Test

von  Gianni
22.03.2008
Treasure Island
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Pirat sein ist nach wie vor in Mode. Seit Anfang März dürfen Möchtegern-Freibeuter dank des Berliner Entwicklerstudios Radon Labs und Publisher HMH Interactive die Schatzinsel, bekannt aus dem berühmten Roman von Robert Louis Stevenson, mittels des heimischen Computers unsicher machen. Treasure Island versteht sich als Umsetzung des gleichnamigen Romans, demzufolge orientiert sich die Handlung auch originalgetreu am Freibeuter-Epos des schottischen Autors. Hier und da gibt es dennoch ein paar Veränderungen zu verzeichnen. So begibt sich des Hauptprotagonisten Jim Hawkins' schöne Jugendfreundin Antoinette mit auf die Reise. Im Roman hatte man es noch mit einer reinen Männerwirtschaft zu tun. Die wenigen Abweichungen wurden integriert, um dem rätsellastigen Spieldesign eines Grafik-Adventures gerecht zu werden, dies tut der Story jedoch keinen Abbruch.

Es war einmal Anno Domini 1783

Als Spieler schlüpft man in die Schuhe des Waisen-Burschen Jim Hawkins, der in der Nähe von Bristol das Lokal seiner verstorbenen Eltern relativ erfolglos weiterführt. Als sich eines Tages ein alter trunksüchtiger Seemann namens Bill Bones samt Holzkiste in eines von Jims Zimmern einquartiert, überschlagen sich die Ereignisse. Die alte Schnapsdrossel Bones hatte etwas von hohem Belang in seinem Besitz, an dem auch üble Piraten interessiert waren – eine Schatzkarte! Unverhofft wechselt das wertvolle Dokument seinen Besitzer und fällt Jim in die Hände. Zusammen mit seinen Freunden Dr. Livesey, Friedensrichter Trelawney und dessen hübscher Tochter Antoinette, begibt sich der sympathische Blondschopf auf Schatzsuche, überflüssig zu erwähnen, dass sich die Truppe schon bald mit bereits erwähntem Freibeuter-Gesindel herumschlagen muss. Doch zunächst gilt es, einige Vorkehrungen zu treffen. Auf nach Bristol!

Wir benötigen ein Schiff, eine Crew und eine Karte! Harrrr…

Nun gut, die Karte hat Jim bereits und um das Schiff kümmern sich Trelawney und Livesey. Jim fällt die ehrenwerte Aufgabe anheim, eine erfahrene Crew für das zünftige Abenteuer zu suchen, was passionierten Piraten-Abenteurern sicherlich ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert. Aber wieso auch nicht, die Aufgabenstellung drängt sich nahezu auf. Sicherlich wird jedem klar sein, dass sich die zukünftigen Crew-Mitglieder Jim nicht freiwillig anschließen. Sie wollen mit allen Mitteln der Adventure-Kunst überzeugt werden.

Auch andere Kopfnüsse präsentieren sich im klassisch kombinativen Rätselgewand, sind zu großen Teilen aber ziemlich leicht ausgefallen und sollten fortgeschrittenen Spielern keine Probleme bereiten. Eine höhere Rätseldichte wäre wünschenswert und auch der Spielzeit zuträglich gewesen. Gerade gegen Ende präsentiert sich Treasure Island als sehr dialoglastig und degradiert den Spieler zum Zuschauer. Da hilft es auch nicht, dass man die Dialogzeilen einzeln anwählen muss, auf den Spielverlauf hat die Reihenfolge der Auswahl nämlich keine Auswirkungen. Selbst ungeübten Spielern dürfte spätestens nach acht Stunden der Abspann entgegen flimmern, Profis dementsprechend eher.

Klick...Klick...Klick...

Obwohl die Steuerung insgesamt überzeugen kann, gibt es dank ihr auch den einen oder anderen nervigen Moment. Oftmals rührt sich Jim selbst nach mehrmaligem Klicken nicht vom Fleck. In so einem Fall ist die jeweilige Stelle der Szene nicht begehbar, obwohl dies zunächst den Anschein erweckt hat. Per Doppelklick auf das Tür-Symbol springt man direkt zur nächsten Räumlichkeit. Für die Interaktion mit der Umgebung dienen wie gewöhnlich die rechte und linke Maustaste: Objekte betrachten, aufheben, im Inventar miteinander kombinieren und an anderer Stelle einsetzen, mit Leuten sprechen – all das erledigt man mit zwei Tasten. Fährt man mit dem Mauszeiger über Objekte, signalisieren die Icons Sprechblase, Auge, Hand und Plus-Symbol die jeweiligen Interaktionsmöglichkeiten. Natürlich ist auch eine Hotspot-Anzeige an Bord, Treasure Island käme aber auch ohne aus, da die typischen Inventargegenstände recht flott ins Auge fallen.

Treasure Island – Die Perle der Südsee

Auf höchster Detailstufe entfaltet Treasure Island sein volles optisches Potenzial und kommt richtig schick daher. Die Entwickler bewiesen ein gutes Händchen beim Programmieren mit der hauseigenen Nebula-Engine. Feine Licht- und Schatteneffekte sowie die vielen kleinen grafischen Details, welche die einzelnen Szenen zum Leben erwecken, erfreuen immer wieder das Auge des Spielers. So wissen zum Beispiel die NPCs in den Straßen und Bars der Stadt Bristol zu gefallen, unter Deck der Hispaniola wiegen sich Hängematten und Laternen sanft mit dem Wellengang des Meeres und bei Sturm erzeugen die mitschwankende Kamera, durch die Ritzen hereinprasselnder Regen und funkelnde Blitze, die den Raum schlagartig erhellen, eine besondere Dynamik. Die Szene wirkt hektisch, der Spieler fühlt sich dazu veranlasst schnell zu handeln, ohne dass man sich tatsächlich unter Zeitdruck befindet. Nicht nur einmal weiß Treasure Island auf diese Art zu überzeugen. Abwechslungsreiche Umgebungen und authentische Charaktere vermitteln echtes Piratenfeeling. Ob in der belebten Hafenstadt Bristol mit seinen dunklen Spelunken samt besoffener Kundschaft oder im dicht bewaldeten Dschungel der Schatzinsel, optisch wird es nie langweilig.

Die Animationen der Charaktere können da nicht ganz mithalten, diese wirken teils vom Geschehen losgelöst und unpassend. Außerdem haben die 3D-Charaktermodelle mit leichtem Kantenflimmern zu kämpfen. Ähnliches bei der Sprachausgabe: Die ist von den Sprechern zwar bis auf wenige Ausnahmen professionell eingesprochen worden, leider aber alles andere als lippensynchron. Man hätte auf die Close-ups verzichten sollen, dann wäre niemandem aufgefallen, dass sich die Lippen noch weiterbewegen, obwohl mancher Satz schon fertig gesprochen wurde. Dafür kann Treasure Island beim Sound und der Qualität der Sprachausgabe wieder punkten. Muntere Klänge in der Kneipengegend Bristols, krächzende Möwen am Hafen und rauschendes Meer sowie brachiales Gewitter auf hoher See versüßen den Abenteurer-Alltag. Die Stimmen der Charaktere sind passend gewählt, wenn auch unbekannt. Hierzu hat man sich bewusst entschieden, um keine ungewollten Assoziationen beim Spieler hervorzurufen. Die Synchronstimmen wirken deswegen frisch und den Charakteren wie auf den Leib geschneidert.

Fazit

Von der kurzen Spieldauer mal abgesehen, passt bei Treasure Island (fast) alles zusammen. Geboten wird dem Spieler einiges: eine liebevoll designte Spielwelt, opulente Grafiken, überzeugender Sound, mitreißende Atmosphäre, eine nette Geschichte, glaubwürdige Charaktere, zweckmäßige Steuerung und kaum Fehler im Spieldesign. Selbst die Verpackung transportiert den urigen Piratencharme gekonnt nach außen und macht Lust auf mehr. Einzig die Rätsel könnten wohl für einige Geschmäcker zu einfach ausgefallen sein. In den letzten beiden Kapiteln sind diese darüber hinaus äußerst rar gesät, das Spiel konzentriert sich in diesem Abschnitt vornehmlich auf den Ausklang der Story. Ein jeder mag hier sein eigenes Urteil fällen, ob er dieser Designentscheidung positiv gesonnen ist.

thumb
Preis- Leistungsverhältnis Das Preis-Leistungsverhältnis von Treasure Island ist nicht gut. Das muss angesichts der unterdurchschnittlich kurzen Spielzeit einfach mal gesagt werden. Radon Labs hätte einen sicheren Hit landen können, wäre etwas mehr in die Spielzeit investiert worden. Wahrscheinlich hätte es sogar gereicht die letzten beiden Kapitel mit ordentlichen Rätseln anzureichern, um ein versöhnliches Finale zu bieten, anstatt das Ganze als Hörspiel enden zu lassen. Für circa 40 Euro Verkaufspreis ist es für geübte Spieler mit circa fünf Stunden Spielzeit schlichtweg zu kurz.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Endlich mal ein Adventure, das mich nicht zigmal von A nach B laufen lässt, um künstlich die Spielzeit zu strecken. Treasure Island kommt schnell auf den Punkt, leider etwas zu schnell. Nach einer Handvoll Stunden war der Spaß vorbei. Die Rätsel waren zwar nicht schlecht, aber doch etwas zu einfach. Schade, ein etwas größerer Umfang einhergehend mit einer höheren Rätseldichte und wir hätten einen sicheren Hit. Ich hoffe, beim nächsten Mal finden die Spieldesigner die ideale Balance in Sachen Schwierigkeitsgrad, die technische Abteilung der Berliner Radon Labs versteht ihr Handwerk nämlich bereits vorzüglich.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Tolle Piratenatmosphäre
  • Überzeugende Optik
  • Klasse Sound
  • Keine Längen...
  • ...aber leider sehr kurz
  • Schlechte Lippensynchronität
  • Geringe Rätseldichte