Tyrannen befreien!“

Das Spiel wird durch Märchenonkel Schiller eingeleitet, der den Spieler in einer längeren Ansprache über die Umstände informiert, die Tell und seinen besten Freund Val-Tah zur Trutzburg Enzian, dem Ort des Spielgeschehens, verschlugen. So kommt es, dass die beiden Freunde auf einer Alm vor malerischer Alpenkulisse den Umgang mit der Armbrust übten. Aber anstatt auf die Vogelscheuche zu zielen, schießt Val-Tah ins Gebüsch, wo sich unglücklicherweise Reichsvogt Gessler versteckt hielt, um die Trainierenden auszuspionieren. Gessler wertet den unglücklichen Schuss als Attentat auf seine Person und steckt Val-Tah kurzerhand ins Verlies der Burg Enzian, wo er bis zu seiner Hinrichtung darben muss. Ziel des Spiels ist es folglich, den armen Freund zu befreien. Hierfür kommt natürlich nur Meisterschütze Tell in Frage, in dessen Haut der Spieler schlüpft.

„Das sollst du am Kreuze bereuen“

Die erste Aufgabe besteht darin, in die Burg zu kommen. Dazu heuert man als Küchenjunge an. Jetzt kann sich der Held fast gänzlich frei in der Burg bewegen und einen Weg finden, um den eingesperrten Freund zu befreien bevor dieser gevierteilt in der Jauchegrube endet. Darüber hinaus macht Tell im Laufe des Abenteuers Bekanntschaft mit Gesslers Tochter, der liebreizenden Sissy, deren Herz es nebenbei zu erobern gilt. Der eine oder andere wird es vielleicht schon geahnt haben, die Story reißt wahrlich niemanden vom Hocker und wird auch nicht gerade spannend erzählt. Zwischensequenzen sind quasi nicht vorhanden und wenn doch, dann in Form von selbstablaufenden Dialogen. Eh man sich versieht, ist die Geschichte auch schon zu Ende, da selbst Genre-Einsteiger nicht mehr als fünf Stunden benötigen dürften. Die Anzahl begehbarer Bildschirme (!) kann man an etwas mehr als einer Hand abzählen: Alm, Burghof, Burgplatz, Küche und Kerker sowie Sissys Zimmer. Kein Scherz, mehr gibt’s nicht zu sehen, zudem sind die Locations auch nicht sonderlich groß.

Nichts leichter als das

Wer dennoch den Überblick verliert, den informiert ein Tagebuch über anstehende und bereits erledigte Aufgaben. Auf Wunsch kann man ein dreistufiges Hilfesystem hinzuschalten, das Einsteigern verständliche Tipps zu diversen Rätseln liefert. Diese bieten Adventure-typische Kost. Zum Beispiel kombiniert man ein Seil, Haken und einen Ast zu einer praktischen Angel, mit der man sich einen nicht erreichbaren Schlüssel stibitzt. Insgesamt sollten die Kombinationsrätsel nicht allzu schwer fallen, da die Items auch nicht gerade hoch an der Zahl sind. Von Schiebe- und Klangrätseln bleibt der Spieler verschont, sterben kann Tell auch nicht. Kommt man mal nicht weiter, empfiehlt es sich Items noch mal anzuklicken, bei denen Tell im vorigen Spielverlauf bereits die Mitnahme verweigerte. Einige Gegenstände steckt er erst ein, wenn er sie auch wirklich benötigt. Das ist zu keiner Zeit wirklich unfair, da man nur mit dem Cursor über einen potenziellen Inventargegenstand zu fahren braucht, um zu wissen, ob man ihn nun mitnehmen kann. Außerdem sind die Aufgaben so klar gestellt, das man auch von selbst weiß, welches Item wann benötigt wird. Nichtsdestotrotz nimmt der Mauszeiger in so einem Fall die Form einer zugreifenden Hand an. Andernfalls erscheint ein Auge, dann lässt sich ein Item vorerst nur untersuchen. Die Steuerung ist damit bestens für Einsteiger geeignet, Fortgeschrittene fühlen sich unterfordert, zumal das Gameplay sehr linear gehalten ist.

Positiv hervorzuheben ist, dass man absolute Kontrolle über den bärtigen Protagonisten hat. Tell pariert auf den Klick genau. Schickt man ihn über die Distanz von circa einer Bildschirmhälfte, rennt er sogar automatisch und per Doppelklick auf einen Ausgang (Türsymbol) wechselt die Szene ohne langes Nachladen. Mit der H-Taste werden alle Gegenstände aufgezeigt, mit denen Tell interagieren kann, die Multiple-Choice-Dialoge bricht man auf Wunsch Zeile für Zeile ab. Letztere sind bemüht witzig zu sein, das gelingt aber nicht immer. Schließlich sind es die zahlreich vertretenen flachen, um nicht zu sagen versauten, Witze, die ab und zu für ein Schmunzeln sorgen. So erzählt Tell beispielsweise von seiner Ex-Freundin Antonia, mit der er schon viele Abenteuer in den Tiroler Bergen erlebte, oder aber man macht Bekanntschaft mit der vollbusigen Heidi… sicher ahnen die meisten schon, auf welche wohlgeformten deutschen Promifrauen hier angespielt wird.

Die Präsentation: Licht und Schatten

Die Grafik ist sozusagen das Flaggschiff, mit dem Tell ordentlich punktet. Zuallererst fallen einem die wunderschönen Wolken über der malerischen Alpenkulisse auf, die butterweich animiert den blauen Himmel verschönern. Realistische Schattenwürfe und stimmungsvolle Lichteffekte runden die optische Präsentation ab. Wirklich schade, dass so wenige Locations den Weg ins Spiel fanden, da hätten sich die Entwickler gerne mehr austoben dürfen. Etwas Negatives gibt es aber doch zu berichten: Die Animationen der Charaktere wirken teilweise künstlich und unfreiwillig komisch, gerade Tell schüttelt während der Dialoge merkwürdig mit dem Kopf, was ziemlich absonderlich anmutet. Auch die Abstinenz eines richtigen Intros und das Nichtvorhandensein von Zwischensequenzen ist bedauerlich.

Auf der akustischen Seite wissen realistische Hintergrundgeräusche wie zum Beispiel Vogelgezwitscher und das Rauschen des Windes zu gefallen. Die Hintergrundmusik fügt sich passend in die Alpenatmosphäre ein. Leider ist auch hier Qualität nicht alles, denn ein Musikstück ist definitiv zu wenig, um über die gesamte Spielzeit nicht zu langweilen. Die Sprachausgabe schwankt zwischen sehr gut vertont bis hin zu völlig amateurhaft abgelesen. Gerade die Intonation von Gessler, der dazu auch noch äußerst redebedürftig ist, quält arg die Gehörgänge des Spielers, obwohl die Stimme im Grunde zum Charakter passt. Tell hört man dank sympathischer Stimme aber gerne zu.

Fazit

Unterm Strich bleibt ein kurzes, in den meisten Belangen durchschnittliches Abenteuer. Man merkt eben doch, dass es sich um ein Lizenzprodukt handelt, bei dem scheinbar nicht mehr viel Geld für das eigentliche Spiel übrig blieb. Für fortgeschrittene Abenteurer ist Tell zu leicht, die Sprache und der Humor für Kinder ungeeignet. Genre-Einsteiger könnten mit dem Spiel von Green Kangaroo Spaß haben, vorausgesetzt man stört sich nicht an mancher Ungereimtheit. Kurzes Beispiel: In einer Szene reden Tell und Val-Tah laut über Fluchtmöglichkeiten aus dem Kerker, direkt neben der Wache! Ein Lob zum Schluss: Dank Autosave-Funktion braucht man sich keine Gedanken mehr über Abstürze zu machen, das Programm speichert im Minutentakt.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Green Kangaroo hat ein einsteigerfreundliches Adventure programmiert, das diese Zielgruppe unterhalten kann. Das schaffen andere Adventures aber auch und vor allem besser. Insgesamt ist Tell zu leicht, bietet zu wenig Abwechslung und die Dialoge könnten lustiger sein. Patzer im Storytelling und die sehr kurze Spieldauer trüben den Gesamteindruck zusätzlich. Für einen Verkaufspreis von rund 30 Euro ist das zu wenig. Alles in allem ein nettes Adventure, nicht wirklich schlecht, aber noch lange nicht gut.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Hübsche Grafik
  • Autosave-Funktion
  • Flachwitze...
  • ...die auf Dauer doch etwas plump sind
  • Geringe Spielzeit
  • Kaum Abwechslung