An seinem ersten Arbeitstag als Nachtwächter im Museum wird Stephan direkt mit der Kündigung seines Vorgängers, dem kauzigen Herrn Wochnik, konfrontiert. Dass dieser nicht besonders begeistert ist und auf Fragen zum neuen Job nur mürrisch reagiert, ist nachvollziehbar. Der Museumsdirektor, ein auf den ersten Blick nicht minder seltsamer Kamerad, begrüßt Stephan zwar, lässt ihn aber in Bezug auf seine weiteren Aufgaben ebenfalls im Regen stehen. Als Nächstes begegnet er Jessica, einer Bekannten aus Schultagen, die inzwischen im Museum als Restauratorin arbeitet und ihn zumindest über einige der Hintergründe des Hauses informiert. Was zuerst nach einem langweiligen Nachtjob aussieht, entpuppt sich jedoch schon beim ersten Rundgang als aufregender, als Stephan es sich vorgestellt hat. Kaum hat er seine neue Arbeit aufgenommen, schon fällt unter unerklärlichen Umständen ein Dinosaurier-Skelett in sich zusammen und kurz darauf muss Stephan feststellen, dass er sich keinen ungünstigeren Tag für seinen Einstand hätte aussuchen können.
Eine Geschichte ohne Bösewichte wäre keine gute Geschichte. So trifft auch Stephan schnell auf seine Gegenspieler. Das gibt der Story den entscheidenden Schub, denn ohne diese wäre eine Geschichte über einen Nachtwächter in einem Museum wohl eher langweilig. Ein Gruppe skrupelloser Gangster hat es auf die teuren Exponate abgesehen, allem voran die legendäre Krone des König Midas, dessen Berührung der Sage nach jegliches Material in Gold verwandelte. Stephans Aufgabe ist es also, die Bösen von ihrem Vorhaben abzuhalten und die Krone zu beschützen. Dabei muss er sich so einiges einfallen lassen. Und hier zeigt sich eine der größten Stärken des Spiels: das Rätseldesign. Zwar sind die Rätsel im Spiel nicht besonders schwer, dafür aber immer wieder interessant. Vor allem die Vielfalt der Rätsel fällt positiv auf. Neben dem klassischen Kombinieren von Gegenständen gilt es auch, Rätsel in Kooperation mit Jessica oder Logikpuzzles zu lösen. Auch die Einrichtung des Museums lädt immer mal wieder zum Experimentieren ein, denn mit dem Überwachungssystem oder den Exponaten selbst lässt sich jede Menge Unsinn machen. Insgesamt rätselt man sich etwa 10-12 Stunden durch das gesamte Museum, was das Spiel nie richtig langweilig werden lässt. Dass einige der Rätsel etwas künstlich platziert sind, fällt zwar auf, im Großen und Ganzen macht sich es sich aber nicht negativ bemerkbar, da der Rätselspaß darunter nicht leidet.
Die Krone des Midas ist komplett in 3D gehalten. Die Steuerung ist so ausgelegt, dass man sich möglichst schnell in den doch recht großen Arealen des Museums bewegen kann. Hierzu wird der Nunchuck-Controller an die Wiimote angeschlossen und dessen Analog-Stick dient dazu, vorwärts zu laufen und die Richtung zu wechseln. Nach kurzer Eingewöhnungszeit geht diese Steuerungsmethode einfach und flüssig von der Hand, nur in seltenen Fällen bleibt man mal an einem Einrichtungsgegenstand oder einer Wand hängen. Der Z-Knopf an der Vorderseite des Nunchuck lässt Stephan schneller laufen, während der C-Knopf in den Schleichgang schaltet. Vielleicht wäre das schnelle Laufen als Standard-Bewegungsgeschwindigkeit die bessere Wahl gewesen, denn der normale Schritt ist zum Spielen definitiv zu langsam. Durch das ständige Gedrückt-Halten des Z-Knopfs und die relativ geringe Größe des Nunchuk kann die linke Hand, gerade bei Spielern mit langen Fingern, sehr leicht verkrampfen, so dass nach spätestens einer Stunde eine Zwangspause eingelegt werden oder im Schneckentempo weitergespielt werden muss. Die Wiimote hingegen dient als Point-and-Click-Gerät, mit ihr können Objekte manipuliert oder eingesammelt werden. Dazu drückt man einfach die A-Taste, während der B-Trigger an der Unterseite der Wiimote das Inventar öffnet und schließt. Ein Druck auf die Nach-Unten-Taste des Steuerkreuzes öffnet einen Bildschirm, auf dem die Karte des Museums automatisch mitgezeichnet wird. Hier findet man auch die integrierte Hilfefunktion sowie einen Link zum Hauptmenü. Leider bietet das Spiel nur einen einzigen Spielstand an, dafür können aber drei Spiele parallel gestartet werden.
Grafisch gewinnt die Krone des Midas keine Preise. Die Texturen innerhalb der 3D-Umgebung wirken verwaschen, vor allem bei der Darstellung von Grünflächen und unterirdischen Höhlenwänden, und die Charaktere erscheinen recht kantig. Ihre Bewegungen sind teils steif, in einzelnen Sequenzen aber wieder durchaus gut animiert. Bei den Gesichtsanimationen hat man sich einer Technik bedient, die es ermöglicht, Gefühlszustände passend zum Text auszudrücken. Das funktioniert rudimentär und trägt ein wenig dazu bei, den Figuren Leben einzuhauchen. An die grafischen Defizite kann man sich im Laufe des Spiels gewöhnen, denn immerhin sind die Szenen abwechslungsreich und mit vielen Einrichtungsgegenständen bestückt, nebenbei sind die Exponate im Museum mit Schautafeln versehen, die Einblicke in die Geschichte geben und dadurch zum Stöbern einladen. Es gibt also immer wieder Neues zu sehen, wenn auch qualitativ nicht auf dem höchsten Stand. Insgesamt bedarf es einer kurzen Eingewöhnungszeit, danach sieht das Spiel sogar recht ansprechend aus. Dabei darf man auch nicht vergessen, für welche Plattformen die Krone des Midas entwickelt wurde. Neben der Wii-Version sind lediglich Portierungen für PlayStation 2 und Nintendo DS erhältlich, eine PC-Version ist weder verfügbar noch in Planung und auch die aktuellen Konsolen von Microsoft und Sony werden nicht bedient. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass zumindest auf der Wii technisch mehr möglich gewesen wäre.
Die Hintergrundmusik ist dezent und unspektakulär. Sie klingt etwas mystisch-heroisch und ist nicht besonders abwechslungsreich. Insgesamt unterstreicht sie das Spiel gut, ein paar mehr Stücke hätten aber gut getan. Die Soundeffekte passen sich ebenfalls ordentlich in die Geschichte ein, sind aber genauso wenig spektakulär. Bei der Sprachausgabe wurde größtenteils ordentliche Arbeit geleistet. Bis auf eine Ausnahme passen die Sprecher gut zu den Figuren und vermögen den Charakteren Persönlichkeit zu verleihen. Auch die Texte sind ordentlich geschrieben und passen gut zur jeweiligen Figur. Besonders Stephan und Jessica, die beiden spielbaren Charaktere, werden schön gesprochen.
Für ihr erstes Adventure haben Independent Arts eine ordentliche Leistung abgeliefert. Man muss berücksichtigen, dass sich das Spiel vor allem an Spieler unter 20 Jahren richtet, Hauptzielgruppe sind wohl Kinder bzw. Jugendliche zwischen 8 und 15. Das heißt aber nicht, dass das Spiel für Erwachsene uninteressant ist. Auf jeden Fall eignet sich die Krone des Midas prima, wenn Eltern ihren Kindern ein fast gewaltfreies Konsolenspiel unter den Weihnachtsbaum legen wollen, das dazu noch informativ ist und zum Denken anregt.
Ich bin positiv überrascht. Nach der Präsentation auf der gamescom hätte ich keine so gut ausgearbeitete Story und schon gar kein so gutes Rätseldesign erwartet. Die Krone des Midas hat mich eines Besseren gelehrt. Unterm Strich bleibt ein Spiel, das man auch als Erwachsener spielen kann, ohne dass es großartig langweilig wird. Sicher, der Überflieger ist die Krone des Midas nicht, aber das hat wohl auch kaum jemand erwartet. Dennoch, Hut ab, ich hoffe, dass aus diesem Hause noch mehr kommt.
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