Wenn man einige Adventure-Reviews geschrieben hat, eignet man sich automatisch gewisse Muster an. Klar, schließlich funktionieren alle Adventures irgendwie gleich, und da lohnt es sich kaum, als Redakteur für jeden Artikel das Rad neu erfinden zu wollen. Doch ab und zu wird man dann doch aus den festgeklopften Denkstrukturen gerissen und mit einem Spielkonzept konfrontiert, das so anders ist, so ungewöhnlich, dass man sich fragt, ob Adventure-Treff.de überhaupt noch das richtige Forum bietet.
Und was wäre als Plattform für solche Neuartigkeiten besser geeignet, als die Wii, Nintendos innovatives Konsolenflaggschiff? Für die ist kürzlich „Zack & Wiki: Der Schatz von Barbaros“ erschienen, das sich mit seinem rätselbasierten Gameplay speziell an Adventurespieler richtet, ohne sich an irgendwelche Genrekonventionen zu halten.
Zentrale Anlaufstelle im Spiel und Hauptmenü-Ersatz ist der „Unterschlupf“, das Zuhause der „Seehasen“, einer Gruppe possierlicher Kreaturen, zu denen auch Titelheld Zack gehört. Im Unterschlupf lassen sich Statistiken anzeigen, das üppige, sukzessive freizuschaltende Bonusmaterial erkunden oder Erklärungen zur Steuerung abrufen. Außerdem kann man mit einem Klick auf den Anführer der Seehasen direkt ins Spiel einsteigen.
Die Spielwelt ist, wie aus vielen anderen Konsolenspielen bekannt, in thematische Welten eingeteilt: die Dschungelwelt, die Eiswelt, die Feuerwelt, und so weiter. Diese wiederum enthalten einzelne „Level“. Anders als bei Adventures üblich ist das Spielgeschehen also nicht in Kapitel unterteilt, welche die Geschichte inhaltlich in Sinnabschnitte gliedern, sondern in einzelne Aufgaben, die alle das gleiche Ziel haben. In jedem Level geht es nämlich darum, eine goldene Schatztruhe zu finden, in der sich ein wertvoller Gegenstand befindet. Die Truhe ist dabei immer hinter Türen, Abgründen, Bösewichtern und anderen Hindernissen verborgen, die durch das Lösen von Rätseln überwunden werden müssen.
Klassische Adventure-Rätsel sind damit allerdings kaum gemeint. Zack, der vom Spieler gesteuerte Held, kann zum Beispiel immer nur einen Gegenstand gleichzeitig bei sich haben, den er auch nicht in eine übergroße Tasche steckt, sondern stets vor sich herträgt. Auch die Kombination von mehreren Gegenständen zu komplexeren Objekten ist nicht möglich.
Möglichkeiten, mit der Umgebung zu interagieren, gibt es allerdings zahlreiche. So kann Zack an Bäumen rütteln, unter Felsbrocken nach Schätzen suchen und Seile hochklettern. Hält er einen Schlüssel in der Hand, kann er den in ein Schlüsselloch stecken und umdrehen, hält er eine Zange in der Hand, kann er damit an Ringen ziehen und mit einem Bohrer darf er Löcher in den Boden fräsen. Mit einem einfachen Klick ist es dabei nicht getan, für die meisten Interaktionen ist die Wiimote so zu benutzen, als hätte man das entsprechende Objekt tatsächlich in der Hand. So muss der Schlüssel physisch umgedreht, die Zange nach vorne gestoßen und der Bohrer per Kurbel bedient werden.
Die Steuerung funktioniert dabei unterschiedlich präzise. Manchmal kann man sehr direkt und filigran Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen, beispielsweise wenn Zack mit einer Stange in der Hand über ein Seil balancieren muss. In anderen Fällen ist die Handlung an der Wiimote eher symbolischer Natur. Die Aktion des Spielers ist dann zwar immer noch näher an der von Zack, als wenn er nur mit einer Maus klicken würde, wirklich packend ist es aber auch nicht, wenn man das Ziehen an einem Seil andeutet, indem man mit der Wiimote mal nach oben und mal nach unten zeigt.
Die Navigation durch die Spielwelt funktioniert dafür ganz gut. Die passiert per Point & Click, wobei „Point“ hier ausnahmsweise einmal wirklich „zeigen“ heißt. Der Cursor auf dem Fernseher folgt nämlich der Wiimote, mit der man direkt auf den Bildschirm zeigt. Mit einem Druck auf die A-Taste läuft Zack dann zu der ausgewählten Stelle, zumindest, wenn das mittelmäßige Pathfinding funktioniert.
Außerdem gibt es eine weitere, spezielle Interaktion, die mit der Umgebung möglich ist. Zacks ständiger Begleiter, das fliegende Äffchen Wiki, hat nämlich eine besondere Fähigkeit. Es kann sich auf Wunsch in eine Glocke verwandeln, mit der Zack jederzeit bimmeln kann, indem der Spieler die Wiimote hin- und herschüttelt.
Mit der magischen Glocke lassen sich Lebewesen aus der Umgebung in nützliche Objekte verwandeln. Zischt am Wegesrand eine Schlange, wird diese nach kurzem Bimmeln zu einer Zange, die dann mitgenommen und an geeigneter Stelle eingesetzt - oder zurückverwandelt - werden kann. Eine Spinne wird so zum Tennisschläger, ein Maulwurf zum Bohrer und ein Regenwurm zum Strohhalm.
Es lohnt sich immer wieder, auch abseits des Weges einmal zu bimmeln, denn die Glocke kann auch verborgene Schätze aufspüren, wie die überall versteckten Goldmünzen oder andere Boni, die nicht zum Beenden des Spiels nötig sind. Dazu gehören zahlreiche Konzeptzeichnungen, Musikstücke und Infos zu den einzelnen Kreaturen in der Spielwelt.
Insgesamt ist den Designern eine bunte Mischung an interessanten Aufgaben gelungen, die allerdings nicht völlig frei von Geschicklichkeitsprüfungen ist. Hin und wieder kommt es durchaus auch auf das richtige Timing und ein ruhiges Händchen an, der Schwierigkeitsgrad solcher Momente ist aber sehr gering. Den Geist fordern Zack & Wiki eindeutig mehr als die Reaktion.
Durch die untypischen Aufgaben, die sich oft nicht einfach nur erledigen lassen, sondern dies auch auf gute oder weniger gute Weise, wird es möglich, wieder eine Punktezählung einzuführen. Gelingen gewisse Dinge beim ersten Versuch, gibt es mehr Punkte, als wenn sie erst beim dritten Mal funktionieren. Am Ende jedes Levels wird die Punktzahl mit einer passenden Bewertung von „Na los, denk nach!“ über „Nullachtfünfzehn“ bis „Supergenie“ eingeblendet. Die Zeit, die man braucht, ein Level zu lösen, wird zwar auch gemessen, Einfluss auf die Punktzahl hat sie aber nicht.
Kommt man einmal partout nicht weiter, ist noch nicht alles verloren. Mit einem Druck auf (1) erhält man eine Audienz bei einer Voodoo-Lady. Die kann im Tausch gegen eine „Orakel-Puppe“ einen hilfreichen Tipp geben. Am Anfang des Spiels hat man drei davon bei sich, weitere lassen sich im Unterschlupf einkaufen.
Eine Designentscheidung wird viele Adventurefans verbittern: Zum Spielprinzip gehören nicht nur Stellen, an denen man sterben kann, sondern auch Sackgassen. Das Sterben verträgt sich noch einigermaßen gut mit dem Gameplay. Dumme Aktionen haben fatale Konsequenzen. So sollte man es sich zweimal überlegen, ob man riskieren möchte, von einem grimmigen Eingeborenenstamm im Dschungel entdeckt zu werden. Gerade die Bosskämpfe, also Level, in denen riesige Kreaturen durch pfiffiges Handeln überlistet werden müssen, gewinnen durch die Möglichkeit des Scheiterns an Dramatik. Versöhnlich stimmen da die „Platin-Tickets“, die man im Unterschlupf wie die Orakel-Puppen erwerben kann. Sie ermöglichen es, sich kurz vor dem tödlichen Fehler wiederbeleben zu lassen. So muss man das Level nicht von vorne spielen, bis zum Ableben eingesammeltes Geld ist durch den Ticket-Einsatz aber verloren.
Noch problematischer sind die Sackgassen, die sich nicht versehentlich ins Spiel geschlichen haben, sondern offiziell dazugehören. Wesentlich für das Gelingen einer Mission ist nämlich oft die Reihenfolge, in der man gewisse Handlungen ausführt. Eine falsche Reihenfolge äußert sich aber nicht unbedingt im sofortigen Tod, sondern wird unter Umständen erst später ersichtlich. Ein Zurücksetzen via Platin-Ticket ist dann nicht mehr möglich, es hilft nur der Neustart der Mission. Während die ersten Level noch gutartig sind, wenig Sackgassen enthalten und durch Nachdenken auch im ersten Versuch zu schaffen sind, erfordern spätere, kniffligere Aufgaben diverse Trial-and-Error-Schritte, bis die Struktur des Levels erkannt ist.
Das führt zu unnötigen Wiederholungen von Levelabschnitten, was das Spielgeschehen in die Länge zieht. Auch wenn das von den Entwicklern so angelegt ist, Spaß macht es nicht wirklich, mehrfach dieselben Rätsel zu lösen. Gerade weil viele der kürzeren selbstablaufenden Sequenzen nicht abbrechbar sind, sackt die Spielspaßkurve in diesen Situationen merklich ab.
Worum es in Zack & Wiki geht, ist bei all dem Rätseln eigentlich nebensächlich. Das mag für Puristen, die ohne eine spannende Handlung kein erfülltes Spielerlebnis haben können, schockierend klingen, doch hat man erst einmal begriffen, was das Spiel möchte, ist diese Eigenheit kein wirkliches Handicap. Schließlich sorgt der König aller dummen Storys, Klempnerikone Mario, mit jeder neuen Inkarnation bei mehr Spielern für Freude als alle Adventures des Jahrgangs zusammen - und das, obwohl er darin nichts weiter tut, als immer wieder dieselbe Prinzessin zu retten.
Ein bisschen mehr als Mario hat Zack dann aber doch zu erzählen: Der junge Abenteurer befindet sich gerade in einem Flugschiff auf dem Weg zum Unterschlupf der Seehasen, denen er sich anschließen will, um ein begnadeter Pirat zu werden (Ähnlichkeiten mit anderen Abenteurern nicht ausgeschlossen). Als er von Captain Rose und ihrer Truppe angegriffen wird, stürzt er auf eine tropische Insel. Dort entdeckt er durch Zufall eine Schatztruhe mit dem Schädel von Barbaros, einem einst mächtigen Pirat, der verflucht wurde, in Form von einzelnen Goldschätzen überall auf der Welt verteilt zu ruhen. Barbaros verspricht Zack sein legendäres Schiff, wenn er ihn wieder zusammensetzen würde. Da kann der Möchtegernpirat natürlich nicht widerstehen, sodass er sich erwartungsfroh auf die Suche begibt. In fast jedem Level des Spiels findet Zack dann eine der 20 Schatztruhen.
Wichtiger als die Handlung ist, dass mit dem leidenschaftlichen Jungpiraten Zack und seinem skurrilen Begleiter Wiki, aber auch der Antagonistin Rose griffige Charaktere eingeführt werden, die der Spieler gerne begleitet. Das gelingt ganz gut: Rose kann zwar mit ihrer weinerlichen Art ab und zu etwas nerven, Zack steckt mit seinem begeisterten Tatendrang jedoch schnell den Spieler an. Beim Formen der Charaktere spielt die ausgeprägte Gestik der ausdrucksstark animierten Figuren eine ebenso wichtige Rolle wie die Dialoge. Von Letzteren sollte man keine außerordentliche Tiefgründigkeit erwarten, zumal sie leider nicht mit Sprachausgabe versehen sind. Zu hören bekommt man nur Geräusche wie Seufzen oder Lachen, die in allen Sprachen gleichermaßen funktionieren.
Die bunte Aufmachung, die junge Hauptfigur und der familienfreundliche Verzicht auf Gewaltdarstellung lassen vermuten, dass Zack & Wiki sich speziell an jüngeres Publikum richtet. Wer aber kein Problem damit hat, einen kindlichen Helden durch farbenfrohe Welten zu steuern, der kann auch als Erwachsener Spaß mit dem Spiel haben. Spielerisch wird Zack & Wiki gerade in der zweiten Hälfte durchaus anspruchsvoller.
Von der technischen Seite betrachtet, merkt man dem Capcom-Titel sofort an, dass hier wesentlich mehr Budget eingesetzt wurde, als das bei PC-Adventures in der Regel der Fall ist. Obwohl die Missionen einen einigermaßen zweidimensionalen Aufbau haben, über den man sich per Tastendruck schnell einen Überblick verschaffen kann, werden die Umgebungen komplett in Echtzeit-3D dargestellt. Die Welt ist voller Details und sprüht vor Leben. Das liegt zum einen an den vielen Animationen, die sich überall abspielen, zum anderen an der wendigen Kamera. Sie bewegt sich seitlich, zoomt rein, zoomt raus und schwenkt zur Seite, um dem Spieler stets den wichtigen Teil des Spielgeschehens zu zeigen. Falls nötig gibt es Schnitte auf Nahaufnahmen diverser Apparaturen. Alle Aktionen des Spielers, die irgendetwas bewirken, sind ansehnlich inszeniert.
Die Figuren werden mit einem Comicfilter dargestellt, sodass die quirligen 3D-Gestalten wie gezeichnet daherkommen. Hässliche Ecken sind selbst bei Close-ups nicht zu sehen. Zusammen mit den vielen Spezialeffekten ergibt sich ein hervorragendes Gesamtbild der Grafik, die von vorne bis hinten nicht nur hübsch anzusehen ist, sondern wie aus einem Guss wirkt.
Ähnliches gilt für die Soundkulisse. Einziges Manko ist im Grunde die fehlende Sprachausgabe, alles darüber Hinausgehende macht jede Menge Spaß. Jedes Level hat seine eigene musikalische Untermalung, die von fröhlichen Südseerhythmen bis zu finsteren Weltuntergangsklängen reicht - immer perfekt an die Situation angepasst. Dazu kommt ein üppiger Teppich an ambienten Geräuschen und Effekten, die überall eingebaut sind und durchaus Hinweise geben können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Capcom mit Zack & Wiki tatsächlich etwas ziemlich Neuartiges abliefert. Natürlich hat es Elemente wie die Einteilung in Level und das Trial-and-Error-Prinzip auch im Adventurebereich schon gegeben, nicht zuletzt dank Wiimote ist aber eine Mischung möglich geworden, die so noch nicht da war.
Da ist die Frage, ob das Ergebnis gut geworden ist, natürlich besonders spannend. Während es technisch kaum etwas zu bemängeln gibt, bleiben spielerisch doch ein paar Kritikpunkte. Die Möglichkeit, in den Levels zu scheitern, mag man dem Spielprinzip vielleicht noch zugestehen, auch wenn das resultierende Trial-and-Error-Gameplay etwas repetitiv sein kann, dass aber sogar Sackgassen zum Design gehören, ist merkwürdig. Die Steuerung mancher Gerätschaften per Wiimote ist leider recht abstrakt.
Wer nicht zu ungeduldig ist, sich auf Zack & Wiki einlässt und neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen ist, darf sich aber insgesamt auf ein originelles, knuffig buntes Spielvergnügen freuen, das der ganzen Familie Spaß machen kann und technisch vorbildlich umgesetzt ist.
Zack ist schon ein knuffiges Kerlchen und es hat durchaus Spaß gemacht, ihn auf seinem Abenteuer zu begleiten. Bei aller Originalität gab es leider ein paar Punkte, die mich gestört haben. Warum muss ich so viel mehrfach spielen und wenn ich das schon muss, warum kann das nicht ein wenig schneller gehen? Und bei allem Applaus für das Steuerkonzept der Wii, einige Bewegungen, die ich beim Spielen machen mussten, erinnerten wirklich nur sehr grob an die Aktion im Spiel. Sollte es einen Nachfolger geben, hoffe ich, dass die Entwickler an diesen Punkten noch feilen.
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