Ein knappes Jahr ist es nun her, seitdem die 'Star-Wars-Firma' LucasArts sich erstmals seit Jahren wieder ihren Wurzeln zuwendete. Zwar geschah dies nicht mit einer neuen Adventure-Produktion, sondern lediglich in Form eines Remakes des Genre-Klassikers The Secret of Monkey Island, doch auch damit hat LucasArts zwei Dinge bewiesen. Erstens: Echte Klassiker sind nur Spiele, die damals wie heute mit ihren Inhalten überzeugen können. Und zweitens: Selbst grandiose Spiele kann man noch besser machen.
Seit dem 7. Juli 2010 steht nun die Special Edition der ersten Fortsetzung von Guybrush Threepwoods Abenteuer auf diversen Plattformen zur Verfügung. Für uns einmal mehr ein Grund, in die Haut des Möchtegernpiraten zu schlüpfen.
Während der Download läuft, gehen uns nochmal einige der besten Szenen aus Monkey Island 2 durch den Kopf und man fragt sich, wie LucasArts das Ganze wohl optisch und akustisch umgesetzt hat, was anno 1991 zwar richtig gut aussah, heutzutage aber wohl kaum jemanden mehr vom Hocker reißen würde.
Nach dem Spielstart ist es jedoch zunächst eine ganz andere Frage, die sich den Kennern des Originals aufdrängt: Wo bitte ist das Intro geblieben, in dem Guybrush zunächst ein paar Affen verjagt, während eine der schönsten Adventure-Melodien überhaupt erklingt? Denn die Special Edition von Monkey Island 2 startet zwar mit dem kurzen Prolog, in dem Guybrush an einem Seil hängend Elaine die ganze Geschichte erzählen soll, die ihn in seine missliche Lage gebracht hat, direkt danach kommt allerdings nur der Einleitungssatz des Erzählers und wir sitzen mit dem tollpatschigen Big-Whoop-Jäger in spe und zwei 'richtigen' Piraten am Strand von Scabb Island. Die beiden müssen sich zum x-ten Mal die von Seemannsgarn umwickelte Geschichte seines Sieges über den Geisterpiraten LeChuck anhören und sind froh, als er endlich das Weite sucht.
Als zweites fällt uns auf, dass wir zu Beginn nicht den Schwierigkeitsgrad wählen konnten, während uns im Original noch ein leichter Alternativpfad zur Verfügung stand. Das gesamte Spiel basiert folglich auf der schwierigeren Version samt Spuckwettbewerb, der Suche nach der Galionsfigur der Sea Monkey und dem Eimer voller Schlamm, der nur Guybrush allein gehört.
Wer das Spiel bisher nicht kannte, dem dürfte beides nicht negativ auffallen, Kenner hingegen ärgern sich zu Recht über die fehlenden Inhalte und müssen hoffen, dass LucasArts zumindest das fehlende Intro noch nachliefert.
Der Ärger ist aber schnell verflogen, wenn wir mit Guybrush über die Insel stolzieren, auf der uns zunächst der etwas klein geratene Tyrann Largo LaGrande beweist, dass mehr zum Piratsein gehört als ein wenig Flaum am Kinn, als er uns sämtlicher Reichtümer entledigt.
Doch unser Held hat ja noch Großes vor. Nein, er will sich bekanntlich keinen Vollbart wachsen lassen, sondern den sagenhaften Schatz von Big Whoop heben. Leichter gesagt als getan, da eben jener Dieb Largo ein Embargo über die Insel verhängt hat. Wenn wir Scabb Island also verlassen wollen, dann muss erst die rechte Hand LeChucks aus dem Weg geräumt werden. Zum Glück steht uns einmal mehr die Voodoo-Lady im Sumpf zur Seite, die nicht nur den leicht verklemmten Kartenzeichner Wally mit Liebeszaubern, sondern auch Guybrush mit äußerst hilfreichen Utensilien versorgt, mit denen er Largo ein für alle Mal vom Piraten-Eiland vertreiben kann.
Es gibt kaum ein Adventure, dem es gelingt, trotz schräger Charaktere, teils absurder Handlung und mit vor Witz und Charme sprühenden Dialogen, dem Ganzen dennoch eine gewisse Ernsthaftigkeit zu verleihen wie der Monkey-Island-Reihe. Das kann man durchaus mit den Nackte-Kanone-Filmen vergleichen, die zwar von Slapstick und teils sehr plattem Humor geprägt sind, aber gleichzeitig eine insgesamt sinnvolle Geschichte erzählen und fein erdachte Charaktere bieten. Und gerade dem zweiten Teil von Monkey Island gelingt dies am besten von allen. Insbesondere das zweite Kapitel mit der Suche nach den vier Kartenteilen gehört nicht nur spielerisch zum Besten, was das Genre je hervorgebracht hat.
Trotz des fehlenden Intros und der Streichung des einsteigerfreundlicheren Schwierigkeitsgrads hat man sich bei LucasArts offenbar die Kritik der Spieler sehr zu Herzen genommen. Das Charakterdesign von Guybrush wirkt zwar weiterhin moderner als sein pixeliges Ebenbild von 1991, trifft aber wie sämtliche übrigen Charaktere deutlich besser die Originalvorlage von damals als es bei der Special Edition von Teil 1 der Fall war. Die seltsame Frisur Guybrushs ist Geschichte und auch sonst wirkt der Pseudo-Freibeuter nicht mehr wie der beste schwule Freund Elaines.
Der wichtigste Grund, weshalb das Abenteuer optisch voll und ganz überzeugen kann, ist aber die Nähe zu den Originalvorlagen der Hintergründe. Die Zeichnungen hat man, abgesehen von kleineren farblichen Anpassungen und der einen oder anderen hübschen großflächigen Himmels- oder Wasseranimation, quasi 1:1 von denen von damals übernommen. Auch die Laufwege und Animationsabläufe der Charaktere finden sich im Remake praktisch identisch wieder und sind lediglich mit neuen, hochauflösenden Sprites versehen. Eine Ausnahme bilden ein paar zusätzliche Bewegungsphasen, wenn Guybrush zum Beispiel eine zeitlang auf der Stelle stehenbleibt. Nicht sämtliche der alten Animationsabläufe über Bord zu werfen spart jedoch nicht bloß Zeit und Geld, sondern ermöglicht auch - wie schon in der Special Edition von Teil 1 - jederzeit das flüssige Umschalten in den Classic-Modus, in den man nun die Sprachausgabe mitnehmen kann. Es bedeutet indes auch, dass die Animationen manchmal etwas ungelenk wirken, zum Beispiel, wenn Guybrush den Steg zu Captain Dreads Schiff herunterläuft. Es sieht gleichwohl so gut aus, dass es weit mehr als der bloße Retrocharme ist, der für die aufgepeppte Optik spricht.
Monkey Island 2 zeichnet sich allerdings nicht nur durch seinen Humor, seine liebenswert verschrobenen Charaktere oder die kreative Sorgfalt bei der Gestaltung der Hintergründe aus, auch das Rätseldesign ist überwiegend exzellent.
Das zweite Kapitel ist dabei sicherlich das gelungenste der insgesamt vier. Hier muss Guybrush vier Kartenteile finden. Die Suche ist einerseits geschickt miteinander verknüpft, lässt dem Spieler aber gleichzeitig relativ viele Freiheiten, um welches Kartenstück er sich als nächstes kümmern möchte. Die Komplexität ist dabei mitunter relativ hoch, wenn es beispielsweise darum geht, das Kartenviertel des Händlers auf Booty Island zu bekommen. Der Ladenbesitzer verlangt nämlich 6 Millionen Goldstücke oder die Galionsfigur eines gesunkenen Schiffes. Wo sich das Wrack befindet, können wir in der Bibliothek von Phatt Island erfahren, um dorthin zu kommen, müssen wir allerdings das Schiff von Captain Capsize chartern, deren 'Hilfe' wir auch beim Auffinden eines anderen Kartenstücks benötigen. Die verlangt auch erst einmal 6000 Goldstücke, die wir auftreiben können, indem wir an einem Spuckwettbewerb teilnehmen, der mit nicht ganz lauteren Mitteln gewonnen werden muss. Eines unserer Hilfsmittel, das wir dazu benötigen, wird im dritten Kapitel noch einmal sehr wichtig. Das ist ohne Frage clever designt, jeder einzelne Zwischenschritt belohnt den Spieler darüber hinaus mit unterhaltsamen Spielszenen und natürlich immer mit witzigen Dialogen, weshalb so gut wie nichts überflüssig erscheint.
Überaus eindeutige Tipps gibt es innerhalb der Dialoge zwar nicht immer, doch aber zumeist genügend, um nicht so schnell auf dem Schlauch zu stehen. Im Gegensatz zu so manchem Adventure jüngeren Datums muss man sich diese Informationen jedoch relativ häufig in Form optionaler Dialoge oder auch mal in der Bibliothek holen und bekommt diese nicht automatisch vorgebetet. Wer stärker an der Hand genommen werden möchte, dem steht die mehrstufige Hilfsfunktion jederzeit zur Verfügung. Über diese können zunächst allgemeine Hinweise, bei erneuter Aktivierung kleinere Tipps und zuletzt ein Wink mit dem Zaunpfahl eingefordert werden.
So sehr Norman Matt in den deutschen Versionen von Monkey Island 3 und 4 als Guybrush Threepwood überzeugte, muss man spätestens seit Tales of Monkey Island gestehen, dass sein englischsprachiges Pendant einfach wie die Faust aufs Auge passt. Dominic Armato macht seinen Job aber nicht einfach nur sehr gut, er lebt die Rolle Guybrushs wie kein anderer. Eine absolut fantastische Arbeit des Amerikaners - genau so müssen die Sprüche des Möchtegernpiraten rüberkommen. Und davon gibt es nicht wenige. Der Anteil an optionalen Dialogen ist riesig, wobei so gut wie jeder davon äußerst lohnenswert ist, selbst wenn er keinen wichtigen Hinweis auf eines der Rätsel bereithält. Egal ob mit Händler Stan, dem Barkeeper auf Scabb Island oder dem Schreiner, mit dem Guybrush sich unter anderem sein berühmtes Zungenbrecherduell liefert, man erfährt viel über die Charaktere und hat noch weit mehr zu lachen.
Elaines Sprecherin gefällt uns weiterhin nicht ganz so gut und vom Knochensong hatten wir uns ein kleines bisschen mehr erhofft. Insgesamt sind die Sprechrollen jedoch absolut großartig besetzt und es gibt eigentlich nichts, worüber man ernsthaft meckern könnte.
Zudem muss man einmal mehr die überarbeitete Musik loben, die schon im Original ihren absoluten Ohrwurmcharakter unterstrich. In der Special Edition hat man erneut den Eindruck, dass die Stücke nun einfach auch klangtechnisch die Qualität erreichen, die die Kompositionen von Michael Land und anderen schon immer verdient hatten.
Als ganz fehlerfrei stellt sich das iMuse-System zwar nicht auf allen System dar, was eventuell auch auf die Soundkompression zurückzuführen sein könnte, die PC-Version allerdings scheint davon weitestgehen nicht betroffen zu sein. Abstriche muss man in der Classics-Version machen, die deutlicher bassiger klingt als die CD-Version von einst.
Die größten Probleme hatte die Special Edition des ersten Teils im Bereich der Steuerung. Und genau dort hat man auch für die markantesten Unterschiede zu Teil 1 gesorgt. Ein Verbenmenü in dem Sinne gab es, außer in der Classics-Version, bekanntlich schon im Remake des Vorgängers nicht mehr. Dort allerdings musste man sowohl das Inventar als auch die Tafel mit den Aktionssymbolen aufklappen oder mühselig per Mausrad bedienen. All dem hat man ein Ende bereitet und die Steuerung extrem vereinfacht. Monkey Island 2 hat nun so etwas wie einen kontextsensitiven Mauszeiger, wobei dem Spieler maximal vier verschiedene Aktionsmöglichkeiten angeboten werden. Klickt man einen Hotspot nur kurz mit der rechten Maustaste an, wird die offensichtlichste Aktion ausgeführt, wie zum Beispiel das Öffnen einer Türe oder das Ansprechen eines Charakters. Wenn man die rechte Maustaste gedrückt hält, kann man mit einer simplen Mausbewegung die gewünschte Aktion auswählen. Seine eingesammelten Besitztümer kann man nun per Drag & Drop miteinander kombinieren, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Inventars, das man schnell per Klick auf das Mausrad öffnen und schließen kann. Viel simpler geht es jedenfalls kaum, was Veteranen nicht weiter stören dürfte, da man die Rätsel ohnehin aus dem Effeff kennt, während Neulinge vom dadurch durchaus moderateren Schwierigkeitsgrad profitieren dürften.
An verschiedenen Stellen im Spiel besteht die Möglichkeit, einen Audiokommentar zuzuschalten, in dem Monkey-Island-Erfinder Ron Gilbert, Tim Schafer und Dave Grossman ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. Ganz so umfangreich ausgefallen, wie man es sich vielleicht gewünscht hätte, sind die Kommentare der drei ehemaligen LucasArts-Mitarbeiter zwar nicht, doch er zeigt eindeutig, dass von diesem Feature viel zu selten Gebrauch gemacht wird. Manches aus dem insgesamt rund einstündigen Kommentar wird Kennern bereits bekannt sein, aber selbst für Experten dürfte die eine oder andere neue Information oder witzige Anekdote abfallen - für Neulinge sowieso. Unterhaltsam ist der Kommentar allemal. Besser wäre es vielleicht gewesen, wenn das Spiel während des jeweiligen Kommentarabschnitts komplett pausiert würde. So legt er sich manchmal über einen Dialog oder eine Zwischensequenz, die man nicht in jedem Fall bei Bedarf wiederholen kann.
Der Audiokommentar ist nicht das einzige Bonusfeature, das LucasArts bereitstellt. Im Laufe des Spiels kann man auch einige Artworks freischalten. Darunter befinden sich sowohl Originalskizzen, die Anfang der 90er-Jahre entstanden sind, als auch Konzeptgrafiken der Special Edition. Schade ist dabei eigentlich nur, dass man diese schneller durchgeblättert hat, als einem lieb ist. Für PC-Spieler noch eher ungewohnt, enthält auch die Steam-Version 12 Achievements, die man im Laufe des Abenteuers freischalten kann.
Monkey Island 2 war schon damals ein Geniestreich, der abgesehen vom nicht von allen geliebten Schluss als eines der rundesten Adventures überhaupt gelten muss. Tolle Rätsel bei vergleichsweise hoher spielerischer Freiheit, wahnsinnig witzige Dialoge, charmante Helden und charismatische Gegenspieler, schöne Grafik und fantastische Musik haben das Spiel schon immer ausgezeichnet. Und ja, LucasArts hat es mit der grandiosen Sprachausgabe, der neu aufgenommenen Musik und der tollen HD-Grafik geschafft, das Spiel sogar noch ein bisschen besser zu machen. Das wirkt wie Balsam auf die Wunden, die das Fehlen des leichten Schwierigkeitsgrades und vor allem des Intros bei so manchem Fan verursacht haben könnte. Zumindest vom Intro darf man aber noch hoffen, dass LucasArts dieses noch nachliefert.
Fans sollten bei der Special Edition dennoch schon jetzt unbedingt zuschlagen - Neulinge erst recht. Denn mit einer besseren Version eines der besten Adventures aller Zeiten ist in den kommenden Jahren wohl nicht zu rechnen.
Ich bin sehr zufrieden mit der Special Edition von Monkey Island 2. Das Spiel gewinnt optisch noch eine ganze Ecke mehr als die überarbeitete Version von Teil 1, die Sprachausgabe ist durchgehend auf sehr hohem Niveau, die Musik ist ebenfalls klasse und bei Rätseln, Dialogen und Story war das Spiel sowieso fast über jeden Zweifel erhaben.
Das Fehlen des leichten Schwierigkeitsgrades schmerzt mich nicht ganz so sehr, auf das Intro möchte ich allerdings nicht verzichten, und hoffe, das LucasArts hier noch die fehlenden Inhalte nachliefert. Was bleibt noch zu sagen? Ach ja; Hinter Dir, ein dreiköpfiger Affe!
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