Wenn es eines gibt, das die Spiele von House of Tales auszeichnet, dann sind es die erzählerischen Stärken, mit denen man es schon mehr als einmal geschafft hat, viele Spieler regelrecht an den Bildschirm zu fesseln und emotional mitzureißen. 2007 wurde der Bremer Entwickler nicht ohne Grund beim Deutschen Entwicklerpreis mit der Innovations-Trophäe für seine Erzählkunst ausgezeichnet.
Zwei Jahre nach dem Psycho-Thriller Overclocked steht seit Mitte November das nächste Projekt der kleinen Firma von der Weser im Handel. Wir haben 15 Days gespielt und verraten Euch, über welche Stärken und Schwächen die Kunsträubergeschichte verfügt.
Die ehemalige Kunststudentin Cathryn, der Computerfreak Mike und der Mathematiker Bernard bewohnen ein gemeinsames Domizil am Ufer der Themse in London. Ihre Haupteinnahmequelle besteht aus üppigen Honoraren reicher Kunden, die sie mit dem Diebstahl wertvoller Kunstwerke beauftragen. Die drei selbsternannten Weltverbesserer spenden große Teile ihrer Einnahmen für wohltätige Zwecke, scheuen sich aber nicht davor, ihren Lebensstandard etwas höher als den des Durchschnitts anzusetzen.
Am Tag von Cathryns 30. Geburtstag erhält das Kunsträuber-Trio einen neuen Auftrag, der ein besonders einträgliches Geschäft verspricht. Obwohl der Wert des Gemäldes gering und der Auftraggeber nicht nur deshalb äußerst suspekt erscheint, willigt Cathryn ein.
Zur selben Zeit macht sich Special Agent Jack Stern auf den Weg nach London, da am Tag zuvor der britische Außenminister unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen ist. Seine Ermittlungen führen ihn auch auf die Fährte der Kunsträuber...
Das Spiel startet mit einem ansprechend inszenierten Rendervideo, das unter anderem den spektakulären Raub einiger Ziffernblätter der Uhr von Big Ben zeigt, mit denen Mike und Bernard Cathryn zum Geburtstag überraschen wollen. Die Einführung in die Geschichte, in der die drei Freunde sowie Ermittler Stern vorgestellt werden, ist gelungen und wird durch den häufigen Rollenwechsel zwischen den Protagonisten ansprechend umgesetzt. Das Erzähltempo ist hoch, weshalb man mit Interesse den weiteren Verlauf der Story verfolgt und hinter jeder Ecke eine spannende Wendung erwartet.
Die Möglichkeiten des Spielers, sich abseits der Story näher mit der Umgebung und den Hintergründen der Spielfiguren auseinanderzusetzen, sind dabei sehr begrenzt. Es gibt zwar einige Gegenstände, die man untersuchen kann, mehr als ein paar wenige interessante Andeutungen, wie etwa über den frühen Tod von Cathryns Mutter oder Jacks Probleme, mit dem Rauchen aufzuhören, kann man dabei aber höchst selten abrufen. Das ändert sich auch über die gesamte Spielzeit hinweg kaum, denn die wirklich interessanten Details der Charakterbiographien bleiben meist sehr vage und spielen letztlich kaum eine Rolle.
In seltenen Momenten entstehen Dialoge, die zeigen, was dem Spiel im Gegensatz zu den bisherigen House-of-Tales-Adventures fehlt: Cathryn wird beispielsweise in letzter Zeit häufiger von ihrem Vater angerufen, dem sie schon vor Jahren den Rücken zugekehrt hat. Als sie eine seiner Nachrichten auf dem Anrufbeantworter abhört, macht sie allein der Klang seiner Stimme so wütend, dass sie kaum an sich halten kann und ihre Wut an ihrem hilfsbereiten Mitbewohner Mike auslässt. Dem Spiel mangelt es leider etwas an solchen Situationen, die dafür sorgen können, die Konturen eines gerade gefestigten Bildes eines Charakters zu verwischen und diesen plötzlich in ein ganz anderes Licht zu rücken.
Die spannende und gut erdachte Erzählstruktur, in deren Rahmen man regelmäßig zwischen den vier unterschiedlichen Rollen wechselt, bekommt erst recht spät im Spiel Risse, sobald wir die letzten Spielabschnitte betreten. Diese wurden, wie auch die übrigen Spieleinheiten, zu Gunsten der Spannung sehr stark gerafft, wirken hier aber sehr konstruiert und lückenhaft. Dem letzten Spielviertel mangelt es zudem teils auch an einer glaubwürdigen Umsetzung.
Der Unterhaltungswert der ersten Spielhälfte ist streckenweise recht hoch, besonders, wenn der heruntergekommene Ermittler Jack Stern seine sarkastischen Sprüche absondert oder Mike sich wieder mal für den Größten hält. Dieser Aspekt flacht zwischenzeitlich etwas ab, wenn das Spiel bemüht ist, mehr in die Tiefe zu gehen und etwas ernstere Themen wie die bröckelnde Bindung der drei Freunde anschneidet, gesellschaftliche Fragen eines staatlichen Überwachungssystems oder Arbeitsplatzverluste durch erhöhte Technisierung thematisiert. Der Spagat zwischen eher seichten Unterhaltungselementen und Ernst gelingt dem Spiel teils gut, teils weniger gut, was nicht zuletzt daran liegt, dass diese Themen für ein House-of-Tales-Spiel vergleichsweise oberflächlich abgehandelt werden und man den Einfluss auf die Charaktere kaum spürt: Cathryn erfährt zum Beispiel, dass ein geplanter Diebstahl einem Wächter den Arbeitsplatz kosten könnte. Sie äußert zwar ihre Bedenken gegenüber ihren Freunden, nach diesem Dialog ist das Thema aber erledigt.
Optisch haben sich im Vergleich zu unserer Preview-Version nur noch Kleinigkeiten getan. Die wichtigste Verbesserung betrifft die Einbettung der Charaktere in die Umgebungen, die nun nicht mehr so "aufgeklebt" wirken und sich meist gut in die Szenen einfügen. Insgesamt kann man 15 Days aber weiterhin keine Bestnoten geben. Was in Overclocked und The Moment of Silence gerade in den Nachtszenen an optischen Defiziten noch gut kaschiert werden konnte, fällt in den meist taghellen Szenen von 15 Days deutlich stärker auf. Man hat sich zwar im Bereich der Hintergründe, die teils fotorealistisch wirken und einige sehr gute Hintergrundanimationen aufweisen, deutlich verbessert, bei den Charakteranimationen fällt das Spiel aber relativ deutlich ab und siedelt sich grafisch eher im Genre-Mittelfeld an. Es gibt relativ häufig "Sprünge" in den Animationen und Szenen, in denen nach einer kurzen Schwarzblende Charaktere an einer anderen Stelle im Raum stehen oder plötzlich auf einem Stuhl sitzen. Das wirkt sich zwar nur bedingt auf die Atmosphäre aus, hinterlässt aber den Eindruck eines Spiels, das in diesem Bereich noch einiges an Feintuning hätte vertragen können. Auch die Standards wirken in manchen Szenen etwas unnatürlich.
Dass die Engine einige Möglichkeiten bietet, die einem erzählerisch starken Spiel gerecht werden, sieht man in 15 Days nur selten, wenn Kamerafahrten, Zoomeffekte, Splitscreens und Ähnliches zum Einsatz kommen. Profitieren könnte es auch von einer aufwändigeren Mimik, die in 15 Days eher maskenhaft wirkt und sich weitestgehend auf Augenblinzeln und synchron zum Text vorhandene Mundbewegungen beschränkt. Schön wäre auch, wenn Schauplätze wie der am London Eye oder vor dem Museum in Paris etwas stärker von Passanten besucht wären, was sich positiv auf die Atmosphäre auswirken würde.
Akustisch macht das Spiel seine Sache gut. In der Sprecherliste findet man vereinzelt auch bekanntere Namen wie Hans-Gerd Kilbinger, den Adventure-Freunde in der Rolle von Sam aus Sam & Max kennen dürften. Allgemein hat man es aber mit weniger "vorbelasteten" Stimmen zu tun, die gut zu den Charakteren passen und die gut geschriebenen Dialoge glaubwürdig eingesprochen haben. Die Musik passt meist sehr gut zur Krimigeschichte und untermalt die einzelnen Schauplätze, wie die WG in London, ansprechend.
Spielerisch bietet 15 Days wenig. Oftmals geht es bereits nach dem simplen "Abarbeiten" von Dialogen oder dem Verlassen der aktuellen Szene weiter. Zu Beginn ist häufiger die Interaktion mit einem PC notwendig, an dem wir E-Mails abrufen oder auch nach bestimmten Inhalten im spielinternen Internet suchen müssen. Inventar- und Kombinationsrätsel gibt es nur wenige. Auch diese sind sehr leicht und nicht selten von der überflüssigen Sorte. Es gibt mehrere Stellen im Spiel, an denen wir zum Beispiel einige Kameras in der Umgebung ablaufen müssen, um uns deren Standorte merken zu können, was jedes Mal mit einer längeren, jedoch abbrechbaren Animation begleitet wird. Da das letztlich spielerisch nicht relevant ist, stellt sich die Frage, weshalb man an diesen Punkten 6 oder mehr Kameras manuell anklicken muss, während einem an anderer Stelle ständig die Arbeit abgenommen wird. Gleiches gilt für das Aufsammeln eines USB-Sticks für Mike. Dieser liegt keine 2 Meter von ihm entfernt auf dem Schreibtisch, trotzdem müssen wir ihn in der Rolle von Cathryn einsammeln und an unseren Computerspezi weiterreichen, damit es weitergeht. Einen gewissen Alibi-Charakter kann man bei den notwendigen Aktionen also nicht verleugnen.
Es gibt ein paar etwas anspruchsvollere Aufgaben mit Minispielcharakter. Die sind größtenteils ebenfalls nicht sonderlich schwierig, können aber auch mal über den Ablauf des mitlaufenden Timers hinaus beschäftigen. Dieser läuft normalerweise 2 Minuten und gibt im Anschluss einen Button frei. Klick man diesen an, wird die Aufgabe vereinfacht. Nach weiteren 2 Minuten kann man das Rätsel aber auch komplett überspringen, wenn man dennoch nicht weiterkommt.
Die Bedienung ist simpel gehalten, das Spiel kann – von der Internetrecherche einmal abgesehen - komplett mit der linken Maustaste gesteuert werden. Hotspots und Inventargegenstände müssen zunächst angeklickt werden, um die möglichen Interaktionen anzuzeigen. Erst dann werden die Optionen angezeigt, mit denen man Objekte betrachten, nehmen oder benutzen kann. Beim Doppelklick auf einen Ausgang erfolgt ein direkter Szenenwechsel, innerhalb einer Szene kann man die Spielfigur damit zum Laufen bewegen. Im Spiel gibt es zudem eine Kartenfunktion, von der man hin und wieder Gebrauch machen muss. Ähnlich wie in Overclocked kann man nicht einzelne Dialogzeilen, sondern lediglich ganze Dialogabschnitte überspringen.
15 Days schneidet als schwächster der letzten drei Titel von House of Tales ab. Die durchwachsene technische Umsetzung mit ihren größtenteils ansehnlichen Hintergründen, aber insgesamt mäßigen Charakteranimationen und der schwache spielerische Part spielen dabei aber nur bedingt eine Rolle. Sie verstärken lediglich den Eindruck eines Spiels, dessen Produktion ein enger Zeitplan zu Grunde gelegen haben muss, der zu Kompromissen geführt hat, die dem Spiel besonders zum Ende hin nicht gut getan haben.
Das hohe Erzähltempo sorgt anfangs für Spannung und profitiert dabei sogar deutlich vom zaghaften Gameplay und den vielen kleineren und größeren Zeitsprüngen. Später wirkt sich dieser Umstand aber teils gegenteilig aus, wenn man beim Verlassen einer Szene im letzten Spielabschnitt plötzlich mehrfach halbe Tage überspringt. Das wäre halb so wild, wenn die Story selbst bis zum Ende glaubwürdig bliebe und nicht in einem konstruiert wirkenden Finale sowie einem kitschigen, überhasteten Schluss mündete.
So bleibt ein Spiel, das letztlich über weite Strecken der rund 6 Stunden Spielzeit hinweg gut erzählt wird, dabei aber für ein House-of-Tales-Spiel erstaunlich oberflächlich bleibt und beim etwas verkrampft wirkenden und daher nur bedingt erfolgreichen Versuch, im letzten Spielabschnitt mehr Tiefe zu erzeugen, am Ende auch inhaltlich unnötig Federn lässt.
House of Tales will Geschichten erzählen, deshalb wundert es mich nicht, dass man weg von anspruchsvollen Rätseln, hin zu eher anspruchslosen Interaktionen geht. Wenn man sich aber auf das Erzählen einer Geschichte konzentriert und die spielerischen Elemente auf Sparflamme setzt, dann muss der Inhalt stimmen. Der ist bei 15 Days über zwei Drittel des Spiels hinweg auf solidem, nicht herausragendem Niveau, leistet sich zum Ende hin aber unnötige Schwächen, die man dem Spiel dann aufgrund der vielen Kleinigkeiten, die man sonst noch besser hätte machen können, einfach übel nehmen muss.
Ich freue mich aber trotzdem auf das nächste House-of-Tales-Spiel, denn die Bremer haben schon mehr als einmal bewiesen, dass sie es besser können.
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