Als Fahrenheit vor knapp viereinhalb Jahren auf den Markt kam, spaltete es die Spielergemeinde. Das Gameplay bestand überwiegend aus Gesten und Quick-Time-Events, was den einen zu schnell, den anderen zu anspruchslos war. Eine gewisse Einigkeit bestand darin, dass die ab der zweiten Spielhälfte deutlich abbauende Story die größte Schwäche, die Präsentation mit ihren überragenden Animationen und den spannend und oftmals actionreich inszenierten Sequenzen, die größte Stärke war.
Mit Heavy Rain steht nun das neue Abenteuer des französischen Entwicklers Quantic Dream für die PlayStation 3 im Handel. Den Fokus legt man einmal mehr auf Story und Präsentation. Mit echten Schauspielern, die man möglichst lebensecht in Polygonmodelle umgerechnet hat, geht man eine ganze Stufe weiter, als mit bloßer Bewegungs-Adaption per Motion Capturing. Ob das Vorhaben geglückt ist, einen intensiven Thriller für Erwachsene abzuliefern, wollen wir Euch im folgenden Text verraten.
Es ist Frühling. Wir finden uns in einem modern eingerichteten Schlafzimmer irgendwo in einer wohlhabenden amerikanischen Vorstadtsiedlung wieder. Durch die großzügig bemessenen Fenster fallen die ersten Sonnenstrahlen des Tages in das eher spärlich ausstaffierte Schlafgemach und bescheren Ethan Mars einen wohlig warmen Start in den Tag. Auch sonst scheint die Sonne im Leben des jungen Architekten, der scheinbar ein nahezu perfektes Dasein fristet. Die Ehe mit Grace wirkt harmonisch und wird gekrönt von den beiden gemeinsamen Söhnen Shaun und Jason. Beruflicher Erfolg und ein eigenes Haus garantieren zudem ein sorgenfreies, unabhängiges Leben. Dass ganz in der Nähe ein Serienmörder sein Unwesen treibt, den die Medien nur Origami-Killer nennen und der bereits ein halbes Dutzend Seelen auf dem Gewissen hat, spielt für die glückliche Familie keine Rolle, zumal der Mörder nur in weniger gut situierten Wohngegenden seine Opfer sucht.
Es ist der Tag von Jasons zehntem Geburtstag, als die Familie nach dem gemeinsamen Essen ins Einkaufszentrum aufbricht, um dort gemeinsam den Freudentag zu verbringen. Während Shaun mit seiner Mutter Schuhe anprobiert, wartet Ethan draußen mit dem Geburtstagskind. Schon bald verliert er den Jungen aus den Augen. Je länger er ihn sucht, umso unruhiger wird Ethan. Das Gedränge ist groß. Nur mühsam kommt er voran, versucht dabei irgendwo den roten Luftballon zu entdecken, den Jason bei sich trägt. Endlich scheint er ihn entdeckt zu haben und bewegt sich schnellstmöglich auf ihn zu. Jason hat bereits das Einkaufszentrum verlassen und ist auf die andere Straßenseite gewechselt. Kaum hat er ihn wieder im Blick, ist die Angst um den Sprössling im Nu verflogen. Doch ein viel größeres Unheil bahnt sich an, als Jason beginnt, erneut die Straße zu überqueren. Ethan reagiert - und kommt doch zu spät, als der heranbrausende PKW das Kind unter sich begräbt...
Zwei Jahre später: Ethan Mars wartet im strömenden Regen vor Shauns Schule, um den Jungen abzuholen. Wieder einmal ist er nicht pünktlich und sein Sohn gehört zu den letzten, die nach dem Unterricht heim können. Ein Blick sagt mehr als tausend Worte heißt es. Ethans Gesicht spricht Bände, der tragische Tod seines Sohnes und sein missglückter Versuch, ihn in letzter Sekunde zu retten, haben dem Vater schwer zugesetzt. Das Schicksal hat zudem seine Ehe zerstört, er lebt nun getrennt von Grace, Shaun abwechselnd bei seinem Vater und bei seiner Mutter. Ethans neues Domizil liegt in einer trostlosen Umgebung. Es lässt jedes Detail familiärer Wärme vermissen und wirkt wenig heimisch.
Ethan liebt seinen Sohn, doch der Verlust des anderen schmerzt so sehr, dass er es nicht zeigen kann. Es herrscht ein kühler, sachlicher Umgang, nur mithilfe eines Zeitplans gelingt es dem jungen Vater, den Bedürfnissen Shauns nachzukommen. Seine Baupläne verschwinden unter einer dicken Staubschicht, sein beruflicher Eifer scheint der Depression gewichen zu sein. Gefühle regen sich bei ihm kaum, Videoaufnahmen von Jason hingegen bezeugen eindrücklich Ethans innerliches Chaos, wenn dieser während des Betrachtens in einen herzzerreißenden Weinkrampf ausbricht. Immer wieder wird er zudem von Flashbacks und Blackouts geplagt, bei denen er anscheinend völlig die Kontrolle über sich verliert.
Doch er bemüht sich, seinem Sohn ein möglichst normales Leben zu bieten und seine Schwermut vor ihm zu verbergen - auch an jenem Tag, als er gemeinsam mit Shaun in den Park geht. Hier fällt zumindest zwischenzeitlich der ganze Druck von beiden ab, als sie gemeinsam auf der Wippe schaukeln oder Ethan seinem Sohn beibringt, wie man einen Bumerang wirft. Kurz bevor sie nach Hause gehen wollen, möchte Shaun noch aufs Karussell. Nachdem Ethan seinen Wunsch erfüllt, erfährt er einen psychotischen Schub und als er wieder bei Sinnen ist, ist Shaun verschwunden. Die Polizei hegt den Verdacht, dass der Origami-Killer hinter dem Verschwinden stecken könnte. Keines seiner Opfer überlebte länger als vier Tage...
Heavy Rain gelingt es von Beginn an, eine intensive Atmosphäre zu erzeugen. Die Einführung in Story und Charaktere ist behutsam und spart dennoch nicht an hochdramatischen Momenten. Schon das vergleichsweise lange, interaktive Intro ist so eindringlich, wie in kaum einem anderen Spiel zuvor. Man spürt die Freude des glücklichen Papas, wenn er mit seinen Jungs im Garten spielt genauso wie seine Hilflosigkeit und Verlorenheit in der Menge, nachdem er Sohn Jason aus den Augen verloren hat.
Ethan Mars ist ganz klar der Hauptcharakter des Spiels und nimmt die zentralste Rolle in Heavy Rain ein. Neben seinem Schicksal, bestimmten wir aber auch die von einigen weiteren Charakteren, von denen drei auch spielbar sind. Zusätzlich zum vom Schicksal gebeutelten Vater steuern wir den Privatdetektiv Scott Shelby, ein großgewachsenes Schwergewicht mit Bulldoggenvisage, die hübsche Madison Paige, über deren genaue Rolle wir keine Details vorwegnehmen wollen, und FBI-Profiler Norman Jayden. Allen Spielfiguren liegt eine glaubwürdige Biographie zugrunde, die man Stück für Stück im Laufe der Handlung offenlegt und außerdem in vielerlei Hinsicht eine deutliche Wendung geben kann.
Norman Jayden ist beispielsweise ein fähiger, junger Profiler, dem es zwar an einem gewissen Selbstbewusstsein, nicht aber an Erfolgsdurst mangelt und seine Leistungs- und Leidensfähigkeit mit gefährlichen Stimulanzien steigert. Ob er sein Suchtproblem in den Griff bekommt oder nicht, liegt in der Hand des Spielers. Auch die Nebenfiguren sind gut ausgearbeitet. Polizist Blake, der zusammen mit Jayden den Origami-Killer jagt, ist ein harter Bursche und scheut nicht davor zurück, bei der Ausführung seines Jobs das Gesetz zu übertreten.
Für einen tieferen Einblick sorgen auch die umfangreichen Gedanken der Charaktere, die man abrufen kann, aber nicht muss. Diese offerieren jedoch nicht nur interessante Details über Scott Shelby, Norman Jayden, Ethan Mars oder Madison Paige sondern steigern den ohnehin sehr engen Bezug zu den Spielfiguren noch mehr.
Die Erzählstruktur erinnert sehr an die von Fahrenheit, dem letzten Spiel von Entwickler Quantic Dream, in dem wir einzelne episodenartige Abschnitte spielten. Die wichtigsten Unterschiede bestehen darin, dass die ""Echtzeit"" keine so große Rolle mehr spielt wie im letzten Spiel der Franzosen und es weder aufgrund eines sich leerenden Stressbalkens noch aufgrund von falschen Entscheidungen zu einem vorzeitigen Ende kommen kann. Fehler in dem Sinne kann man also nicht machen, das Spiel ist allerdings äußerst erfolgreich darin, dem Spieler ein völlig anderes Bild zu vermitteln.
Die Auswirkungen der Entscheidungen, die man im Laufe des Spiels treffen kann, wirken sich teils direkt, teilweise aber auch erst deutlich später aus. Mit Privatschnüffler Scott Shelby besuchen wir zum Beispiel relativ früh im Spiel die Prostituierte Lauren, der Mutter eines der Opfer. Wir können ihr Geld für Informationen über ihren Sohn bieten, woraufhin sie uns erbost zur Türe hinauswirft, oder sie durch einfühlsame Fragen dazu bewegen, mit uns zu sprechen. Nachdem wir sie befragt haben und die Wohnung verlassen, nähert sich ein zwielichtiger Kerl und verschafft sich Zugang zu ihrer Wohnung. Wir hören Lauren schreien. Verlassen wir das Gebäude und überlassen ihm die ""Nutte"" oder greifen wir ein und helfen ihr? Wenn wir Lauren nicht dem gewalttätigen Freier überlassen wollen, kommen wir um einen Kampf nicht herum. Gelingt es uns, die richtigen Aktionen auszuführen, kriegt der Schläger ordentlich eins auf die Mütze und räumt schließlich das Schlachtfeld, während Shelby ohne jegliche Schramme davonkommt. Theoretisch können wir aber auch einfach stillhalten und uns von dem Kerl verprügeln lassen. Irgendwann lässt er von uns ab und verlässt die Wohnung. Shelbys Gesicht ist dann mit einigen blutigen Schrammen versehen, die auch im weiteren Spielverlauf sichtbar bleiben. Das schafft Glaubwürdigkeit und somit Atmosphäre.
Ganz so glimpflich wirkt sich das Nichtstun aber selten aus. Wer bei späteren QTEs erfolglos bleibt, der muss im günstigsten Fall auf zusätzliche Handlungsszenen verzichten und verliert im ungünstigsten Fall eine Spielfigur. Eine vermeintlich falsche Entscheidung kann aber genauso in einen zusätzlichen Handlungsabschnitt führen, der Seiten der Spielfiguren offenbaren kann, die einem sonst verborgen bleiben. Deshalb kann auch die Spielzeit deutlich variieren. In unter 7 Stunden werden die Wenigsten das Ende erreichen und egal wie lange es dauert, alles hat man dann noch längst nicht gesehen. Die Handlung selbst hat zwar einen festen Kern, kann aber vom Spieler, besonders mit Blick auf das Ende, maßgeblich beeinflusst werden. Insgesamt gibt es mehr als ein Dutzend unterschiedliche Endsequenzen, die in jedem Fall für einen würdigen Abschluss sorgen und den Wiederspielwert deutlich erhöhen.
Die hochspannenden oder sehr actionreichen Sequenzen bilden in Heavy Rain immer wieder einen Höhepunkt. Handgemenge, Verfolgungsjagden, aber auch schwerwiegende moralische Entscheidungen und lebensbedrohliche Herausforderungen gibt es nicht wenige. Selbst wenn nicht Schnelligkeit oder Präzision gefragt ist, gelingt es immer wieder, dem Spieler Schweißperlen auf die Stirn zu treiben und die Anspannung oder Angst der Spielfigur zu übertragen. Die Glaubwürdigkeit der Charaktere, die Nähe zu ihnen und dem, was diese tun, selbst in sehr privaten Momenten bei ihnen zu sein, ihre Gedanken zu lesen und aktiv zu bestimmen, sorgen für einen sehr engen Bezug, ja für Intimität.
Heavy Rain geht auch hier weiter als andere Spiele. So alltäglich ein Toilettengang, eine Dusche oder Sex im ersten Augenblick erscheinen mag, so wird sich kaum jemand dabei von einem Fremden über die Schulter schauen lassen wollen. Die Aktion selbst auszulösen, teils auch währenddessen aktiv zu sein und nicht bloß Beobachter, macht den Unterschied zum Film aus, in dem derartige Szenen stärker voyeuristische Tendenzen bedienen und nicht unbedingt für ein Gefühl von Vertrautheit und Nähe sorgen.
So werden auch positive Gefühle erfolgreich übertragen. In einer Szene befindet sich Scott Shelby in einer Wohnung mit einem Baby und dessen Mutter, die sich kurz zuvor versuchte, die Pulsadern zu öffnen. Da sie derzeit nicht in der Lage ist, sich um ihr Kind zu kümmern, übernehmen wir kurzerhand die Rolle des Ersatzvaters, nachdem wir die Wunden der Mutter verarztet haben. Zunächst wechseln wir die Windel und machen anschließend ein Fläschchen Babymilch warm. Zuletzt wiegen wir das Kind so lange, bis es einschläft. Eine tolle Szene die zeigt, wie nah Freund und Leid in Heavy Rain beieinanderliegen.
Doch Momente mit einer solchen Wirkung gelangen vor ein paar Jahren schon Fahrenheit wie kaum einem anderen Spiel. Die größte Stärke von Heavy Rain liegt aber genau dort, wo Fahrenheit scheiterte und nur deshalb funktioniert das Konzept von Heavy Rain auch bis zum Ende exzellent: Die Story. Die episodenartige Erzählweise, die gut ausgearbeiteten, überzeugend agierenden Charaktere und die eloquent geschriebenen Dialoge bilden die Grundlage für das phantastische Spielerlebnis, das nicht nur in puncto inhaltlicher Inszenierung, sondern auch audiovisuell überzeugt.
Bei Heavy Rain hat man nämlich auch im Grafik- und Soundbereich nichts dem Zufall überlassen und dem Spiel eine starke HD-Optik und einen herausragenden Soundtrack verpasst. Besonders die action- oder spannungsgeladen Sequenzen profitieren von der gekonnten Unterstützung durch häufige Perspektivwechsel, dynamische Kameraführung, den Einsatz von Splitscreens und anderen filmischen Kniffen.
Die detailliert ausgeformten Schauplätze sind ausgesprochen atmosphärisch und authentisch. Egal ob man sich die fotorealistischen Texturen betrachtet, die immer wieder stilistische Treffsicherheit bezeugen, oder die üppige Levelgeometrie – an jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken. Wer es darauf anlegt, findet auch immer wieder Stellen in den Umgebungen, an denen die Entwickler einmal Polygone eingespart haben oder eine Textur etwas überstrapazieren. Das Gesamtbild ist allerdings hervorragend und in den Motiven, die die intensive Inszenierung ins Rampenlicht rückt, da stimmen auch die Details.
Das gilt im Besonderen auch für die wohl größte optische Stärke von Heavy Rain: die Charaktermodelle. Die gecasteten Schauspieler wurden für Heavy Rain komplett gescannt und in Polygonmodelle umgesetzt. Jede ihrer Bewegungen wurde per Motion Capturing aufgezeichnet, was für äußerst echt wirkende Bewegungsabläufe sorgt. Am faszinierendsten ist aber der Blick in die Gesichter der Charaktere, die sehr detailliert sind und, was noch wichtiger ist, über eine äußerst lebendige Mimik verfügen. Absolut synchrone Lippenbewegungen (zur englischen Sprachausgabe) sind aber nicht das einzige markante Merkmal, das die Figuren in Heavy Rain auszeichnet. Stirnrunzeln, Bewegungen der Augenbrauen und Augenlider, Naserümpfen - nie sahen Gesichter in einem Spiel besser aus. In Nahansichten sind oft selbst feinste Hautstrukturen zu erkennen, was besonders bei Menschen mit sehr auffälligen Gesichtszügen wie Scott Shelby zur Geltung kommt.
Die Wettereffekte überzeugen ebenfalls. Der namensgebende Regen prasselt unaufhörlich auf die Erde nieder und hinterlässt seine Spuren auf Fensterscheiben und Gesichtern der Spielfiguren. Gelegentlich tritt Tearing auf, also sich überlagernde Frames, was man mit dem bereits im PlayStation Network erhältlichen Patch auf Version 1.01 jedoch deutlich reduziert hat. Dieser merzt auch einige Probleme bei der Kollisionsabfrage aus. Übersichtsprobleme treten beim Erkunden der einzelnen Locations selten auf und werden in manchen Situationen auch ganz bewusst erzeugt. Im interaktiven Intro, bei Ethans verzweifelter Suche nach dem verschwundenen Kind, bilden sie beispielsweise einen Teil des Spielerlebnisses. Ein manueller Wechsel zwischen zwei unterschiedlichen Kameraperspektiven ist in fast jeder Szene möglich und sorgt meistens für Abhilfe.
Auch die Musik und Soundeffekte tragen ihren Teil zur Atmosphäre bei. Die Anspannung Ethans auf der Suche nach seinem Sohn Jason unterstützt man durch eine leicht zittrige Kameraführung, schweres Atmen des Hauptcharakters, dramatische Musik und einen deutlich hörbaren Herzschlag. Seine Rufe wirken zudem immer verzweifelter, je länger er sich nach ihm umsieht. Die große Menschenmenge versperrt ihm die Sicht, auf Zehenspitzen hält er Ausschau nach dem Luftballon. Die äußeren Bildkonturen verschwimmen - Tunnelblick. Er scheint verloren, während niemand Notiz von ihm und seiner Gefühlslage nimmt. Die bittersüßen Klänge im Park, als Ethan mit Sohn Shaun einen kleinen Ausflug in die unbeschwerten Tage seiner Kindheit unternimmt, treffen genauso ins Mark. Zumeist setzt man auf die stimmungsvolle Note klassischer Streich-, Blas- und Tasteninstrumente, die mal für eher langsame melancholische oder schnellere dramatische Klänge, mal für bombastische oder eher leise Melodien sorgen, die eigens für Heavy Rain aufgenommen wurden. Hin und wieder mischen sich aber auch moderne Instrumente ein. Die Musik wird dabei aber nicht einfach über einer Spielszene ausgeschüttet, sondern passt sich dynamisch an die jeweilige Situation an. Nähert sich eine dramatische Situation, gewinnt sie an Fahrt, wandelt sich die Situation ins Einfühlsame, geht die Musik entsprechend mit.
Die deutsche Sprachausgabe ist gut, sie erreicht allerdings nicht ganz das Niveau, das man von Sony-Spielen der letzten Jahre gewohnt ist. Dass Sprecher in sehr kleinen Nebenrollen manchmal mehrfach zum Einsatz kommen, stört nicht weiter. Die Qualität der Vertonung beispielsweise von FBI-Profiler Jayden schwankt allerdings recht deutlich. Scott Shelby und Madison Paige hingegen sind auch in der deutschen Version klasse besetzt. Der Atmosphäre schaden die kleineren Schwächen in der deutschen Synchro aber kaum, zumal die meisten Sprecher zu ihren Rollen passen und meist einen guten Job machen. Lobend sollte man noch die Kinderrollen erwähnen, die im Gegensatz zu vielen anderen Spielen besonders gut besetzt wurden.
Wer gut genug Englisch kann, sollte aber auf die englische Tonspur wechseln. Die klingt nicht nur insgesamt besser als die Deutsche, sie passt außerdem als einzige zu den Lippenbewegungen, was für einen zusätzlichen Atmosphäre-Bonus sorgt. Wer möchte, kann aber auch mit einer der anderen Tonspuren Vorlieb nehmen. Neben Deutsch und Englisch stehen auch Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch und Niederländisch zur Verfügung - zumindest in der deutschen Verkaufsversion. Jede Tonspur kann darüber hinaus frei mit Untertiteln und Bildschirmtexten in einer der sieben Sprachen verknüpft werden. Vorbildlich.
Spielerisch setzt Quantic Dream, ähnlich wie in Fahrenheit, wieder sehr zentral auf Gestensteuerung und Quick-Time-Events (QTEs). Die Gesten werden mit dem rechten Analogstick ausgeführt und bestehen mal aus einer simplen Bewegung in eine der vier Himmelsrichtungen, mal aus einer etwas komplexeren Bewegung. Manche Gesten müssen mit etwas Fingerspitzengefühl nachempfunden werden, zum Beispiel, wenn Madison mit einem Mascara-Stift ihre Wimpern betont. Bei den QTEs kommen bis zu 8 Tasten (Triangle, Square, Cross, Circle, beide Bumper und Trigger) und der rechte Analogstick zum Einsatz. Außerdem nutzt man an einigen Stellen die bewegungssensitiven Steuerungsmöglichkeiten des Sixaxis-Controllers, von denen man beispielsweise während einer wilden Autofahrt Gebrauch macht. Die Fortbewegung innerhalb der Szenen erfolgt mit dem rechten Trigger, mit dem linken Analogstick bestimmt man die Laufrichtung und kann aus dem Stand heraus den Blick des Charakters umherschweifen lassen. Interaktionen mit der Umgebung erfolgen meist über Gesten mit dem rechten Stick.
Das Spiel unterscheidet während der QTEs zwischen dem rechtzeitigen Drücken der angezeigten Taste bzw. dem rechtzeitigen Ausführen eine Geste per Analogstick oder Sixaxis-Steuerung, dem wiederholten Drücken und dem Halten bestimmter Aktionstasten. Letzteres geschieht allerdings nie unter größerem Zeitdruck. Während in Fahrenheit die zu drückenden Tasten noch in einem festen Bereich in der Bildschirmmitte angezeigt wurden, und man deshalb oft nur aus dem Augenwinkel das Geschehen verfolgen konnte, so werden sie nun meist an den Stellen eingeblendet, die man als Spieler ohnehin gerade fokussiert. So reißen die Quick-Time-Anweisungen den Spieler nicht aus der eigentlichen Handlung heraus, sondern beteiligen ihn stattdessen noch stärker an der Action.
Zu Beginn des Spiels sind die Aktionen noch recht simpel, die Konsequenzen des Versagens zudem gering. Im späteren Spielverlauf ist die Varianz deutlich höher, der Zeitrahmen, um die richtigen Tasten zu drücken, etwas geringer, was den Druck auf den Spieler erhöht. Da sich später zugleich die Konsequenzen deutlich verschärfen, wenn man die QTEs nicht erfolgreich absolviert, sinkt der Druck auf den Spieler also auch beim erneuten Durchspielen nur bedingt.
Vor dem Spielstart kann man aus drei unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden wählen, wobei auch der Höchste halbwegs erfahrene Spieler nicht übermäßig fordern sollte. Wem es aber zu schnell geht oder mit einer geringeren Varianz bei der Tastenabfolge spielen möchte, der kann jederzeit den Schwierigkeitsgrad anpassen, ohne ein neues Spiel starten zu müssen.
Der eine oder andere mag bei Gestensteuerung und QTEs spielerische Vielfalt oder vielleicht sogar spielerischen Anspruch vermissen. Wer findet, dass Rätsel in einem Abenteuer nicht fehlen dürfen, der wird mit Heavy Rain nicht glücklich werden. Da die Reaktionsspiele durchaus Konzentration erfordern und noch dazu ein exzellentenes Mittendringefühl vermitteln, stellt sich die Frage nach einer geringeren Wertigkeit der Spielmechanik jedoch eigentlich nicht.
Wer die Actionsequenzen in Fahrenheit ob ihres intensiven Spielgefühls mochte, der wird Heavy Rain jedenfalls lieben. Gerade die Prügelsequenzen sind grandios inszeniert und lassen einen auch zum wiederholten Mal noch intensiv mitfiebern, was dem exzellenten Mix aus toller HD-Grafik, superflüssigen Animationen, einem größtenteils grandios getimten Schnitt und einer nahezu perfekt auf die jeweilige Szene abgestimmte Musik zu verdanken ist.
Spiel oder nicht Spiel, das ist nicht die Frage. Die Kombination aus filmischen und spielerischen Elementen in Heavy Rain sorgt für ein einzigartig intensives Erlebnis, das es in dieser Form kein zweites Mal gibt. Die Story fesselt vom Anfang bis zum Ende, die Spannungskurve steigt kontinuierlich an. Denn anders als in Fahrenheit ist die Story eine der großen Stärken und kein Schwachpunkt. Daran können die kleineren und somit absolut vernachlässigbaren Logikfehler nichts ändern.
Große Stärken liegen einmal mehr auch bei der Präsentation und der Inszenierung. Die Schauplätze sind optisch ansprechend umgesetzt, die Wettereffekte sorgen für eine düstere Thriller-Atmosphäre. Herausragend sind die Charaktermodelle und deren Animationen umgesetzt, die als Abbilder echter Schauspieler so lebensnah wirken wie in keinem anderen Spiel zuvor. Perfekt funktioniert die Einbindung der Quick-Time-Events, die in den Actionsequenzen ein Mittendringefühl vermitteln, wie es bei einer konventionellen direkten Steuerung kaum möglich wäre.
Heavy Rain ist nicht wie Fahrenheit. Es ist Fahrenheit ohne unnötige Frustmomente bei mißlungenen Schleichpassagen, fantastischer HD-Optik und einer viel besseren Story. Ein nahezu perfekt inszenierter Thriller und ein Erlebnis der besonderen Art, ein Gesamtkunstwerk, das Seinesgleichen sucht.
Ich bin begeistert. Auch wenn man Heavy Rain nicht als Nachfolger von Fahrenheit betrachten sollte, so drängt sich der Vergleich doch auf. Was die Intensität der Inszenierung angeht, hat schon der Vorgänger einen guten Job gemacht. Über den konnte man sich aber ärgern, wenn man an das durch die immer schlechter werdende Story verschenkte Potenzial denkt. Das macht den wesentlichen Unterschied zwischen Heavy Rain und Fahrenheit aus, denn die Suche nach dem Origami-Killer und Ethans Sohn Shaun ist bis zum Ende spannend und verheddert sich nicht in riesigen Logiklöchern oder abstrusen Wendungen. Aber auch sonst schneidet Heavy Rain in jeglicher Hinsicht stärker ab.
Heavy Rain ist ein interaktiver Thriller der Extraklasse: Die überaus spannede Story um den Serienkiller, die mit mehreren unterschiedlichen Enden aufwartet und dem Spieler schwerwiegende moralische Entscheidungen mit teils deutlichen Konsequenzen abverlangt, bietet rasante Action, harte Themen und große Gefühle in toller audiovisueller Kulisse. Großartig!
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