Test

von  Benjamin "Grappa11" Braun
07.04.2009
Still Life 2
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Fortsetzungen haben es selten leicht - ganz besonders bei Spieleproduktionen. Gerade bei Überraschungserfolgen kommt es selten vor, dass ein Sequel die Qualität des Vorgängers erreicht und falls doch, zerplatzt der Traum von zufriedenen Spielern und guten Verkaufszahlen nicht selten, da die ins Unermessliche gestiegene Erwartungshaltung der Fans unmöglich zu erfüllen ist. Wenn dann noch ein Entwicklerwechsel hinzukommt und früh bekannt wird, dass das Spiel in Echtzeit-3D umgesetzt wird, während der Vorgänger mit einer ansehnlichen 2,5D-Optik aufwarten konnte, trägt das nicht unbedingt zur Wahrscheinlichkeit bei, das gesteckte Ziel zu erreichen. Die Rede ist natürlich von Still Life 2, in dem sich FBI-Ermittlerin Victoria McPherson zum zweiten Mal nach 2005 auf die Jagd nach einem Serienkiller begibt.

Wir haben uns das Still-Life-Sequel der Gameco Studios angesehen und sagen Euch, ob der Titel in einer Klasse mit seinem beliebten Vorgänger spielt.

Wer ist Mr. X

Das ist die Frage, die sich nicht nur FBI-Ermittlerin Victoria McPherson stellte, nachdem sie den Killer mit ihrer Dienstwaffe anschießt und beobachtet, wie er im eiskalten Nass versinkt. Auch die ultraschlanke aber dennoch üppig ausgestattete, stuppnäsige und sommersprossige Brünette weiß immer noch nicht, wer sich hinter der Maske verbirgt, denn - wie sollte es auch anders sein - die Leiche wurde nie gefunden. Da ihr damaliger Chef die Fallakte schließt, kündigt sie beim FBI, um sich auf eigene Faust auf die Jagd nach dem verschollenen Unhold zu machen.

Dieser Teil der Handlung spielt im Jahre 2005 und taucht im Rahmen des Spiels, so viel sei an dieser Stelle verraten, nur sporadisch auf und dient lediglich dazu, einen Bogen zum Vorgänger zu schlagen, welcher mit der übrigen Handlung nichts zu tun hat.

2008: Victoria hat den Weg zurück zum FBI gefunden und ermittelt in einer weiteren Mordserie. Die Fernsehjournalistin Paloma Hernandez hat dem Mörder den Namen Ostküsten-Killer verpasst und berichtet in reißerischer Manier über dessen Untaten. Der Täter sucht sich stets junge Frauen aus, die darüber hinaus allerdings kaum etwas gemein zu haben scheinen. Was sich gleicht, ist der ritualisierte Ablauf des in weiten Teilen Neuenglands tätigen Verbrechers. Nachdem er sich sein Opfer gesucht hat, entführt er es und spielt grausame Spiele auf Leben und Tod mit ihnen, bis er sie nach mehreren Tagen Quälerei schließlich mit einem Kopfschuss richtet. Danach verstümmelt er die Opfer, beseitigt sämtliche Spuren und entledigt sich der Leichen irgendwo in der Pampa.

Sein nächstes Opfer findet er in eben jener Fernsehreporterin Paloma Hernandez, die ihm mit ihren Fernsehberichten zu zweifelhaftem Ruhm verholfen hat. Nach der gewaltsamen Entführung legt der Killer gezielt Hinweise, die Vic McPherson immer näher zum Täter führen...
In Still Life 2 macht Vic einige grausige Entdeckungen.

Culpa artis

Jeder weiß: Nicht jedes 3D-Adventure ist hässlich. Selbst wenn einem dabei zunächst Titel wie das dritte Abenteuer von Zauberlehrling Simon oder aus der jüngeren Zeit das potthässliche Culpa Innata in den Sinn kommen mögen. Still Life 2 fährt schon rein thematisch eine ganz andere Schiene. Als Mystery-Thriller hat das Spiel den unleugbaren Vorteil, hier und da auch mal an Beleuchtungsquellen sparen zu können um für Stimmung zu sorgen, was letztlich auch der Kaschierung teils massiver optischer Schwächen zu Gute kommt. Gelingt es im Bereich der Texturen trotz hin und wieder besonders matschiger Exemplare und immer wieder einzelner flackernder Elemente insgesamt eine ansprechende Kulisse zu erzeugen, funktioniert das bei den Animationen nur sehr bedingt.

Sowohl die Standards und wenigen Spezialanimationen wirken notdürftig und unfertig, manchmal auch stümperhaft. Besonders wenn Vic sich auf der Stelle wendet, nach einem Türgriff greift oder ein Objekt aufnimmt, sieht das nicht wirklich gut aus. Auch im Detail bietet das Spiel selten etwas Überzeugendes. Wenn Vic einen Deckel im Boden öffnet, läuft die nicht abbrechbare Animation stets komplett durch und offenbart bei jedem weiteren Anblick, wie schwach solche Charakteranimation doch umgesetzt sind. Es gibt durchaus auch gelungere Animationen, etwa wenn Vic einen Metalldetektor benutzt oder auch (meist) wenn sie Treppen steigt. Diese sind aber auch nicht perfekt und nerven spätestens beim dritten Mal, wenn man sie sieht und nicht einfach wegklicken kann. Mimik und Gestik sind auch nicht viel besser, wobei man deutlich sagen muss, dass die Entwickler ganz klar an den wichtigsten Stellen deutlich mehr Zeit und Mühe investiert haben, was den allgegenwärtigen Eindruck einer hohen Kompromissbereitschaft mit Blick auf einen knappen Zeitplan bestätigt.

Aber auch wenn die Qualität nicht überzeugen kann, steht die Optik der Stimmung seltener im Wege als man vielleicht meinen könnte. Das liegt auch an der insgesamt geglückten Ausleuchtung der meist sehr düsteren Schauplätze, wobei das Spiel auch in diesem Bereich alles andere als frei von Fehlern ist. Aufgewogen werden können die meisten Makel in der Präsentation zudem durch die zahlreichen und umfangreichen Videosequenzen, die oftmals exzellent inszeniert sind und dabei gleichsam für Spannung, Identifikation und Unterhaltung sorgen. Die Filme kann man sich später auch im Spielmenü beliebig oft nochmal ansehen. Gelungen sind darüber hinaus die Schatten der Spielfiguren, die allerdings auch nur auf höchster Detailstufe zur Geltung kommen.

Das ist nicht mein Tresor, das ist mein Kofferraum

Der Mönchengladbacher Publisher rondomedia hat bislang noch für keine erstklassige Lokalisation gesorgt, wenngleich keines ihrer Spiele (im Gegensatz zu denen mancher großer Publisher) unterdurchschnittlich vertont wurde. Still Life 2 reiht sich hier mit einem kleinen Plus nahtlos ein. Die Sprecher sind überwiegend passend gewählt und sprechen ihre Rollen ordentlich ein. Der Eindruck krankt während der Dialoge teilweise etwas an der mangelhaften Mimik der Spielfiguren. Teilweise fehlerhaft ist die Übersetzung, bei der aus einem Kofferraum nicht nur in den Untertiteln auf einmal ein Tresor wird. Solche Stellen gibt es immer wieder mal im Spiel, besonders Abweichungen zwischen Untertiteln und gesprochenem Text, allerdings nie so oft, dass es einen ernsthaft negativen Eindruck hinterlassen könnte.

Nicht so schön sind Ungleichheiten bei Vics Sprecherin. Dabei klingen einzelne Kommentare merklich anders und weichen auch mal in der Lautstärke deutlich ab. Die Hintergrundmusik ist passend gewählt und bietet sowohl Stücke, die man auch in einem Hitchcockstreifen erwarten würde als auch solche, die eher aus einem modernen Horrorfilm entnommen sein könnten. In besonders spannenden Momenten wird die Atmosphäre so geschickt verstärkt. Ungereimtheiten gibt es aber auch hier, was besonders bei den oft unsauberen Übergängen auffällt.
Ähnlich wie in den CSI-Spielen steht der<br /><br />FBI-Ermittlerin ein Untersuchungsset zur Verfügung.

I Saw Still Life in CSI

Der französische Publisher Microids hat schon vor geraumer Zeit seinen neuen Mystery-Thriller als Mixtur aus Point-and-Click-Adventure und Survival-Horror beschrieben. Die Befürchtungen waren also nicht unbegründet, dass es sich bei Still Life 2 nicht mehr um ein richtiges Adventure handelt.

Tatsächlich haben es einige neue Gameplay-Features, die es so im Vorgänger nicht gab, ins Spiel geschafft, die nicht gerade mit dem Begriff Adventure in Verbindung gebracht werden können. Dennoch kann man in diesem Punkt eindeutig Entwarnung geben - auch Still Life 2 spielt sich vom Anfang bis zum Ende wie ein Adventure, auch wenn es sich nicht immer danach anfühlt.

Neben Inventar- und Kombinationsrätseln, die auch in diesem Spiel den größten Teil der Aufgaben ausmachen, gibt es auch zahlreichen Coderätsel und so manche andersartige Aufgabe, die logisches Denken erfordert. Geschicklichkeitseinlagen gibt es nicht eine einzige im Spiel. Erweitert hat man das Gameplay nicht zuletzt um Funktionen, wie man sie besonders aus den CSI-Spielen kennt und die beim ersten Teil nur sehr selten zum Einsatz kamen. Dabei steht Vic ein Instrumentenkoffer zur Verfügung mit dem sie Fingerabdrücke nehmen oder Gewebeproben aufnehmen und analysieren kann. Hinzugekommen ist außerdem der häufigere Einsatz von Zeitdruckpassagen, bei denen die beiden spielbaren Charaktere Vic und Paloma innerhalb einer begrenzten Zeit kleinere Aufgaben erfüllen müssen. Zwar münden diese Passagen immer im Ableben der Spielfigur, sofern man nicht rechtzeitig die nötigen Aktionen durchführt, der Zeitrahmen ist aber in aller Regel großzügig bemessen und die Aufgabe nicht sonderlich schwierig. Die Rätsel werden im späteren Spielverlauf zwar anspruchsvoller, gleichzeitig wird aber auch der Zeitrahmen erweitert. Kaum jemand wird dem vorzeitigen Tod bei jeder der zahlreichen Gelegeheiten schon im ersten Versuch entgehen können, das Spiel legt an solchen Stellen aber für gewöhnlich automatisch ein Savegame an. Darüber hinaus kann man praktisch zu jeder Zeit im Spiel speichern.

Am Laden von Spielständen wird man allerdings mehr als nur einmal im Spiel nicht vorbeikommen. Es besteht, neben den genannten Zeitdruckpassagen, an manchen Stellen die Möglichkeit verletzt zu werden. Eine Verletzung hat zunächst keine Auswirkungen, eine weitere bedeutet jedoch den Tod. Dazu stehen Heilmittel zur Verfügung, die man aber nicht häufig brauchen wird. Um Verletzungen durch nicht beseitigte Fallen zu entgehen, wird man nämlich letztlich nur leicht genötigt, das Problem adventuretypisch zu lösen, indem man die Falle im Rahmen eines Rätsels entschärft.

Der überwiegende Teil der Rätsel in Still Life 2 ist gelungen und sollte gerade jenen Spaß machen, die einem abwechslungsreichen, mal seichteren, mal deutlich anspruchsvolleren Rätseldesign etwas abgewinnen können. Besonders werden sich die freuen, die es lieben, immer ein Blatt Papier neben sich liegen zu haben, um Zahlen zu notieren oder mögliche Codelösungen auszutüfteln.

Auch wer gerne mal Dokumente wälzt, wird sich in Still Life 2 zuhause fühlen. Im PDA von Vic stehen nämlich zahlreiche Dokumente zur Verfügung, die sie im Laufe des Spiels einsammelt. Diese beinhaltet oft wichtige Hinweise oder geben tiefere Einblicke in Handlung und Charaktere. Neben Dokumenten gibt es dort auch Sprachfiles oder Bilder, die einem ebenfalls bei vielen Rätseln hilfreich zur Seite stehen. Darüber hinaus bietet das PDA bzw. das weniger umfangreiche Diktiergerät von Paloma eine Art Questlog. Darin werden die wesentlichen Ziele aufgeführt, die man im weiteren Verlauf abhandeln kann, wobei fast alle davon verpflichtend sind. Wirklich hilfreich sind sie aber eher seltener, da die Beschreibung der Ziele meist sehr allgemein gehalten ist.

Schnitzer und Designsünden gibt es nicht wenige. Stören kann man sich teilweise am Scripting, das nicht selten die ohnehin recht umfangreiche Lauferei verstärkt und mitunter für Verständnislosigkeit sorgt, weshalb diese oder jene Aktion, Dialogoption oder sonstiges nicht schon vorher verfügbar war. Ein weiteres Manko ist das Fehlen einer Hotspotanzeige, da manchmal Objekte aufgrund der Lichtverhältnisse schwer zu erkennen oder einfach viel zu klein geraten sind. So kann man leicht etwas übersehen, was so mancher verzögert verfügbare Hotspot verschlimmert. Unnötig spielzeitverlängernd ist auch das begrenzte Inventar. 16 Felder stehen da zur Verfügung, die mit unterschiedlich großen Objekten befüllt werden wollen. Der Platz reicht in vielen Situationen nicht aus, um alles bei sich tragen zu können, was gerade zur Verfügung steht. Dazu gibt es zwar Objektstationen, in die man quasi unbegrenzt Gegenstände einlagern kann, gerade wenn man aber mal hängt und gerne an Ort und Stelle alles mit einem Hotspot ausprobieren will, geht das schlichtweg nicht.
Viele toll inszenierte, stimmungsvolle Cutscenes<br /><br />tragen ernorm zur Atmosphäre des Mystery-Thrillers bei.

Vor allem ungeduldige Spieler dürfte das stören, über den insgesamt guten Eindruck aber kann das nicht hinwegtäuschen. Zumal man zusätzlich positiv hervorheben muss, dass es trotz des recht festen Skripts an zahlreichen Stellen unterschiedliche Lösungswege gibt. In einer Szene kann man zum Beispiel mit einem schweren Feuerlöscher eine verschlossene Tür einschlagen. Die Alternative ist mit demselben Apparat ein paar Ratten per Schaumdusche zu verscheuchen, um an den Schlüssel zu jener Türe zu gelangen. Meistens sind diese Alternativen nur bei solchen, eher kleineren Aktionen vorzufinden, an einigen Stellen sind die unterschiedlichen Möglichkeiten, eine Aufgabe zu lösen, jedoch komplexer. Das kann mitunter auch dafür sorgen, dass Hänger vermieden werden, ohne dass der Spieler dies direkt merkt.

Fazit

Still Life 2 hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Auf der einen Seite stehen überwiegend gelungene Rätsel, eine spannende Story, eine ordentliche Vertonung, klasse Cutscenes, eine gute Spielzeit von mindestens 10-12 Stunden und sicherlich auch der niedrige Preis. Auf der anderen Seite stehen viele Detailfehler, Schnitzer im Spieldesign, die streckenweise auch die Dramaturgie gefährden und eine überaus mittelmäßige Ingameoptik.

Viel hat Still Life 2 mit seinem Vorgänger nicht gemein, wenn man vom Hauptcharakter Vic McPherson und ihrer Kollegin Claire einmal absieht. Wirklich interessant für Liebhaber des Vorgängers ist zumindest die Aufklärung der Identität von Mr. X. Stimmungsvolle Szenarien, wie das im Prag der späten 20er Jahre, sucht man hier vergebens. Was dieses Spiel nicht selten besser macht, ist die Vermittlung von Spannung und Nervenkitzel auch außerhalb der Videosequenzen und auch das Rätseldesign wirkt trotz einiger andersartiger Schwachpunkte insgesamt durchdachter und weniger willkürlich.

Still Life 2 befindet sich aufgrund der deutlich schwächeren Optik, manchem Designschnitzer oder fragwürdigen Gameplay-Feature zwar nicht ganz auf Augenhöhe mit Vics erstem Abenteuer, dennoch kann man das Spiel Genre-Fans, die sich an den teilweise sehr speziellen Eigenschaften des Titels nicht stören und Lust auf ein spannendes Abenteuer haben, ohne größere Bedenken empfehlen.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Ich habe Still Life damals nicht als Überadventure erlebt. Die Spielabschnitte im Prag der 20er Jahre, die wunderbar inszenierten Zwischensequenzen und allgemein tollen Hintergründe vermittelten aber eine Atmosphäre, die ich streckenweise als phänomenal in Erinnerung habe. Gerade in diesen Bereichen waren meine Erwartungen deshalb besonders hoch.
Still Life 2 schafft es in diesen Punkten nicht ganz seinem Vorgänger das Wasser zu reichen, was vor allem an der mässigen Ingame-Optik liegt. Das Spiel bietet aber ebenfalls über weite Strecken eine spannende Atmosphäre, wobei es im Gegensatz zum Vorgänger weniger in Richtung Vidocq sondern mehr in Richtung Saw geht. Spielerisch hat mir Still Life 2 über eine Spielzeit von gut 12 Stunden hinweg trotz ein paar fragwürdiger oder teils überflüssiger Gameplay-Features jedoch gut, teilweise sogar besser als Teil 1 gefallen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • interessante Story
  • viele schön inszenierte Videosequenzen
  • überwiegend schöne Rätsel
  • spannungsgeladene Atmosphäre...
  • ... die in einzelnen zäheren Abschnitten etwas leidet
  • schwache Ingame-Grafik
  • technisch nicht ganz ausgereift
  • begrenztes, manchmal fummeliges Inventar