Nachdem der mittlerweile fünfte Kinofilm das Ende der "wilden Kerle-Saga" markieren dürfte, kommt über Atari und The Games Company das gleichnamige PC-Adventure Die wilden Kerle 5 – Hinter dem Horizont auf den Markt. Bei Lizenzprodukten muss man sich leider allzu oft berechtigte Gedanken über die Qualität machen, da ein nicht gerade geringer Teil des Budgets für die Lizenz aufgebracht wird. Nichtsdestotrotz gibt es hierzu auch einige Gegenbeispiele, die beweisen, dass solch pauschale Einschätzungen unangebracht sind. Das von Silver Style Entertainment programmierte Werk gehört leider nicht zu besagten positiven Ausnahmen - in unserem Test erfahrt ihr warum.
Zu Spielbeginn befinden sich die vier wilden Kerle Leon, Vanessa, Raban und Maxi in einem Wald und spielen Fußball, wobei Leon der Ball verspringt. Vanessa und er stellen in der folgenden Szene fest, dass das runde Leder mitten in einen Teich gefallen ist und sich zunächst unerreichbar in Seerosen verfangen hat. Spieler, die vielleicht nicht ganz mit der Filmvorlage vertraut sind, erfahren nebenbei, dass Vanessa und Leon ein Paar sind. Die Teenager demonstrieren dies durch einen zärtlichen Kuss, werden aber von Maxi unsanft gestört, denn dieser erschreckt die beiden Turteltauben mit seinem furchterregenden Scherzartikel-Vampirgebiss. Vanessa und Leon nehmen es ihm jedoch nicht krumm, viel beunruhigender ist hingegen, dass Maxis Vampirmelder ausschlägt, was wohl bedeutet, dass fiese Blutsauger den finsteren Wald unsicher machen. Es ist schon spät und so begeben sich die vier Freunde zwecks Nachtruhe zurück zur Lagerstelle. Der nächste Morgen hält die schreckliche Überraschung bereit: Leon ist verschwunden. Ganz klar, dafür können nur die Vampire verantwortlich sein.
Knallharte Wilde-Kerle-Fans werden sich spätestens an dieser Stelle erstaunt fragen, warum nur von vier Charakteren die Rede ist. Für die restlichen drei hatte man im Storyskript scheinbar keine Verwendung und bevor diese nur in der Gegend rumstünden, hat man sie gleich ganz weggelassen. Darüber hinaus gab es weitere kleinere Modifikationen gegenüber der Filmvorlage, die dazu dienen, die Vorlage adäquat ins Adventure-Format zu konvertieren.
In der Haut von Vanessa geht der Spieler Hinweisen nach, die das Verschwinden von Leon auflösen könnten. In typischer Point-and-Click-Manier sucht ihr die Bildschirme, von denen es in Kapitel eins ganze zwei Stück gibt, nach Gegenständen ab, welche dann per Mausklick im Inventar Platz finden und an anderer Stelle im Rahmen typischer Kombinationsrätsel zum Einsatz kommen. Der Kontextsensitive Mauszeiger verrät die jeweils mögliche Aktion. Auch innerhalb des Inventars müssen ab und an Items miteinander kombiniert werden, um die Rätsel zu lösen. Das sollte Spieler, die sich schon einmal an einem Adventure versucht haben, zu keinem Zeitpunkt vor eine große Aufgabe stellen, denn es sammelt sich kaum mehr als eine Handvoll Gegenstände an. So lösen selbst ungeübte Jungabenteurer die Rätsel im Trial-and-Error-Verfahren. Auch der per Mausklick herbeiführbare Tag und Nacht-Wechsel kann dem Adventure keine zusätzliche Würze verleihen, wenn die Charaktere es dem Spieler quasi vorsagen, wann er die Tageszeit wechseln soll. Sollte man dennoch an einem Rätsel hängen, hilft die vorbildliche Hilfefunktion. Dazu klickt man auf das Tagebuch-Symbol, wo alle anstehenden Aufgaben ausführlich beschrieben stehen. Anschließend können sich Jungabenteurer per erneutem Mausklick wertvolle Tipps zu des Rätsels Lösung anzeigen lassen.
Die Steuerung funktioniert völlig problemlos, jeder Befehl wird prompt ausgeführt. Die in Adventures mittlerweile standardmäßigen Komfort-Funktionen, etwa Szenenwechsel durch Doppelklick und die Hotspot-Taste, stehen auch den wilden Kerlen zur Verfügung.
Wir befinden uns noch am Anfang des Spiels: Hat der Spieler, entweder unter vollem Einsatz seiner grauen Zellen oder durch dreistufige Hilfefunktion, den richtigen Hinweis gefunden, ein Medaillon, kann die Suche nach Anführer Leon weitergehen. Besagtes Medaillon führt das eingespielte Team – Achtung: Aha-Effekt – bis hinter den Horizont, wo die Vampire im Schattenreich hausen und der in Stein verwandelte Leon auf seine Rettung wartet. Wer jetzt aufschreit und denkt, dass ihm die Story gespoilt wurde, sei beruhigt oder gewarnt, je nach Sichtweise: Denn nachdem besagtes Medaillon gefunden und das Motorrad für die Reise startfertig gemacht wurde, für geübte Spieler eine Sache von wenigen Minuten, erscheint die simple Texteinblendung „zehn Monate später“. In der nächsten Szene befindet man sich auch schon im Reich der Schattensucher, der Heimstätte Leons Kidnapper.
Die Schattenwelt ist zugegeben etwas gelungener und für die anvisierte Käufergruppe eventuell sogar fordernd, unter normalen Bewertungsmaßstäben jedoch auch nicht besser als unterer Durchschnitt. Hier schlüpft der Spieler auch für kurze Zeit in die Rolle von Raban, Dynamik kommt deswegen jedoch noch lange nicht auf.
Es steht außer Frage, dass sich das Adventure Die Wilden Kerle 5 an Fans der Serie richtet, und somit an ein Publikum grob geschätzt zwischen acht und vierzehn Jahren. Diese Zielgruppe, wir erinnern uns als wir selbst so alt waren, verzeiht oder übersieht schlichtweg, den einen oder anderen Mangel im Gamedesign. Hauptsache die Helden aus dem Fernsehen sind mit von der Partie. Das ist auch vollkommen in Ordnung, wenn jemand mit einem Produkt Spaß hat, interessiert es nicht was die Fachpresse dazu sagt. Genauso hat es sich ja auch mit den Kinofilmen der wilden Kerle verhalten. Diese wurden von der Presse verrissen, spielten an den Kinokassen jedoch Millionen ein.
Erfahrenen Adventurespielern und solchen, die nicht mit der Filmvorlage vertraut sind, sei an dieser Stelle gesagt, dass sie sich beim Spielen von Die Wilden Kerle 5 ein ums andere Mal wundern werden.
Die Tatsache, dass keine Intro-Sequenz vorhanden ist, kann man noch hinnehmen, denn auch mit ausführlichen Dialogen zwischen den Charakteren oder etwa einem Erzähler, der dem Spieler die Rahmenhandlung näherbringt, kann gekonnt Spannung aufgebaut werden. Im Fall von Die wilden Kerle 5 verzichtete man einfach auf alles. Ganze Handlungsbrocken werden weggelassen und die Situation dem Spieler als naturgegeben präsentiert, ganz im Sinne von „so ist es eben“. Da spielen die Teenager in den ersten fünf Sekunden noch Ball, dann landet der Ball im Wasser, Leon und Vanessa gestehen sich eben mal ihre Liebe, Maxi erschreckt die beiden ganz zufällig mit einem Vampirgebiss und sein Vampirmelder, den er am Gürtel trägt, leuchtet auf – Szenenwechsel – am nächsten Morgen ist Leon weg. Mag ja sein, dass die Ausgangssituation für Kenner des Films halbwegs verständlich ist, aber auch die haben doch ein Recht auf etwas Spannung und ein klein wenig Dramatik. So wie man hier als Spieler in die Handlung geworfen wird, ist einfach unschön. Gerade Computerneulingen sollte das Medium doch schmackhaft gemacht werden, was hier eher nicht gelingt. Für die kleinen Fans wären beispielsweise Originalszenen aus dem Film wünschenswert gewesen – leider Fehlanzeige.
Grafisch macht das Adventure des Entwicklers Silver Style durchaus eine gute Figur, wenn auch nicht auf konstant hohem Niveau. So sind einige Szenen zwar sehr detailliert, vor allem die gezeichneten Hintergründe, lassen aber animierte Objekte vermissen, wohingegen andere Szenen voll und ganz überzeugen können. Nachts im Wald wird die Szenerie zum Beispiel durch ein Lagerfeuer erhellt, während den anliegenden Teich seichte Wellen durchziehen und auch mal ein Schmetterling durchs Bild huscht. Nicht ganz mithalten, können die Animationen der in Echtzeit gehaltenen Charaktere, dafür sind diese zu abgehakt und steif.
Zur Synchronisation konnte keiner der Original-Filmsprecher verpflichtet werden. Das ist schade und fällt spürbar ins Gewicht. Die jugendlichen Sprecher bemühen sich zwar, aber auch hier gibt es deutliche Qualitätsunterschiede. Während die Sprechleistung von Hauptcharakter Vanessa durchgehend auf akzeptablem Niveau bleibt, missfallen manche Nebenrollen, etwa die von Maxi und Leon, durch künstlich aufgesetzt wirkende Betonungen. Erfreulich, weil der Atmosphäre zuträglich, sind hingegen die Soundeffekte, wie das Rauschen des Windes oder der unheimliche Ruf der Eule, welche die Nachtszenen mit authentischem Leben erfüllt.
Wir wollen mit einem Kinderadventure wirklich nicht zu hart ins Gericht gehen, denn es ist doch sehr wahrscheinlich, dass der zehnjährige Sprössling mit Die Wilden Kerle 5 seinen Spaß hat. Dennoch sind die Kritikpunkte, gerade im Erzählerischen, nicht von der Hand zu weisen und müssen in die Wertung mit eingehen. Des Weiteren ist es immer schwer eine exakte Spieldauer in einem Review anzugeben, es kann aber mit ziemlicher Sicherheit bestimmt werden, dass DWK 5 – Hinter dem Horizont selbst für die Jüngsten ein kurzes Abenteuer bleibt – fürs ältere Semester reichts wohl höchstens für den Sonntag Nachmittag.
Überdies machten wir Fußballfans in unserer Vorschau Hoffnung auf ein raffiniertes Ende, bei dem die serientypische Liebe der wilden Kerle zum Rasenschach in einem Match gegen Obervampir Darkside und Gefolgschaft thematisiert werden sollte. An dieser Stelle müssen wir leider alle Hoffnungen begraben, denn herausgekommen ist ein pseudotaktisches, undynamisches Minispiel. Ihr positioniert eure drei Teammitglieder auf dem Feld so, dass die Gegner den Ball nicht abgreifen können, dann bestimmt ihr ohne Zeitdruck - niemand bewegt sich - wohin die Pille gepasst werden soll und hofft, dass die Kollisionsabfrage genau genug ist, damit das Zuspiel seinen Mann findet. Während der Ball unterwegs zum Mitspieler ist, verändern auch die Schattensucher ihre Position und rücken euch auf die Pelle. Nach zwei bis drei Spielzügen hat man sich sowieso weit genug vors gegnerische Tor vorgearbeitet, sodass mühelos eingenetzt werden kann.
Ich bin ehrlich: Es war nicht leicht mich in die Spielwelt des vorliegenden Adventures hineinzuversetzen, bin ich doch wohl circa 12 Jahre über der Zeit. Nach ausreichender Gedenkzeit bin ich jedoch zum Entschluss gekommen, dass beinharte Fans der Filme den Wilden Kerlen eine Chance geben können, wenn sie oder die Eltern, sich bewusst sind, dass für die knapp 30 Euro ein zu kurzes, mängelbehaftetes Abenteuer geboten wird, das von der Zielgruppe wohl nur deswegen als gut empfunden wird, weil die Helden aus den Kinofilmen in spielbarer Form vorliegen. Für alle anderen steht – mal wieder – fest: Unterdurchschnittliches Lizenzprodukt.
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