The Westerner – Dieser Titel stand 2004 für unterhaltsame Adventure-Kost im Wild-West-Setting. Sicherlich ärgerte uns schon damals der eine oder andere Bug, aber im Großen und Ganzen erhielt die Adventure-Gemeinde ein charmantes, buntes 3D-Comic-Abenteuer mit verrückten Rätseln und einem gut aufgelegten Fenimore Fillmore. Heute, fünf Jahre später, bringt Revistronic Fenimore zurück auf die Bildschirme: düsterer, ernster und viel schlechter.
Das, was die Entwickler Story nennen, entpuppt sich als banal: Während Fenimore mit seiner heißen Freundin Rhiannon durch die Prärie reitet, trifft das turtelnde Pärchen auf den schwer verwundeten Ex-Räuber Carson, der vor seinem ehemaligen Spießgesellen Stevens flüchtet. Klar, dass es hier nur um Bares gehen kann. Stevens ist hinter einem Schatz her, den Carson irgendwo deponiert hat. Besagten Ort nennt Carson der schönen Rhiannon in letzter Sekunde vor Stevens Eintreffen, der nicht lange zögert Fillmore zu erschießen und seine Freundin zu entführen. Später wacht Fenimore im Haus eines weiteren ehemaligen Kollegen Stevens und Carsons auf, Baker, der jetzt ein beschauliches Leben in Abgeschiedenheit führt, euch aber bei eurer Mission unter die Arme greift. Das Ziel ist klar: Rache nehmen, Freundin retten und Schatz finden.
In sieben unterschiedlich langen beziehungsweise kurzen Kapiteln scheucht ihr Fenimore und Rhiannon abwechselnd per Mausklick durch die größtenteils dröge Szenerie und sucht die scrollenden Bildschirme nach Items ab, die ihr zur Lösung der mal mehr und mal weniger logischen Rätsel braucht. Da sich die Entwickler die heutzutage eigentlich standardmäßige Hotspot-Anzeige gespart haben, feiert längst ad acta gelegtes Pixelhunting ein Comeback.
Nicht jedes Rätsel aus The Westerner 2 ist sofort durchschaubar. Tatsächlich weiß man oft gar nicht, was zu tun ist, nicht zuletzt wegen komplett fehlender Kommentare zu Spielwelt und Items. Klickt ihr zur näheren Betrachtung auf einen Gegenstand, fokussiert ihn die Kamera, mehr aber auch nicht. Nicht selten steht man dann orientierungslos da und rät, welche Aktion nun angebracht ist. So muss man erst einmal darauf kommen, dass sich mit einem Eimer Baumharz und Kaminruß eine Sonnenbrille herstellen lässt, mit der man anschließend höchstpräzise Schießübungen absolvieren kann, ohne von der Sonne geblendet zu werden.
Geschmacklos wird es, als ihr Carsons Leiche ausbuddelt und für den Rest des Spiels als Vogelscheuche zweckentfremdet, nachdem ihr dem Toten zuvor die Weste entliehen habt. Aber okay – immerhin eine Aktion, die zum Wilden Westen passt. So verwundert es auch nicht, dass Fenimore und der alte Baker über den Anblick der verwesenden Vogelscheuche lachen können. Manchmal arten Rätsel einfach nur in Arbeit aus, zum Beispiel wenn Fenimore drei Telegrafenmasten zu Kleinholz verarbeitet, um selbiges anschließend mit einer Lore abzutransportieren. Die Vermutung, es handele sich hierbei um eine von mehreren spielzeitstreckenden Maßnahmen, drängt sich da schon auf.
Nicht unerwähnt bleiben sollen Fenimores Fertigkeiten mit dem Schießeisen, das er immer mal wieder zückt, um Stevens Schergen die Leviten zu lesen. In solchen Situationen blendet das Programm ein Schachbrettmuster auf dem Boden ein. Aus der Verfolgerperspektive bewegt ihr euch von Feld zu Feld, sucht pseudotaktisch Deckung und ballert per Mausklick die sich ebenfalls verschanzenden Banditen über den Haufen. Solltet ihr dabei draufgehen, wiederholt ihr die Ballerei so lange, bis ihr siegreich seid. Insgesamt eine durch und durch schwammige Angelegenheit, bei der dank ungenauer Steuerung kein Spaß aufkommt.
Doch nicht nur die Schieß-Scharmützel leiden unter der Steuerung, der Mauszeiger will auch während des klassischen Adventure-Alltags nicht so, wie ihr es wollt und zittert unpräzise über den Bildschirm. Den größten Fauxpas stellt aber die Kamera dar, die an Ungenauigkeit nicht mehr zu überbieten ist. Ständiges Nachjustieren ist gang und gäbe, um ja keinen Gegenstand zu übersehen. Richtig schlecht wird es aber, wenn ihr auf ein Item klickt, euer Charakter darauf zuläuft und sich dann die Kamera wegdreht, sodass die Sicht auf den Gegenstand versperrt wird. Weiterhin nervt die ständige Klickerei, um ein Item aufzunehmen. Hier müsst ihr einen schnellen Finger beweisen, da die Kamera kaum stillhält und so auch den Mauszeiger verschiebt.
Technisch bewegt sich Revistronics Western-Soap stellenweise auf solidem Niveau, vor allem die Zwischensequenzen und die weitgehend gelungene Vertonung verleihen dem Geschehen einen filmischen Touch, wo auch Anspielungen auf bekannte Spaghetti-Western nicht fehlen dürfen. Zudem gaben sich die Entwickler merklich Mühe mit den Charaktermodellen. Diese sind hübsch ausgearbeitet, flüssig animiert und versprühen glaubhaften Wild-West-Charme. Fenimores breitbeiniger Gang zum Beispiel passt, im positiven Sinne, wie die Faust aufs Auge. Ebenfalls auf der Haben-Seite verbucht The Westerner 2 abwechslungsreiche Schauplätze, deren optische Qualität allerdings zwischen gut und unterdurchschnittlich schwankt. So stehen detaillierte, mit zahlreichen Objekten versehene und ansprechend ausgeleuchtete Räume weniger hübschen, kargen Arealen mit matschigen Texturen gegenüber. Auch hätte die Spielumgebung gerne etwas lebhafter gestaltet werden können. Zwar sind die Locations mit passenden Hintergrundgeräuschen, wie etwa Vogelgezwitscher oder durch den Wind rauschende Bäume, ausgestattet, die dazu passend animierten Vögel und schwankenden Baumwipfel sucht man vergebens. Während unseres Tests kam es außerdem zu gelegentlichem Texturflackern. Akustisch erklimmt The Westerner 2 ungeahnte Höhen, denn der Soundtrack mit seinen teils orchestralen Kompositionen überzeugt genauso wie die Sprachausgabe. Von Lippenbewegungen, ganz zu schweigen von Lippensynchronität, scheinen die Entwickler allerdings noch nichts gehört zu haben.
Wie enttäuschend – Fenimore Fillmores dritter Ausflug in den wilden Westen kann nicht an die Qualität der ersten beiden Abenteuer anknüpfen. Stattdessen erwartet den Spieler eine relativ kurze, uninspirierte Western-Parodie, die in Sachen Rätseldesign und Spielbarkeit versagt. Streckungsmaßnahmen wie das Weglassen der Hotspotanzeige und konstruierte Rätsel heben die Spielzeit über die Fünf-Stunden-Marke. Da können die wenigen Positivaspekte, wie etwa die passable Italo-Western-Atmosphäre, die durch den neuen, erwachsenen Look getragen wird, auch nichts mehr rausreißen.
Kurz mag The Westerner 2 zwar sein, keinesfalls aber schmerzlos. Selten quälte mich ein Adventure derart wie Fenimore Fillmores Revenge, weil einfach nahezu alles falsch gemacht wurde, was nur geht: Miese Kamera, schwammige Steuerung, bestenfalls durchschnittliche Optik, öde Story und langweilige Trial-and-Error-Rätsel begraben die Kultfigur Fenimore Fillmore. Schade… sehr sehr schade!
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