Test

von  Benjamin "Grappa11" Braun
08.07.2008
Dracula: Origin
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Nach den mehrfachen Auftritten von Sir Arthur Conan Doyles Romanfigur Sherlock Holmes hat sich das ukrainische Entwicklerstudio Frogwares nun mit Abraham van Helsing aus Bram Stokers Gruselklassiker ‚Dracula‘ einen ganz anderen Protagonisten für ihr neues Adventure ausgewählt. Während die smarte britische Schnüffelnase nach dem zweiten Abenteuer allerdings in Ego-Perspektive durch die authentisch nachgebildeten Schauplätze wandeln musste - womit man sich nicht nur Freunde machte -, kehrt man mit dem Vampir-Adventure Dracula: Origin wieder in die gute alte Third-Person-Perspektive und zu einer Point-and-Click-Steuerung zurück.

Von Blutsaugern und Vampirjägern

Jonathan Harker, der ehemalige Lehrling des Vampirforschers Abraham van Helsing, ist alleine nach Transsilvanien, der Heimat des Grafen Dracula, aufgebrochen, um dort seinen Wissendurst zu besänftigen. Eine Mitteilung an seinen Ziehvater lässt das Schlimmste befürchten. Doch nicht nur Jonathan Harker ist in Gefahr, auch seine Verlobte Mina macht sich große Sorgen um ihren Geliebten - schon seit Wochen hat sie keine Nachricht mehr erhalten. Rätselhafte Todesfälle in London scheinen für die Anwesenheit des dämonischen Königs der Blutsauger und seiner Schergen zu sprechen, weshalb sich Professor van Helsing gleich auf die Suche begibt. Als er feststellt, dass Dracula viel weniger Interesse an Harker als an seiner zukünftigen Braut Mina hat, ist es bereits zu spät und der Vampirjäger muss nun nicht nur um das Leben der beiden, sondern um die Zukunft der gesamten Menschheit bangen. Doch eine Chance hat er noch, die finsteren Pläne des Grafen zu vereiteln…

Authentisch, atmosphärisch und unbelebt

Optisch sind die Schauplätze allesamt ansprechend umgesetzt und zeichnen dabei ein authentisches Bild der zu besuchenden Orte im ausklingenden 19. Jahrhundert. Das gilt nicht zuletzt auch für die Kleidung und Innenausstattung der Räume. Hervorheben kann man hier sicherlich die Universitätbibliothek in Wien, die den Entwicklern besonders geglückt ist. Punkten kann das Spiel zudem mit den schönen Licht- und Schatteneffekten. Der Detailgrad ist stark unterschiedlich, dabei aber in keiner Szene zu gering. Insbesondere in den häufigen Abschnitten bei Dämmerung oder in Dunkelheit, geht dieser meist deutlich herunter, wobei gerade diese Schauplätze atmosphärisch am stärksten sind.

Kleinere Schwächen im Detail gibt es im Bereich der Animationen. Lippenbewegungen gibt es an einzelnen Stellen keine, zudem sind diese nicht synchron zur deutschen Sprachausgabe. Auch die eine oder andere Charakteranimation, etwa bei der Aufnahme von Objekten, hätte man vielleicht noch einbauen können. Die vergleichsweise wenigen, aber stets gut umgesetzten Hintergrundanimationen und nicht zuletzt die gelungene Gestik der Figuren, können diese kleinen Mankos aber mehr als aufwiegen. Auch die Zwischensequenzen leisten ihren Beitrag, indem sie nicht nur optisch überzeugen, sondern zudem meist ähnlich gut inszeniert sind wie das Intro.

Dracula: Origin bietet viel für die Augen, auch für die Besitzer von weniger aktuellen PCs. Wer etwas mehr Leistung unter der Gehäuseabdeckung hat, als die moderaten Minimalanforderungen erfordern, darf sich im Grafikmenü mit seinen umfangreichen Einstellungsmöglichkeiten austoben, eine höhere Auflösung einstellen, die Schattenqualität erhöhen oder auch zwischen 2-, 4- und 6-facher Kantenglättung wählen. So vielfältige Grafikoptionen wünscht man sich in jedem Spiel.

Ein Roman den jeder kennt

Die Story des Spiels basiert auf dem Dracula-Roman des irischen Schriftstellers Bram Stoker, weicht aber – von einzelnen Details abgesehen – deutlich stärker davon ab, als manch einer vielleicht vermutet. Die Verbindung zwischen Harker und Van Helsing hat man zum Beispiel angepasst, damit die Handlung nachvollziehbar und logisch bleibt. Dabei beschränkt man sich meist auf Rahmendaten und behält dem Spieler manches Detail vor, das man im Roman vorfinden würde, und dadurch vielleicht besonders interessant sein könnte. Nicht nur wer das Buch kennt kann aber problemlos selbst Brücken schlagen, wo sie fehlen, weshalb man letztlich nicht wirklich etwas vermisst.

An anderen Stellen werden dem Spieler aber auch wissenswerte Hintergrundinfos zugespielt. Schade ist hierbei, dass das oft nicht im Rahmen von Dialogen geschieht, sondern in umfangreichen Bildschirmtexten erlesen werden muss.

Große Namen machen noch keine große Synchro

Obwohl Publisher Koch Media für eine gute deutsche Übersetzung und bekannte Synchronsprecher gesorgt hat, kann man hier nicht von einer überzeugenden Lokalisation sprechen. Hans-Georg Panczak, den man zum Beispiel als deutsche Stimme von Murdoch aus der 80er-Jahre-Serie ‚Das A-Team‘ und nicht zuletzt als Smithers aus den Simpsons kennt, passt nicht so recht zu dem biederen, strengen und nüchternen Abraham van Helsing. Zu der falsch besetzten Hauptfigur gesellen sich noch zahlreiche andere Fehlbesetzungen, besonders schmerzt dabei aber, dass ausnahmslos jede Figur in regelmäßigen Abständen falsch betonte Sätze ausspuckt. Manchmal sind Sätze emotionslos vorgetragen, an anderer Stelle sind sie übertrieben betont.

Sicherlich hat es noch weit schwächere deutschsprachige Synchronisationen gegeben, und in einzelnen Abschnitten, etwa dem Intro, ist die Sprachausgabe seltsamerweise vollkommen in Ordnung, bei nicht viel mehr als einer Handvoll Sprechrollen, der eigentlich hochkarätigen Sprecherwahl - auch Tommi „Alf“ Piper ist in zum Beispiel in einer kleinen Rolle vertreten – und dem vergleichsweise niedrigen Umfang der Sprachausgabe, darf man aber eine bessere Umsetzung erwarten.

Musikalisch hat sich Frogwares auf wenige Stücke beschränkt, die allesamt einfach gestrickt sind, aber stimmig die jeweilige Szene untermalen. Neben klassisch angehauchten Musiken gibt es aber auch einzelne modernere Klänge, die etwa im zweiten Spielabschnitt in Kairo zu hören sind.

Niederländer van Helsing bringt harten (Rätsel-)Stoff

Es ist sozusagen gute Frogwares-Tradition, einer bestimmten Anzahl simpler logischer oder zumindest einfacher Rätsel eine mindestens genauso große Zahl nicht immer logischer oder auch einfach deutlich schwierigerer Rätsel gegenüberzustellen. Auch die Rätsel der zweiten Kategorie sollten erfahrene Spieler bei entsprechend hohem Zeitaufwand alleine knacken können, da ihnen meist kleine aber nützliche Informationen etwa in Form von Tagebucheinträgen oder Kommentaren der Spielfigur zugespielt werden. In einigen Fällen hilft auch simples Ausprobieren, da die Interaktionsmöglichkeiten meist gering ausfallen. Bei ein paar wenigen Rätseln gehen die Entwickler allerdings so spärlich mit Hinweisen um, dass der Blick in die Komplettlösung quasi unausweichlich ist. Einzelne Rätsel wirken zudem leicht aufgesetzt.

Das ändert aber nichts daran, dass die Schauplätze in London, Kairo, Wien und Draculas Heimat Transsilvanien ein reichhaltiges Aufgaben-Repertoire bieten. Neben zahlreichen Inventarrätseln, gibt es viele Logikrätsel und Puzzleaufgaben, die den Spieler unterschiedlich stark fordern und mit ihrer Vielfältigkeit für Abwechslung sorgen. Wer bereits eines der Sherlock-Holmes-Spiele gespielt hat, wird sich rätseltechnisch gleich zu Hause fühlen. Zudem bietet das Spiel zwischen den anspruchsvolleren Aufgaben auch genügend Phasen zum Durchatmen und belohnt einen auch schon mal mit einer Zwischensequenz.

Klick mich

Mit Dracula: Origin kehrt man bei Frogwares nicht nur zur 2,5D-Optik zurück, auch ein Point-and-Click-System ist wieder vorhanden. Das System ist einfach gehalten; mit der linken Maustaste werden sämtliche Interaktionen durchgeführt, egal ob es sich dabei um das Starten eines Dialogs oder das Aufheben eines Objekts handelt. Dazu sind sämtliche im Spiel vorhandenen Hotspots mit einer festen Funktion verbunden. Objekte die man zum Beispiel sowohl ‚untersuchen‘ als auch ‚benutzen‘ kann, sind also auch mit zwei Aktionspunkten versehen. Mehr als zwei zugleich sind es aber nie. Per Druck auf die Leertaste können sämtliche Hotspots im Bild angezeigt werden, was an manchen Stellen wegen der gut versteckten Objekte äußerst nützlich ist.

Die rechte Mausstate dient zum Öffnen und Schließen eines Menüs, in dem neben vollständigen Dialogmitschriften und Van Helsings Tagebuchaufzeichnungen auch eine Übersicht aller im Spiel erhaltener Dokumente zu finden sind. Außerdem erfolgt hier auch der Zugriff auf das Inventar, dessen Handhabung ein wenig komfortabler sein könnte, schnell aber zur Routine wird.

Per Linksklick kann man hier die gesammelten Gegenstände markieren und diese dann mit Objekten benutzen. Um zwei Inventargegenstände miteinander zu verbinden, muss man den einen mit dem Mauszeiger über den anderen ziehen. Mit Zuhilfenahme des Mausrads kann man das Inventar auch schneller durchforsten. Letzteres kann man auch beim Lesen mehrseitige Briefe und andere Schriftstücke verwenden.

Die allgemein übersichtlich gestalteten Menüs werden aber nicht nur dadurch aufgewertet. Wenn Van Helsing eine neue Erkenntnis hat und diese in seinem Tagebuch verewigt, ploppt das Menü automatisch auf und zeigt den entsprechenden Eintrag an. Das ist wichtig, da hier fast immer wichtige Informationen der Spielfigur abgelegt werden, die man ohne diese Funktion auch übersehen könnte. Zugriff auf sämtliche Einträge hat man während des gesamten Spiels.

Ein Spiel nur für Euch

Dracula: Origin ein gutes Adventure geworden, das aufgrund des abwechslungsreichen und oft anspruchsvollen Rätseldesigns besonders Spielern gefallen dürfte, denen schon die Sherlock-Holmes-Spiele gerade deshalb so gut gefallen haben. Auch den Vorzug, ein optisch und musikalisch authentisches Abbild der Zeit, in der die Geschichte angesiedelt ist, zu zeichnen, findet sich im neuen Frogwares-Titel wieder.

Leider wirken die Umgebungen manchmal etwas unbelebt und die Lokalisation ist enttäuschend. Auch die Handlung ist weniger dicht als in den Abenteuern des Manns mit der Pfeife. Dennoch liefert Frogwares mit Dracula: Origin wieder Spielenswertes für Rätselfreunde.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Ein solides Adventure besonders für Liebhaber etwas knackigerer Rätselkost.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • abwechslungsreiche und anspruchsvolle Rätsel
  • hübsche, stimmige und authentische Optik
  • wieder 3rd-Person und Point-and-Click
  • mäßige Sprachausgabe trotz bekannter Sprecher
  • einzelne steril wirkende Hintergründe