Test

von  JackVanian
06.06.2009
Downfall
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Splatterfreunde werden vom Adventure-Genre traditionell eher selten verwöhnt. Ein Umstand, dem der polnische Indie-Entwickler Harvester Games nun persönlich Abhilfe leistet. Wie sich das bizarr-blutige Erstlingswerk Downfall dabei schlägt, erfahrt ihr in unserem Test.

Das Haus der 1000 Leichen

Horrorfans auf der Durchreise wissen, dass es im Falle eines schweren Unwetters meist besser ist, nicht in einem abgewrackten Kleinstadthotel abzusteigen. Hätte dies nur jemand Joe Davis erzählt, der sich mit seiner von unerklärlichen Panikattacken heimgesuchten Frau Ivy in einem jener notorischen Hotels niederlässt. Bereits am nächsten Morgen ist nichts mehr, wie es zuvor gewesen ist: Ivy ist verschwunden, die Wände des Hotels in Blut getränkt. In einem real gewordenen Albtraum stößt Joe auf Räume voller Leichen und unbeschreiblicher Gräueltaten. So beginnt auf der Suche nach seiner Frau eine Reise ins Zentrum des Wahnsinns, nie wissend, wo die Grenzen zwischen Realität und fiebrigem Irrsinn enden.

Betont altmodische Rätselkost

Zum Großteil sind wir im Hotel und der näheren Umgebung damit beschäftigt, Gegenstände aufzusammeln und diese anderenorts mit der Spielwelt zu kombinieren. So verschaffen wir uns Zugang zu neuen Räumen und werden Zeugen immer absurderer Grausamkeiten. Gesteuert wird der teilweise etwas störrische Joe Davis dabei nach klassischer Point-and Click-Manier. Während die linke Maustaste zum Interagieren dient, lassen sich mit der rechten Maustaste Gegenstände betrachten. Wahlweise obliegt es dem Spieler, unseren Protagonisten statt mit der Maus auch mit den Cursor-Tasten unserer Tastatur fortzubewegen. Durch die hohe Anzahl begehbarer Locations wartet das Spiel oftmals mit der Möglichkeit auf, nicht alle Rätsel in einer festgelegten Reihenfolge absolvieren zu müssen. Angenehm fällt dabei auch auf, dass die Rätsellösungen zum größten Teil sehr plausibler Natur sind und damit nicht in unfaire Gewässer abdriften. So kommen interaktive Horrorfans mit konkretem Nachdenken wesentlich weiter als mit Trial and Error. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel, wie sich folgendem Beispiel entnehmen lässt: Zu Beginn des Spiels wird händeringend der Schlüssel zu einem der Hotelzimmer gesucht. Schnell finden wir heraus, dass ein Haustier den besagten Gegenstand verschluckt hat. Und klar, was läge nun näher, als das Tier abzuschlachten und den Schlüssel an uns zu nehmen, obwohl sich die Tür im Ernstfall auf zig andere Arten öffnen ließe? Trotz aller Grausamkeiten, die es im Laufe des Spiels zu begehen gilt, bildet diese Konfrontation zwischen Rätseldesign und reißerischem Ekel-Effekt glücklicherweise die Ausnahme.

Entschuldigen Sie junge Dame, Sie haben gerade Ihren Schlüpfer verloren

Vereinzelt bietet Downfall die Wahl, in bestimmten Situationen auf zwei verschiedene Arten vorzugehen. So versucht uns zum Beispiel eine untote Schönheit mit ihren Reizen in ihr Schlafzimmer zu locken. Den Weg zu Selbigem zeigt sie uns, indem sie eine Spur aus entledigten Kleidungsstücken legt, die uns bis zu ihrem Gemach führt. In einem Optionsmenü ist es nun an der Zeit, zu entscheiden, ob wir der Versuchung nachgeben und ein Schäferstündchen mit ihr einlegen oder Ehefrau Ivy treu bleiben. Selten auftretende Szenen wie diese können zum einen für eine marginale Veränderung des Spielverlaufs sorgen, zum anderen aber auch das Finale des Spiels beeinflussen. Dieses bietet dem Spieler drei Möglichkeiten, wie er die Geschichte zu Ende bringen will. In Kombination mit zuvor getroffenen Entscheidungen ergeben sich so fünf mehr oder weniger voneinander abweichende Endsequenzen. Die eigentliche Pointe bleibt davon unberührt jedoch stets dieselbe. Verliert Joe Davis auf dem Weg hierhin sein Leben, was vereinzelt geschehen kann, stehen ihm drei Continues zur Verfügung. Wobei es natürlich auch nach dem finalen Ableben jederzeit möglich ist, einfach einen alten Spielstand zu laden.

Unpolierter Wahnsinn

Leider macht Remigiusz Michalskis kommerzieller Erstling an allerlei Ecken und Kanten einen mehr als ungeschliffenen Eindruck. Im schlechtesten Fall kann dieser Umstand dazu führen, dass sich manch ein Spieler als Betatester wähnen mag. Ein bitteres Beispiel: Ein Rätsel lässt sich nur durch Teamarbeit lösen. Dumm nur, wenn die Person, die uns zu diesem Zeitpunkt eigentlich begleiten sollte, auf einmal spurlos verschwindet und nicht mehr gesehen wird. Ebenfalls sehr nervenaufreibend: Gelegentlich kommt es vor, dass wir keinen unserer Inventargegenstände anklicken können. Auch ein Neustart hilft hier nicht zwangsläufig weiter. Stattdessen lässt sich nach wenigen Minuten wie von Zauberhand wieder auf unser Inventar zugreifen. Wird hingegen der zeitweise spielbare Charakter Agnes angeklickt, landen wir auf dem Desktop. Selbiges ließ sich während des Testens an zwei weiteren Stellen feststellen, in denen der Spieler etwas tut, worauf das Programm nicht vorbereitet ist. Sieht man von einigen weiteren harmloseren Bugs ab, gibt es es reichlich Dinge zu entdecken, die sich gut ins unpolierte Gesamtbild einfügen. Gibt es im Inventar zwei Gegenstände, die miteinander verwendet werden können, so existiert ausschließlich eine Möglichkeit, sie zu kombinieren. Benutzt man etwa die Schrotflinte mit der Schrotflintenmunition, folgt prompt der Hinweis, dies würde keinen Sinn ergeben. Verfahren wir andersherum, haben wir Erfolg. Vereinzelt kann auch das Verwenden von Inventargegenständen auf die Umwelt eine haklige Angelegenheit werden, da einige wenige Hotspots plötzlich verzogen und nur mit Mühe zu erfassen sind. Zählt man die eigentlichen Bugs zusammen, darf man von einem kommerziellen Adventure-Game-Studio-Titel sicherlich einiges mehr an vorherigem Testen erwarten.

Mutter, der Mann mit der Axt ist da

Dass Downfall Technikliebhaber nicht verwöhnt, dürfte jedem klar sein, der sich Screenshots des interaktiven Gemetzels angesehen hat. Dennoch stellen die handgezeichneten Hintergründe einen elementaren Bestandteil der Atmosphäre dar. Denn visuell geht es hier nicht weniger düster zu, als die Inhaltsbeschreibung bereits vermuten lässt. Besonders einige in schwarz-weiß gehaltene Hintergründe sorgen für starke Beklemmung. Gleiches gilt für viele verstörende Details, welche es in den diversen Räumlichkeiten zu entdecken gibt. Und wenn wir merkwürdige Wände betrachten, die aus verstörenden Lebewesen zu bestehen scheinen, wird schnell deutlich, dass die Dark Seed-Reihe von Cyberdreams am Entwickler nicht spurlos vorbei gegangen ist. Leider schwankt der Aufwand, der in den einzelnen Screens betrieben wurde, allerdings stark. Kann man vielen Locations den Atmosphärebonus zugute halten, wirken wieder andere auf die Schnelle dahingekritzelt, verwaschen und auf den letzten Drücker noch eingeschoben. Zumindest eine einheitliche Hintergrundqualität wäre hier wünschenswert gewesen. Zumal sich auch einige der 2D-Sprites nicht sonderlich gut in die Umgebungen einfügen. Hauptcharakter Joe Davis wirkt mit seinem verpixelt-klobigem Äußeren bisweilen wie ein Fremdkörper innerhalb der Screens. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass wir im Laufe des Spiels kurzzeitig in die Haut von drei anderen Personen schlüpfen werden. Zwei von ihnen wirken deutlich glatter und organischer in die Hintergründe implementiert. So stellt sich die Frage, ob ein anderes Darstellungsmodell für Joe Davis nicht vielleicht eine bessere Wahl gewesen wäre. Unfreiwillig komisch wirken hingegen manche Bewegungsanimationen, sobald sich mehr als ein Charakter aktiv durch einen Screen bewegt. Flüchten wir zum Beispiel vor einem lokalen Axtmörder und versuchen, uns diesen vom Leib zu halten, nimmt das Jagdverhalten unseres Gegenübers, dank der ungenauen Wegfindung, bisweilen leicht bizarre Formen an. Nicht unfreiwillig komisch, da selten vorhanden: Die Hintergrundanimationen. Wenn Blitze und depressive Regengüsse dann doch einmal für Bewegung sorgen, ist das nicht weltbewegend, funktioniert aber aus atmosphärischer Sicht.

Sprachlos ins Verderben

Zumeist zwischen melancholisch und bedrohlich pendelnd, drängt sich die Ingame-Musik selten in den Vordergrund. Gleichzeitig stützt sie dafür subtil das grausige Szenario, welches sich dem Spieler vermittelt. Seien es bedrückende Klaviermelodien, aufpeitschende E-Gitarren-Riffs oder elektronisch treibende Beats, musikalisch wirft Downfall ein gutes Licht ab. Umso wichtiger, da das Spiel komplett auf Sprachausgabe verzichtet. Für das melancholische Outro-Stück "Thousand Shades of Red" griff Entwickler Michalski übrigens höchst selbst in die Saiten und fungiert dabei ebenfalls als Sänger. In Punkto Hintergrundgeräusche gibt sich das Spiel spartanisch, sorgt aber mit dosierten Soundeffekten für angemessene Stimmung.

Fazit

Dank intensiver Atmosphäre, einem völlig abgedrehten Setting und größtenteils gelungenem Rätseldesign bietet Downfall hartgesottenen Horrorfans (und zwar ausschließlich denen) mindestens fünf unterhaltsame Stunden zum erschwinglichen Preis von 9,99$. Durch die vielen Fehler wird das an und für sich angemessene Preis-Leistungsverhältnis allerdings merklich nach unten gezogen. Fans von Dark Seed und Konsorten können am Ende zwar mit gutem Gewissen zugreifen, sollten aber in Erwägung ziehen, auf die bereits geplante Update-Version zu warten. Unentschlossene sollten sich anhand der Demo selbst einen Einblick verschaffen.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Keine Frage, Downfall gibt sich große Mühe, so geschmacklos wie möglich zu sein. Egal ob es um brutalste Mord-Szenarien oder einen deutschen Nazi-Arzt geht, der im Hotel mit Vorliebe Experimente an Menschen vornimmt. Dennoch ist hier und da auch Platz für ein schwarz-humoriges Augenzwinkern. Gleichwohl der satirische Aspekt hier nicht so pointiert daherkommt wie etwa in Harvester. Gerade die ersten Minuten des Spiels machten es mir noch schwer. Warum soll ich mich für einen derart blassen Hauptcharakter interessieren, der lediglich dadurch auffällt, beeindruckend oft die Worte Fuck und Bitch in den Mund zu nehmen? Wie soll ich eine Motivation entwickeln, seine nicht minder verhaltensauffällige Frau zu finden? Doch sobald das Horror-Hotel damit begann, seine ersten finsteren Geheimnisse aufzublättern, ließ mich die Suche nach der nächsten aberwitzigen Situation, der nächsten Antwort auf die mysteriös-durchgeknallten Vorgänge, nur noch schwer los. Auch wenn Downfall bei weitem nicht perfekt ist, zeigt es, dass Remigiusz Michalski in Zukunft durchaus noch einiges zuzutrauen ist. Und ganz nebenbei wundert es mich auch nicht, dass er das Spiel zu großen Teilen an seinem früheren Arbeitsplatz geschrieben hat... einer Nervenheilanstalt.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Dichte Atmosphäre
  • Größtenteils gelungenes Rätseldesign
  • Motivierender Story-Aufbau
  • Passender Soundtrack
  • Bugs
  • Keine Sprachausgabe
  • Blasser Hauptcharakter
  • Qualität der Hintergründe schwankt
  • Einige Charakter-Sprites fügen sich nicht gut in Umgebungen ein