Der Name H.P. Lovecraft dürfte jedem Leser wohl als erstes die Begrifflichkeiten Grusel oder Horror ins Bewusstsein rufen, gilt der amerikanische Schriftsteller doch bis heute als der einflussreichste Autor fantastischer Romane oder Horror-Literatur.
Zoetrope Interactive möchte sich mit Darkness Within – In Pursuit of Loath Nolder thematisch in die Gewässer dieses Meisters begeben und lehnt sich daher in Form einer Adventure-Trilogie an Lovecrafts Werke an.
Der Entwickler schickt den Spieler in diesem ersten Teil auf eine Reise zwischen Realität und Albtraum, um die dunklen Seiten der menschlichen Psyche zu erforschen und ein grauenhaftes und geheimnisvolles Verbrechen zu enträtseln.
Je weiter die Spurensuche führt, desto stärker verschwimmt die Grenze zwischen Wahrheit und Wahnsinn…
Der Spieler schlüpft in die Rolle des Police Detectives Howard E. Loreid, dessen Aufgabe es ist, den Mord an einem gewissen Clark Field aufzuklären, einem recht wohlhabenden Mann, der sich für Okkultismus interessierte.
Howard muss sich jedoch bei seiner Spurensuche mit einer weiteren Person beschäftigen, welche auf seltsame Weise in diesen Fall verstrickt zu sein scheint: Der angesehene Privatdetektiv Loath Nolder brach vor 5 Jahren die Ermittlungen in seinem letzten Fall überraschend ab, gab seinen Besitz auf und verschwand auf mysteriöse Weise. Später, als dieser wieder auftauchte, wurde klar, dass er fremde Länder bereiste, um Schamanen und dunkle Zauberer aufzusuchen und um sich düstere Riten anzueignen.
Howard bewundert dessen Genialität, muss ihn nun aber als Hauptverdächtigen in diesem Fall betrachten, da die Parallelen zu offensichtlich scheinen.
Je intensiver sich der Detective mit diesem Sachverhalt beschäftigt, desto mehr entwickelt sich das Ganze zu einem paranormalen Albtraum: Er wird plötzlich von Visionen und übersinnlichen Erlebnissen geplagt, verliert zusehends den Kontakt zur Realität und pendelt ständig zwischen Vernunft und Wahnsinn.
In Darkness Within blickt man aus der Ego-Perspektive auf vorgerenderte 360-Grad-Kulissen. Die Bewegung erfolgt über Richtungspfeile, die einen Standortwechsel im Raum ermöglichen; dabei wird das Bild sanft übergeblendet.
Die jeweilige Position erlaubt dann eine Drehung in alle Richtungen.
Was man bei der Spurensuche zu sehen bekommt, ist sehr hübsch und ansehnlich texturiert. Die Oberflächen und Objekte wirken plastisch, wenngleich im Gesamtbild etwas unbelebt, da Animationen nur recht selten vorhanden sind. Raubt dieser Umstand bereits im düsteren Herrenhaus zusätzlichen Nervenkitzel, erzeugt er innerhalb anderer Locations wie zum Beispiel Howards Büro eine gewisse Sterilität.Dieser Eindruck wird ebenso durch die statische Beleuchtung und Schatten verstärkt.
Darkness Within lässt in Auflösungen zwischen 1024x768 und 1280x1024 spielen. Die erweiterten Grafikeinstellungen lassen Partikel, Shadereffekte, Antialiasing und eine zusätzliche Beleuchtung zu.
Für die Gesamtstimmung entscheidend ist zudem die Einstellung „Rauschen“. Da das Spiel an einigen Stellen zusätzliche Bildstörungen wie besagtes Rauschen oder auch Flimmerlinien wie aus alten Zelluloid-Horrorfilmen einspielt, kann man mit dieser Option entscheiden, ob dieser Effekt gar nicht, nur an bestimmten Stellen oder gar ständig vorhanden sein soll.
Bei einem Wechsel des Schauplatzes wird ein kurzes Video eingespielt, in welchem zu sehen ist, wie Howard mit seinem Auto über eine Landstrasse fährt. Ist dieses Video noch akzeptabel gerendert, wird man dessen schnell überdrüssig. Wichtiger wäre gewesen, dem einführenden Video zu Beginn des Spiels mehr Gewicht zu geben; dieses wirkt nämlich relativ matschig und nicht zeitgemäß gerendert.
Alles in Allem ist der grafische Eindruck dennoch gut; im Spiel dominiert die zu erwartende Düsternis, die einen manches Mal eine Taschenlampe herbeiwünschen lässt. Da hilft auch die höchste Gamma-Stufe im Grafik-Menü nicht.
Die Sprachausgabe im Spiel ist durchweg angenehm, die Betonung und der Sprechrhythmus entsprechen stets der Stimmung des Charakters und der Sprechsituation.
Schade ist nur, dass der Protagonist nicht durchgängig zu hören ist - nur bestimmte Dialoge werden akustisch ausgegeben. Daher muss man sich häufiger mit dem Untertitel begnügen.
Die musikalische Untermalung wird nahezu durchgehend von ruhiger, melancholischer Klaviermusik bestimmt, welche der mysteriösen Stimmung mehr als angemessen ist und die Beklemmung durchaus zu steigern versteht.
Ein weiteres Klangelement sind die begleitenden Hintergrundgeräusche, die gerade bei der Erkundung dunkler Lokalitäten für zusätzlichen Nervenkitzel sorgen. Bei der Durchsuchung des Herrenhauses Clark Fields wird die Bandbreite dieser Untermalung besonders deutlich; das von Alter und Witterung geprägte Haus ächzt und stöhnt geradezu. Lampen knistern ständig und unter all diesen Geräuschen mischt sich ein dumpfes Grollen und Heulen.
Die Rätsel in Darkness Within werden zumeist von Informations- und nicht durch Gegenstandssuche dominiert. Howard kann und muss zwar einige Gegenstände einsammeln, dies kommt jedoch zum einen nicht übermäßig oft vor, zum anderen werden einige Gegenstände wie zum Beispiel Dokumente oder Briefe durch Rechtsklick "verbraucht" und in Informationen verwandelt, die der Detektiv brauchen könnte.
Howard soll denken, nicht blind aufsammeln. Wesentlich wichtiger als das Inventar ist nämlich das Verstand-Menü, in welchem durch Gespräche, Lesen von Geschriebenem oder Betrachten der Umgebung weiterführende Gedanken von Howard notiert werden.
Diese Überlegungen geben zum einen Hinweise oder Ansätze, was als Nächstes zu tun sein könnte, zum anderen lassen sich zwei oder mehrere Ideen kombinieren, um Schlüsse zu ziehen. Diese Folgerungen erscheinen daraufhin erneut als Idee im Menü und geben entscheidende Lösungsfragmente frei. Häufig kann Howard auch erst durch diesen selbst erstellten Fingerzeig Dinge richtig benutzen.
Trotzdem dürfen Verschiebe- oder Kombinationsrätsel nicht fehlen – Howard muss ebenso mit Zahnrädern hantieren wie auch Symbole richtig zuordnen können.
Bei der Erschließung von Informationen ist die Unterstreichen-Funktion ebenso wichtig, mittels derer Dokumente nach wichtigen Hinweisen durchsucht werden können und müssen. Nicht nur der Spieler, sondern auch der Protagonist muss zwischen den Zeilen lesen können.
Ein Stift-Symbol innerhalb des Lese-Modus’ ermöglicht daher das freihändige Markieren wichtiger Passagen; ein Zähler führt die gefundenen und die maximal zu entdeckenden Hinweise auf.
Es ist zudem einstellbar, ob dies automatisch geschehen soll, oder ein manuelles Unterstreichen notwendig ist. Eine weitere Erhöhung des Schwierigkeitsgrades kann zudem die besagte Einblendung der Anzahl wichtiger Passagen regeln. Das nachträgliche Aktivieren dieser Automatik mag recht schnell vonnöten sein, birgt dieses durchaus interessante Feature des Unterstreichens per Hand doch etwas Frustpotenzial: Die Hinweise müssen nicht nur alle, sondern auch in der richtigen Reihenfolge gefunden werden. Ein wichtiger Satz wird erst als solcher erkannt, wenn bereits Gefundene seinen Inhalt verständlicher machen. Stimmt die Reihenfolge nicht, erkennt Howard nichts von Bedeutung.
Der Schwierigkeitsgrad des Spiels ist von vorneherein einstellbar; hierbei unterscheiden 3 Stufen, welche unterstützenden Elemente zur Rätsellösung vom Spiel geboten oder nicht geboten werden.
Ebenso konfigurierbar ist, ob Tipps zu Rätseln unmittelbar, nach kurzer Zeit oder gar nicht als Zusatzgedanken im Verstand-Menü erscheinen.
Einblendbare Hotspots werden in Darkness Within nicht angeboten, hier ist also Suchen angesagt. Der Mauszeiger zeigt, wenn etwas aufnehmbar oder benutzbar ist, eine Symboländerung an.
Erfrischend ist das recht ausgewogene Verhältnis zwischen den Gegenständen, die betrachtet werden können, aber keinen Nutzen haben, und den Objekten, die man benutzen oder aufnehmen kann. Durch diese Balance hat man weder zu viel im Inventar und verliert den Überblick, noch arbeitet man mit so wenig, dass die Lösung offensichtlich wird.
Die Fairness und die Logik der Rätsel ist nichtsdestotrotz auf sehr hohem Niveau – liest man genau und denkt sich in die Geschehnisse ein, kann man die Herausforderungen meistern.
Die Integration des Verstand-Menüs macht im Sinne des Bedienkomforts einen eher zwiespältigen Eindruck. Einerseits bietet diese Funktion eine recht gute Möglichkeit, gesammelte Hinweise zu verwalten, indem Schlüsselinformationen mittels Explorerbaum angezeigt werden. Per Klick können so wesentliche Gedanken zu einem Rätsel nachgelesen werden.
Andererseits wird es etwas umständlich, wenn es um die Erschließung von Folgeinformationen aus den einzelnen Gedanken geht. Der Protagonist kann ja verschiedene Elemente miteinander kombinieren und darüber nachdenken, um Folgeschlüsse zu ziehen. Ärgerlich ist nur, dass es häufig auf munteres Probieren hinausläuft, auch dann, wenn man den Schluss selbst schon gezogen hat.
An sich ist diese Funktion begrüßenswert, da es in vielen modernen Adventures mittlerweile wichtig ist, dass die Spielfigur eine Idee von etwas hat, und erst dann ein wiederholtes Klicken auf einen Gegenstand eine Handlung auslöst. Howard kann zum Beispiel erst feststellen, dass ein Gemälde in einem Büro schief hängt und nachträglich bewegt wurde, wenn er mittels eines älteren Fotos dieses Raumes feststellt, dass dieses Bild verschoben wurde. Erst dann ist es möglich, sich näher mit dem manipulierten Gegenstand zu beschäftigen.
Jedoch muss man auch hier recht geduldig sein, da für den Vergleich des Fotos im Inventar mit dem echten Raum dem Spieler die Abfolge “Richtige Position im Raum – Rechtsklick für das Inventar – Linksklick auf das Foto – Rechtsklick zum Schließen des Inventars – Linksklick mit dem Foto auf die aktuelle Ansicht“ abverlangt wird. Das ginge komfortabler, da nur einzige Abweichung in dieser Kette dazu führt, dass Howard schlichtweg nichts auffällt.
Gleichfalls unbequem ist, dass der Detective häufig mehr als drei Klicksequenzen braucht, um sich einem Gegenstand zu nähern oder zu benutzen: Um ein auf dem Nachttisch klingelndes Handy abzunehmen, muss man zunächst aufstehen, sich drehen, sich dem Nachttisch nähern, dort das Handy fixieren, dieses aufnehmen und mit Links- und Rechtsklick die Inventarauswahl durchlaufen. Da das Telefon nicht ewig klingelt, lautet das Fazit womöglich: Anruf nicht angenommen.
In puncto Atmosphäre besticht Darkness Within mit einer durchweg gruseligen Stimmung und einem hohen Niveau an Nervenkitzel. Selbst helle und vergleichsweise sonnige Umgebungen wie das eigene Büro wirken durch die melancholische Musik bereits trübselig.
Der gruselige rote Faden zieht sich von Beginn an durch das Spiel. Howards erdrückend kleine Wohnung mutet bereits beklemmend an; dieser Eindruck wird im Spiel stetig gesteigert, und erfährt in den Albtraumsequenzen, die der Protagonist durchlebt, ständig neue Höhen.
Bei der Erkundung weiterer Schauplätze wie dem Anwesen oder einem dunklen Brunnenschacht ist das Zusammenspiel von obskurer Beleuchtung, geheimnisvoller Klaviermusik und Hintergrundgeräuschen sehr bedrückend und steigert Sensibilität und Herzrate des Spielers. Die gelegentliche Einspielung von Streifen und Bildrauschen erinnert an Gruselfilme vergangener Tage, und wenn plötzlich das Licht im Raum ausgeht, man kurz im Dunkeln tappt, und nach dem Angehen des Lichtes eine leichenhafte Person vor einem steht, wird man zusehendes schreckhafter.
Ähnlich wie in Penumbra – Im Halbschatten sind die Tagebucheinträge und Schriftstücke, die man findet, durchwirkt von einer angstvollen Stimmung; man möchte fast gar nicht weiterlesen.
Darkness Within überzeugt als düster-melancholische Kriminalgeschichte, und steigert den Psycho-Horror erwartungsgemäß auf ein hohes Niveau. Die Hintergrundgeschichte weiß durchaus zu überzeugen, wenngleich durch einiges Geklicke im Inventar zwischenzeitlich etwas die Dynamik genommen wird.
Das Zusammenspiel von Grafik, Musik und Thema des Spiels machen es in jedem Fall interessant für all diejenigen, welche den geheimnisvoll-okkulten Grusel schätzen und auch Inventarrätsel mit reichlich Zahlen und Daten nicht scheuen.
Darkness Within versucht, durch die Verwaltung der Gedanken des Protagonisten ein wenig Innovation in die sonst so störende "Ich weiß etwas noch nicht, darum mache ich auch nichts"-Struktur zu bringen, indem der Spieler gezielt mitdenkt – das ist äußerst begrüßenswert. Manches Mal mündet diese Funktion jedoch in einer einfachen Ideenabfolge, da das System in einem zu engen "Auf A folgt B, auf B folgt C"- Gewand steckt. Eine Vernetzung der Rätselteile untereinander entsteht so nicht.
Im Gesamtbild liefert der Entwickler jedoch ein wirklich solides und mit der Stimmung einiger Werke Lovecrafts’ ebenbürtiges Abenteuer, welches mit fesselnder Story und reichlich Grusel begeistern kann und mit Spannung die beiden Fortsetzungen erwarten lässt.
Darkness Within – In the Pursuit of Loath Nolder hat in allen Kategorien Stärken, wenngleich auch stets eine kleine Schwäche dabei ist. Manchmal zu unbelebt, manchmal zu viel Inventar-Verwaltung – trotzdem gefällt die Spurensuche, und das Beschreiten geheimnisvoller okkulter Pfade ist zu dieser Jahreszeit, wo es früh dunkel wird, besonders herrlich strapazierend für die Nerven…
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