Als Medium bezeichnet man Menschen, die die Fähigkeit besitzen mit Geistern und Verstorbenen in Kontakt zu treten. Vor allem in den Vereinigten Staaten gibt es einige Medien, die es zu hoher Bekanntheit gebracht haben und mit der angeblichen Fähigkeit ihren Lebensunterhalt verdienen, indem sie Trauernden Botschaften verstorbener Freunde oder Verwandter übermitteln. Auch Lauren Blackwell besitzt die Gabe, Tote zu sehen und mit ihnen in Kontakt zu treten. Geld will sie damit jedoch nicht verdienen. Vielmehr ist es ihre Bestimmung, zusammen mit ihrem Geistführer Joey Mallone, Verstorbene ins Jenseits zu begleiten.
Der Theorie nach wandeln Geister nur im Diesseits, weil sie sich nicht von der Welt der Lebenden lösen konnten, oft erkennen sie nicht einmal, dass sie tot sind. Mit zwei solchen Fällen werden Lauren und Joey im vorliegenden Blackwell Unbound, dem zweiten Teil der Blackwell-Reihe des Indie-Entwicklers Wadjet Eye Games, konfrontiert. Blackwell Unbound findet im New York des Jahres 1973, und damit vor den Ereignissen des Serien-Erstlings Blackwell Legacy, statt. Seid daher unbesorgt falls ihr den Vorgänger noch nicht gespielt habt, dem Storyverständnis tut dies keinen Abbruch, da das Spiel keinen Bezug zu Blackwell Legacy nimmt.
Im Gegensatz zu der bekannten Geisterjägertruppe um Bill Murray, bedienen sich Lauren und Joey keiner rabiaten Methode á la Protonenpack, um die transzendenten Wesen ins Jenseits zu begleiten. Mit Wortwitz und Köpfchen gilt es in typischer Grafik-Adventure-Methodik sich in den Fällen voranzutasten und die Geister von ihrem Tod zu überzeugen. Teamwork wird hierbei großgeschrieben. Per Tabulator-Taste wechselt ihr zwischen beiden Charakteren. Von dieser Funktion werdet ihr oft Gebrauch machen, denn Lauren benötigt Joeys klassische Geisterfähigkeiten, wie etwa durch Wände zu gehen oder unbemerkt Informationen auszuspionieren. Inventarrätsel treten bei Blackwell Unbound eher in den Hintergrund, denn das knapp drei Stunden andauernde Adventure ist recht dialoglastig. So schreitet ihr in der Story primär durch die korrekte Kombination und Nutzung von Information voran, die sich im Zuge der Ermittlungen in Laurens Notizblock ansammeln. Klickt man darin auf einzelne Stichworte und verknüpft diese per Klick miteinander, denkt Lauren über die Kombination nach und zieht weiterführende Schlussfolgerungen, sofern die Kombination sinnvoll war. Nichtsdestotrotz wandert auch das eine oder andere Item in die am oberen Bildschirm angeheftete Inventarleiste, über die ihr zudem in die entsprechenden Menüs kommt. Ein gut verständliches Tutorial zu Beginn des Spiels führt euch in die Feinheiten von Steuerung und Gameplay ein.
Im Mittelpunkt der Geister-Detektiv-Story stehen ganz klar die Dialoge zwischen den einzelnen Charakteren, wobei besonders die vor Sarkasmus triefenden Wortgefechte der beiden Protagonisten Lauren und Joey durch hohen Unterhaltungswert herausstechen. Hier wurde bei der Synchronisation tolle Arbeit geleistet, denn die englischen Synchronsprecher geben den Spielfiguren durch ihre Stimmen einen unverwechselbaren Charakter. Während das hübsche als auch kettenrauchende Medium Lauren absolut depressiv und fertig mit der Welt zu sein scheint und sich dies in der den Sarkasmus glaubwürdig transportierenden Vertonung widerspiegelt, ist Joey Mallone ein eher "lebensfroher" Zeitgenosse, der nicht damit aufhören kann seine Partnerin mit bissigen Kommentaren auf den Arm zu nehmen. Auch die Vertonung der NPCs geht bis auf eine Ausnahme absolut in Ordnung und lädt dazu ein, möglichst viele Dialogoptionen durchzugehen. Das Multiple-Choice-Dialogsystem zeigt euch übrigens nur Stichpunkte zu den möglichen Antworten an, was immer wieder zu Schmunzlern führt, wenn ihr im Anschluss den meist amüsanten Kommentar in voller Länge hört. Wer gerne alle möglichen Gegenstände in einem Adventure anklickt, um zu hören welcher Kommentar wohl kommen mag, sei auch bei Blackwell Unbound zur munteren Klickerei eingeladen, denn zu den meisten Gegenständen gibt es individuelle Kommentare. Die Hintergrundmusik kann das hohe Niveau der Sprachausgabe halten, denn die mal melancholisch, mal ruhig entspannten aber zur rechten Zeit dramatisch gefährlichen Stücke passen sich stets der jeweiligen Situation an.
Im Prinzip genügt ein kurzer Blick in die Screenshot-Galerie, um sich ein Bild der grafischen Beschaffenheit von Blackwell Unbound zu machen. Pixelige, niedrig aufgelöste Szenarien vermitteln den Eindruck, es handele sich um ein Spiel aus den frühen 90er Jahren, tatsächlich erschien es im Jahr 2007. Man könnte sagen, die Grafik sei Mittel zum Zweck. Genau das ist sie auch. Da der Fokus auf Charakterportraits und Dialoge gelegt wurde, besteht keine Notwendigkeit für große Räume und detaillierte Objekte. Man muss sowieso kaum Items aufnehmen und wenn doch, hat man auch keine Probleme, einen solchen Gegenstand zu erkennen. So kann man auch getrost auf die sowieso nicht vorhandene Hotspot-Anzeige verzichten. Trotzdem hat man an gewisse Kleinigkeiten gedacht, welche die Szenerie glaubwürdig machen. In Laurens Wohnung zum Beispiel stehen an jeder Ecke Aschenbecher, was ihre Eigenschaft als Kettenraucherin unterstreicht. Animationen sind allerdings Mangelware und beschränken sich auf das nötigste. Wer mag, spielt im Setup mit diversen Filtern, Auflösungen gibt es jedoch nur zwei, von denen 640×480 das höchste der Gefühle darstellt.
Blackwell Unbound ist ein nettes Independent-Adventure für einen verregneten Nachmittag. Der Schwierigkeitsgrad ist relativ niedrig und klassische Inventarrätsel sind die Ausnahme, trotzdem plappert ihr euch vergnügt mit Joey und Lauren durch die zwei, leider recht kurzen, Story-Stränge.
Die tollen Dialoge aus der Feder von Dave Gilbert sind ihr Geld wert. Ich hatte auf jeden Fall meinen Spaß mit Blackwell Unbound und freue mich nun auf das neue Blackwell Convergence. Wer jedoch mehr Wert auf klassische Rätselkost legt, sollte sich zunächst einen Eindruck anhand der frei verfügbaren Demo-Version verschaffen.
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