15 Jahre nach der ersten Planung und 13 Jahre nach der ersten Veröffentlichung von Baphomets Fluch hat es Revolutions Klassiker auf Nintendos Point-and-Click-Konsole Wii geschafft. Und es ist nicht einfach nur eine Portierung, sondern ein Director's Cut geworden. Welche Änderungen und Neuerungen das Team um Charles Cecil für alte und potentiell neue Fans der Tempelritter-Geschichte zu bieten hat, zeigt unser Test.
Gleich zu Anfang des Abenteuers wird klar, dass es sich um eine erweiterte Version handelt, denn das Spiel beginnt nicht wie gewohnt mit der Explosion im Café de la Chandelle Verte, sondern einen Tag früher. Spielbarer Charakter ist zunächst Nicole Collard, die von einem Pariser Großindustriellen zu einem Gespräch eingeladen wird. Während dieser kurz in seinem Arbeitszimmer verschwindet, wird er dort von einem verkleideten Attentäter ermordet. Am Tatort findet Nico Hinweise, die sie zu einem weiteren Schauplatz führen. Kurz darauf wird ihr die Story entzogen, offensichtlich setzt man ihren Redakteur unter Druck. Als sich dann noch ein anonymer Informant meldet, um Nicole mit weiteren Informationen zu versorgen, vereinbart sie ein Treffen für den nächsten Tag in eben jenem Café, vor welchem 1996 die Geschichte des Originals begann.
Schon in den Interviews und Ankündigungen haben Charles Cecil und Revolution ausdrücklich betont, dass das komplette Originalspiel seinen Weg in den Director's Cut gefunden hat. Allerdings wurden die Grafiken farblich überarbeitet und sehen jetzt etwas edler aus als seinerzeit die PC-Version. Dazu kommen neu gezeichnete Hintergründe, die durchaus zu den überarbeiteten Originalgrafiken passen.
Das gilt aber leider nicht für die Sprachaufnahmen. 1996 wurden diese stark komprimiert, um Speicherplatz zu sparen. Die neuen Aufnahmen haben eine wesentlich bessere Qualität. Unglücklicherweise wurden im Director's Cut einzelnen Aktionen erweiterte Kommentare hinzugefügt, was dazu führt, dass alte und neue Sprachfetzen im selben Monolog oder Dialog zu hören sind. Daran muss man sich während des Spiels leider erst gewöhnen. Trotzdem weiß die Spielatmosphäre zu gefallen, denn nach wie vor ist die akustische Hintergrundberieselung ausgezeichnet gelungen, die Geschichte gewohnt spannend und die Charaktere sind wie zuvor gut ausgearbeitet. Auch der Spiellogik schaden die neu hinzugekommenen Szenen und Rätsel nicht.
Neu ist natürlich die Steuerung, die an die Besonderheiten der Wiimote angepasst wurde. Einige Rätsel nutzen die Möglichkeit, die Fernbedienung zu drehen, um zum Beispiel einen Safe zu öffnen oder Schnipsel eines Fotos zu sortieren. Ansonsten ändert sich nicht viel gegenüber der Maus-Steuerung, außer dass man bequem vom Sessel aus spielen kann. Obwohl die Sensivität des Cursors nicht einstellbar ist, funktioniert das Point-and-Click-System ausgezeichnet. Die beiden Maustasten wurden auf die Knöpfe A und B der Wiimote umgelegt, wobei der A-Knopf die Haupttaste ist und der B-Trigger an der Unterseite des Controllers die ehemals rechte Maustaste repräsentiert. Es erfordert nur wenig Eingewöhnung, bis man sicher durch das Spiel navigieren kann. Geändert wurde auch der Zugriff auf Optionen und Inventar. Die Inventarleiste am oberen Bildrand gehört der Vergangenheit an, sie wird durch ein Inventar-Icon ersetzt, das sich am unteren rechten Bildrand befindet und permanent eingeblendet bleibt. Das erleichtert zwar den Zugriff, hat aber auch Nachteile, denn ab und zu öffnet man unfreiwillig das Inventar, weil man einen darunter liegenden Bereich der Lauffläche anklicken wollte. Als ob ein Störenfried nicht genug wäre, befindet sich am linken oberen Bildrand zusätzlich das Icon für die Spieloptionen. Neu hinzugekommen sind zwei weitere Funktionen, die über das Optionsmenü abgerufen werden können. Zum einen werden alle Errungenschaften und Erkenntnisse der Protagonisten in einem Tagebuch festgehalten, weiterhin gibt es ein integriertes Hilfesystem, das mehrstufige Hinweise zu Problemlösungen anbietet. Bei Bedarf wird in der oberen rechten Bildschirmecke ein Fragezeichen eingeblendet, über das man sich den nächsten Tipp holen kann. Die Anzahl der verwendeten Tipps wird übrigens zusammen mit der abgelaufenen Spielzeit in den Speicherständen protokolliert.
Das Optionsmenü bietet leider nur wenige Einstellmöglichkeiten. Neben dem vollständigen Fehlen einer Lautstärkeregulierung oder der Konfiguration des Controllers bietet der Director's Cut leider nur 4 Speicherplätze an. Die sind natürlich schnell aufgebraucht, so dass man schon nach kurzer Zeit mit dem Überschreiben beginnen muss. Für Sammler von Spielständen ist das sehr ärgerlich und sollte im Jahr 2009 eigentlich der Vergangenheit angehören. Glücklicherweise wurden im Gegenzug die zeitkritischen und tödlichen Situationen im Spiel entschärft. Wo der Spieler im ursprünglichen Fluch noch zum richtigen Zeitpunkt auf den richtigen Hotspot klicken musste, findet man jetzt animierte Sequenzen, bei denen ein Eingreifen nicht erforderlich ist. Das wirkt sich natürlich sowohl auf den Schwierigkeitsgrad als auch auf die Gesamtspielzeit aus. Obwohl ein kompletter Handlungsstrang mit etwas mehr als einer Stunde Spielzeit hinzugekommen ist, liegt die Spieldauer für Kenner des Originals nur bei etwa 10 Stunden, aber auch Neulinge dürften nach maximal 12 Stunden den musikalisch schön untermalten Abspann sehen. Dafür werden sie allerdings danach mit zusätzlichem Material belohnt. Ein persönlicher Text von Charles Cecil an seine Fans und exklusives Bildmaterial, wie die ersten Konzeptzeichnungen von George und Nico aus dem Jahr 1994 und Fotos des Revolution-Teams von 1990 können nach Beenden des Spiels bewundert werden. Interessant ist die DVD auch für Liebhaber weiterer Sprachversionen; sie enthält die vollständigen Lokalisationen in deutscher, englischer, französischer, spanischer und italienischer Sprache.
Die Macher haben sich Mühe gegeben, so viel steht fest. Sicher hätte man einiges noch besser machen können, die Mängel sind aber maximal leicht störend. Ob eine exklusive Veröffentlichung für DS und Wii die richtige Entscheidung ist, sei aber dahingestellt - stößt man doch damit dem durchschnittlichen Adventurespieler und Baphomet-Fan vor den Kopf. Denn der spielt in der Regel am Windows-PC und eine solche Version scheint offenbar nicht geplant zu sein. Wer allerdings eine Wii sein Eigentum nennt und ein Fan der Reihe ist, kann hier ruhigen Gewissens zugreifen. Der Director's Cut ist durchaus eine Bereicherung für die Baphomet-Sammlung. Auch Wii-Spieler, denen die Abenteuer von George und Nico noch völlig fremd sind, bekommen mit dieser Ausgabe einen guten Einstieg in die Serie geboten.
Es fühlte sich anfangs seltsam an, einen solchen Klassiker auf der Couch und einem großen Bildschirm zu spielen. Nachdem ich mich aber an die veränderten Bedingungen gewöhnt hatte, ließ mich das Spiel nicht mehr los. Die neuen Szenen und Rätsel, die an verschiedenen Stellen eingestreut wurden, haben stark motivationsfördernd gewirkt, so dass ich schon nach drei Sitzungen den Abspann vor mir hatte. Die Angst, der Directors Cut könnte lediglich ein lauwarmer Aufguss seines Vorbilds sein, hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil, das Spiel wurde gut aufgewertet. Ich hoffe, dass auch der zweite Teil seinen Weg auf die Konsole finden wird. Aber auch ein Directors Cut für den PC wäre ein netter Zug von Revolution, allein schon als Belohnung für die Fangemeinde, die der Serie schon seit mehr als einem Jahrzehnt die Treue hält.
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