Es gibt nicht viele Menschen, die man namentlich mit ihren Spielen in Verbindung bringt. Meist sind es Namen von Leuten, deren größte Erfolge schon lange Zeit zurückliegen - gerade innerhalb des Adventure-Genres. Wer denkt nicht gleich an Ron Gilbert oder Tim Schafer, wenn man über Monkey Island oder Grim Fandango spricht? Und wer denkt bei Leisure Suit Larry oder King's Quest nicht an Al Lowe oder Roberta Williams? Jane Jensen verbindet man vor allem mit ihrer Gabriel-Knight-Reihe, die nicht nur mit ihrem überragenden zweiten Teil vielen noch in bester Erinnerung sein dürfte. Vor einigen Jahren übernahm der Hamburger Publisher dtp ihr Projekt, welches vom ehemaligen Publisher Dreamcatcher bereits im Jahre 2005 eingestellt wurde. Aus dem ursprünglich geplanten Release Ende 2007 ist schlussendlich nichts geworden, dass Gray Matter nach drei weiteren Jahren Entwicklungszeit nun doch noch erscheint, damit war zwischenzeitlich sicherlich nicht mehr unbedingt zu rechnen. Aber wie der Duke erst vor wenigen Wochen bewiesen hat; Totgesagte leben länger. Wir haben uns in das neue Abenteuer von Design-Ikone Jane Jensen gestürzt und verraten euch, ob sich das lange Warten gelohnt hat.
In einer gewittrigen Nacht braust ein Motorrad über die Landstraßen irgendwo zwischen der Universitätsstadt Oxford und der englischen Hauptstadt London. Die Fahrerin ist Samantha Everett, eine junge Amerikanerin, die seit mehreren Jahren quer durch Europa tourt und sich dabei mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Zumeist verdingt sie sich als Zauberkünstlerin ein Zubrot und möchte nichts lieber, als in den erlesenen Kreis des Dädalus-Clubs aufgenommen werden, in dem sich seit jeher alle großen Illusionisten der Welt unter einem Dach versammeln. Ihr Ziel ist deshalb das Clubhaus in London, welches sie mit ihrem fahrbaren Untersatz zumindest in dieser Nacht nicht mehr erreichen soll, nachdem sie mit einer technischen Panne liegen bleibt.
Sie schiebt ihr defektes Gefährt bis zu einem nahegelegenen Anwesen, um dort fürs erste unterzukommen. Eine junge Frau klingelt gerade an der Pforte und übt nochmal ihren Text. Sie möchte sich als neue Assistentin für einen gewissen Dr. Styles anmelden, ein rätselhaftes Ereignis schlägt sie jedoch in die Flucht. Samantha zögert nicht lange, gibt sich der Hausdame einfach als die neue Laborassistentin zu erkennen und erhält Einlass ins Dread-Hill-Anwesen. Am nächsten Morgen möchte auch sie eigentlich das Weite suchen bevor man ihre Täuschung bemerkt, nachdem sie von der Haushälterin reichlich verköstigt wurde und erfährt, dass Dr. Styles gut bezahlt, entscheidet sie sich jedoch, das falsche Spiel noch ein wenig weiterzuspielen.
Styles selbst, seines Zeichens Neurobiologe, bekommt sie gar nicht zu Gesicht, als sie den ersten Auftrag erhält. Der Wissenschaftler, der sich seit dem Tod seiner Ehefrau sehr intensiv mit paranormalen Phänomenen beschäftigt, betraut sie mit der Suche nach sechs Freiwilligen für ein neues Experiment. Also macht sich Sam auf nach Oxford, um die Schäfchen für den Doktor einzusammeln. Wie die Gothic-mäßig gekleidete Sam feststellen muss, ist diese Aufgabe gar nicht so leicht, denn in der berühmten Universitätsstadt kursieren allerlei Gerüchte über ihren neuen Arbeitgeber, den viele für einen geisteskranken Freak halten. Samantha hat natürlich ein paar Asse im Ärmel und schafft es, immerhin fünf Kandidaten zu überzeugen. Sie selbst wird zur Nummer sechs auserkoren und ein bisschen mulmig wird ihr schon, kurz bevor sie dem Neurobiologen erstmals in die Augen sieht...
Die größten Erwartungen an das neue Jane-Jensen-Spiel dürften mehrheitlich inhaltlicher Natur sein. Die Autorin ist dafür bekannt, mit großer Sorgfalt die Geschichte und Charaktere auszuarbeiten und diese geschickt mit historischen und/oder wissenschaftlichen Fakten zu verknüpfen. Und genau dies gelingt Jane Jensen auch in Gray Matter erneut auf höchstem Niveau.
Die Details über Hirnforschung und Parapsychologie, die zutiefst christlich geprägte Geschichte Oxfords oder auch die eher popkulturellen Anspielungen etwa auf den Zauberkünstler David Copperfield sorgen stets für ein hohes Maß an Authentizität. Die Erzählstruktur und die sich häppchenweise offenbarenden Details über die Hintergründe der einzelnen Charaktere, sorgen unterdessen für einen immer näheren Bezug zu den Spielfiguren und damit auch zu den großen und kleinen Themen, die im Zentrum der Erzählung stehen.
Sam beispielsweise führt sich nicht unbedingt sympathisch, zudem auch leider nicht ganz glaubwürdig, in die Geschichte ein, als sie zufällig zum Dread Hill House gelangt und ihr seltsames Lügenspielchen beginnt. Erste Details wie ein Brief vom Jugendamt in den USA, ihr fast schon kindlicher Umgang mit ihrem weißen Hasen, den die Zauberin Houdini nennt, oder ihre durchaus geäußerten Bedenken, ob ihr Verhalten richtig ist, rehabilitieren sie gekonnt, ohne dass man zu früh zu viel über sie und ihre Geschichte erfährt.
Ganz ähnlich verhält es sich bei Dr. Styles, von dem sowohl Sam als auch der Spieler anfangs nichts wissen, außer dem, was sich die Studenten in Oxford erzählen und was sein äußerst grober Umgangston in seinen in Briefform verfassten Anweisungen vermuten lässt. Die Frage, wer Styles eigentlich ist und welche Gründe es für sein seltsames Verhalten und sein Einsiedlerdasein geben könnte, weckt nicht nur das Interesse von Sam - und gibt ihr gleichzeitig ein Motiv für ihr weiteres Vorgehen -, sondern auch gleichsam das des Spielers.
Auch die Nebenfiguren, die sich wie die Hauptcharaktere nur ganz am Rande gängiger Klischees bedienen, sind gut ausgearbeitet und wecken damit größtmögliches Interesse. Da wäre beispielsweise der etwas vorlaute Amerikaner Harvey Kinderman, der Jura studiert und sich fürs Filmemachen interessiert, das äußerlich Dandy-mäßige Muttersöhnchen Charles Ettington, die selbstverliebte und überaus selbstbewusste Rothaarige Helena oder die verschüchterte Schottin Angela Mullholland. Da stimmt die Mischung und auch über sie erfährt der Spieler immer nur so viel wie nötig ist, wovon der Spannungsbogen ebenfalls bestens profitiert. Das alles funktioniert aber nicht zuletzt auch deshalb so gut, weil die Dialogqualität stets auf hohem Niveau liegt, vor allem in der englischen Originalfassung, aber auch in der deutschen Version.
Richtig spannend und wendungsreich wird das Spiel allerdings erst relativ spät, grob ab der Mitte der über acht Kapitel verteilten Handlung, wenn die Details aus der Vergangenheit und die sonderbare Ereignisse während des Experiments stärker in den Vordergrund rücken und zwischenzeitlich mehr neue Fragen aufgeworfen werden als bis zum Schluss geklärt werden. Will jemand Dr. Styles schädigen und manipuliert das Experiment? Ist es vielleicht sogar einer der Teilnehmer, der im Auftrag eines Dritten arbeitet oder werden wir tatsächlich Zeuge von rätselhaften Phänomenen, die sich wissenschaftlich nicht oder nur bedingt erklären lassen? Die zentralsten Antworten auf diese und andere Fragen bleibt das Spiel allerdings nicht schuldig und es gelingt ihm zum Ende hin immer mehr, nicht bloß das Interesse des Spielers zu wecken, sondern ihn zu fesseln und intensiv ins Abenteuer zu ziehen. Das finale Kapitel wird der bis dahin aufgebauten Spannung zwar nicht ganz gerecht, ist aber weit davon entfernt, unbefriedigend zu sein.
Inhaltlich gehört Gray Matter jedenfalls mit zu den stärksten Spielen der letzten Jahre und ist das inhaltlich beste klassische Adventure seit House-of-Tales' Psychothriller Overclocked.
Die mehr als 4,5 Jahre Entwicklungszeit bei Tonuzaba in Ungarn und bei So-Blonde-Entwickler-Wizarbox sieht man dem Spiel optisch relativ deutlich an. Unter künstlerischen Gesichtspunkten macht das Spiel zweifellos eine gute Figur, die authentisch eingefangen Schauplätze in Oxford tun ihr Übriges. Allerdings schwankt die Qualität doch teilweise recht stark. Was deutlich wird ist, dass man bei Wizarbox die Vorarbeit der Ungarn zumindest teilweise weiterverwendet hat, was mit Blick auf die damals veröffentlichten Artworks jedoch nicht verwundern dürfte, denn die waren richtig gut. Was ursprünglich wohl einfach Zeit sparen sollte, hat aber teilweise dazu geführt, dass der Stil nicht immer ganz einheitlich rüberkommt und es teils deutliche Divergenzen bei einzelnen Bildabschnitten gibt. So sind manche Objekte recht kantig geraten und nicht in allen Szenen wirkt die Beleuchtung einheitlich.
Die Straßenzüge von Oxford, die verschiedenen historischen Colleges und sonstigen berühmten Schauplätze, die man im Laufe des Abenteuers besucht, oder das Dread-Hill-Anwesen sind recht detailliert ausgearbeitet und lassen so gut wie keine Wünsche offen. Einzig die Tatsache, dass sich in den Straßen von Oxford oder im Timmons-Park kaum eine Menschenseele bzw. lediglich Figuren aus der Klonfabrik verirren, kratzt geringfügig am stimmigen Gesamtbild.
Nicht so schön ist, dass bei jedem der sehr oft notwendigen Szenenwechsel eine Ladebildschirm erscheint. Die in früheren Versionen teils extrem hohen Ladezeiten hat man aber bis zur finalen Version glücklicherweise noch so weit runterschrauben können, damit der Spielfluss dadurch nicht mehr übertrieben stark gehemmt wird. Die Ladezeiten der einzelnen Szenen lagen bei uns durchschnittlich unterhalb von zwei Sekunden, was wir als akzeptabel empfinden.
Scrollenden Hintergründen begegnet man derweil nur vereinzelt, zumeist zeigt der 16:9-formatige Bildausschnitt die gesamte Szene. Die native Auflösung von 1280x720 Bildpunkten lässt sich neben einigen anderen optischen Detaileinstellungen beliebig anpassen. Die Performance ist durchgängig gut, die Hardwareanforderungen bei vollen Grafikdetails sind allerdings vergleichsweise hoch.
Gut getan hat man am Wechsel der 3D-Modelle, da die vorherigen heute nicht mehr zeitgemäß wären. Schade ist allerdings, dass die an sich gut gelungenen Spielfiguren über die Standardbewegungen hinaus überwiegend eher mäßig animiert sind und kaum über nennenswerte Mimik und Gestik verfügen. Die während der Dialoge eingeblendeten 3D-Modelle des Kopfes der beteiligten Personen wirkt ebenfalls recht starr und bewegt nicht viel mehr als den Mund synchron zur englischen Sprachausgabe. Es gibt zwar eine ganze Reihe von Spezialanimationen, diese beschränken sich aber häufiger auf ""Alibi-Bewegungen"" beim Aufsammeln von Objekten und ähnlichem oder sehen etwas zu puppenhaft aus. Einzelne Bewegungsabläufe wirken sogar unfreiwillig komisch, wenn Harvey Kinderman beispielsweise entsetzt wirken soll und dabei sonderbar mit den Armen in der Luft herumwirbelt oder während Sam ihr Frühstück verspeist. Da hätte man in der Tat mehr machen können, so siedelt sich das Spiel optisch eher im breiten Genre-Mittelfeld an.
Die per Motion Capturing eingefangenen Standardanimationen sehen zumeist gar nicht mal schlecht aus - so wie Sam ihre Hüfte schwingt, das hat schon was. Davon profitiert das Spiel jedoch kaum, da die Figuren teils nicht ganz so gut auf das 3D-Modell der Umgebung abgestimmt sind. Da gibt es immer wieder Clippingfehler, manchmal bleibt die Spielfigur an irgendeinem Objekt hängen und wechselt die Richtung. Solche Probleme sind in der PC-Version übrigens deutlich seltener als im Xbox-360-Pendant zu beobachten. Offenbar hat man hier in den letzten Wochen vor dem Release noch einige Fortschritte gemacht. Was man leider nicht mehr in den Griff bekommen hat, ist das gelegentliche Auftreten von Kantenflimmern an den Spielfiguren. Die Schattenwürfe der Spielfiguren sind meist recht gut gelungen, aber auch öfters etwas grobpixelig geraten.
Sehr schön wiederum sind die eher sporadisch vorhandenen Hintergrundanimationen und Partikeleffekte geglückt, außerdem gibt es an verschiedenen Stellen tolle Spiegeleffekte zu sehen. Besonders die großflächigen Himmelsanimationen können sich sehen lassen. Die zahlreichen Schauplätze, die inklusive Nahansichten deutlich mehr als 100 Szenen umfassen, liegen dabei in ansprechenden unterschiedlichen Lichtstimmungen vor. Die vorbeiziehenden, leicht rötlichen Wolken in Sonnenuntergangsstimmung über dem Christ-Church-College oder die finsteren Regenwolken über dem Dread-Hill-Haus sehen richtig klasse aus und sorgen für Atmosphäre.
Einer der ""Streitpunkte"" im Vorfeld waren die Zwischensequenzen, die in Gray Matter grundsätzlich nur aus einer Abfolge von gezeichneten, teilanimierten Bildern bestehen. Dass auch die Dezimierung der Produktionskosten bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt haben, kann man sicherlich nicht verleugnen. Wenn man sich die Cutscenes allerdings anschaut, muss man feststellen, dass deren besondere Atmosphäre meist voll zur Geltung kommt, was nicht zuletzt der gelungenen Sounduntermalung zu verdanken ist. Einzelne der Sequenzen, über denen immer ein deutlich sichtbarer Filter liegt, der das Bild etwas stärker wie ein Gemälde auf Leinwand aussehen lässt, erwecken allerdings einen zwiespältigen Eindruck, da die Abweichungen zwischen Schauplätzen sowie Charakteren in Spielgrafik und innerhalb der Videos teils inkonsistent wirkt - nicht zuletzt bei den Gesichtern - oder sich der Inhalt der jeweiligen Szene auf diese Weise nicht immer ansprechend vermitteln lässt. Das wird gerade bei den meist am Tage stattfindenden Abschnitten deutlich, in denen sich der ""Club der Lämmer"", wie sich die Versuchskaninchen selbst nennen, versammelt. Denn hier fällt der künstlerische Aspekt, der in den ansonsten eher düsteren Sequenzen anzutreffen ist, deutlich ins Hintertreffen. In diesem Bereich muss man also hin und wieder kleinere Abstriche machen, grundsätzlich hat man aber eher den Eindruck einer vielleicht nicht jedem genehmen Designentscheidung als einer auf Grundlage der Kostenersparnis. Denn zumeist fördern die Zwischensequenzen die mysteriöse und spannende Atmosphäre, anstatt ihr in irgendeiner Form zu schaden.
Auch der musikalischen Untermalung gelingt es ziemlich gut, für Atmosphäre zu sorgen. Insbesondere die Stücke der Popband The Scarlet Furies passen exzellent zu Gray Matter und sorgen für eine erstaunlich emotionale Note. Für den Rest des stimmungsvollen Scores zeichnet erneut Robert Holmes, der Ehemann von Jane Jensen und Mitglied der Scarlet Furies, verantwortlich. Die einzelnen Tracks weisen häufig einen Charakter auf, der irgendwo zwischen Kirchenmusik und mittelalterlichen Klängen liegt oder die mit hallenden Lauten für ein mysteriös anmutendes Ambiente sorgen. Der Umfang von Holmes' Kompositionen fällt dabei etwas zu gering aus, denn schon nach wenigen Spielstunden kennt man die eher leisen, aber sehr einprägsamen Titel quasi aus dem Effeff, weshalb sich gewisse Abnutzungserscheinungen nicht vermeiden lassen. Die nicht immer ganz sauberen Soundübergänge beim Szenenwechsel tragen zudem nicht unbedingt dazu bei, diese Wirkung zu vereiteln. Wer zur Collector's Edition greift, erhält den Soundtrack übrigens als Audio-CD dazu, was sich im Falle von Gray Matter eindeutig auszahlt. Denn die Musik hat zweifellos Ohrwurmpotenzial.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Adventures, erscheint Gray Matter hierzulande in einer mehrsprachigen Version, die sowohl die deutsche Lokalisation als auch die englische Synchronisation enthält. Wir nehmen schon mal vorweg, dass wir zur englischen Fassung raten, deren Voiceover insgesamt etwas besser ausgefallen ist. Die deutsche Version hinterlässt aber ebenfalls einen guten bis sehr guten Eindruck.
Die beiden Hauptfiguren sind sehr gut vertont, wobei uns Bernhard Reheuser, der Sprecher von Dr. Styles, dabei am besten gefallen hat. Auch die meisten Nebenrollen sind mehr als ordentlich besetzt, besonders hervorheben sollte man die deutsche Sprecherin der älteren Hausdame des Wissenschaftlers, die die streng-liebevolle und fordernd-fürsorgliche Art bestens trifft. Ein paar unnötige Aussetzer leistet sich die deutsche Version dann allerdings auch: Kinderrollen sind meistens schwierig zu besetzen, aber wenn eine solche Sprechrolle mehr als einen Satz umfasst, darf sie nicht so klingen wie in Gray Matter. Diese und zwei, drei andere kleinere Nebenrollen muss man also ertragen, ansonsten ist auch die deutsche Sprachausgabe als überaus gelungen zu bezeichnen.
Es empfiehlt sich sogar beide Versionen zu spielen. Denn wie bei Lokalisationen üblich, können bestimmte Aspekte einer Figur auch leicht verfremdet werden. Die ""deutsche Sam"" klingt zum Beispiel noch ein bisschen jünger als ihr britisches Pendant, eine Spur naiver und unbedarfter. Das passt durchaus und sorgt für einen besonderen Reiz, bei dem ein anderer Aspekt des Charakters stärker in den Vordergrund rückt.
Anpassen musste man für die deutsche Version auch mehrere Bilderrätsel, die Sam während ihres Abenteuers lösen muss. Hier hat man sich durchaus Mühe gegeben und dort, wo es möglich ist, nicht einfach die Rätsel in englischer Sprache belassen, wie es in anderen Spielen manchmal der Fall ist.
Hohe Erwartungen hatten die Spieler nach den anspruchsvollen und teils äußerst clever designten Rätseln in den Gabriel-Knight-Spielen auch in spielerischer Hinsicht an Jane Jensens neuesten Streich. Wer eine ähnlich starke spielerische Komponente erwartet hat, der könnte dezent enttäuscht sein, denn richtige Kopfnüsse oder besonders originelle Rätsel findet man in Gray Matter nur vereinzelt.
Es gibt eine ganze Reihe von Rätseln, die durchaus ein bisschen Denkarbeit erfordern, die schön in die Handlung integriert sind und absolut sinnvoll aufeinander aufbauen, was zumeist in den Spielabschnitten mit Samantha der Fall ist. Die Spielabschnitte mit David Styles fallen insgesamt spielerisch etwas schwächer aus. Beispielsweise muss Sam einem entwendeten Brief eine neue Beilage anfügen, um einen weiteren 'Freiwilligen' für das Experiment zu finden. Charles Ettington ist einer dieser Freiwilligen. Er hat gerade einen Brief seiner Mutter erhalten, den er wie üblich erst am Abend lesen möchte. Sam stiehlt ihm unbemerkt den Brief, dem die überfürsorgliche Mutter passenderweise ein Schreiben beigefügt hat, in dem zu einem öffentlichen Seminar eingeladen wird, an dem er teilnehmen soll. Von Dr. Styles wiederum hat Samantha zuvor ein Flugblatt erhalten, in dem die Studenten mit einem netten Stundenlohn gelockt werden, an seinem Experiment mitzuwirken. Sam tauscht also die beiden Flugblätter aus, verschließt den Brief wieder und schmuggelt ihn zurück an den ursprünglichen Fundort. Dass man den Brief zuvor an einem dampfenden Gulli öffnen muss, vergessen wir an dieser Stelle mal. Wie vom Adonis mit leichtem Rockzipfelzwang zu erwarten war, beherzigt dieser den Wunsch seiner Mutter. Das sorgt gleichzeitig dafür, dass Studentin Helena an Styles Experiment teilnimmt, denn die Minirockträgerin sucht verzweifelt nach einer Möglichkeit, näher an den Schönling heranzukommen.
Im Rahmen der Aufgabe mit dem Brief muss Sam auch gleich mehrfach ihr Talent als Zauberin unter Beweis stellen. Sobald ein Zaubertrick angewandt werden kann, erscheint über der betreffenden Person ein Symbol in Form eines Zauberhuts. Klickt man diesen an, öffnet sich Sams Zauberbuch, aus dem man selbstständig den richtigen Trick auswählen muss. Hat man den korrekten Trick gefunden, öffnet sich ein Menü, in dem man die einzelnen Schritte vorbereitet. Dabei stehen nicht weniger als 9 Punkte zur Verfügung, an denen man die Objekte platzieren kann. Zudem kann man die Objekte nicht nur verschieben, man kann diese auch manipulieren und muss zwischendrin manchmal ein kleines Ablenkungsmanöver einstreuen. Wie viele Teilschritte beim Zaubern notwendig sind, hängt vom Trick ab, in den seltensten Fällen sind es aber mehr als acht. Klingt kompliziert, ist aber relativ simpel, zumal man jederzeit im Zauberbuch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zu Rate ziehen kann. Für manche der Zaubernummern benötigt Sam noch weitere Hilfsmittel wie beispielsweise Kunstblut, einen falschen Finger oder einen kleinen Magnet. Diese erhält Sam im Zauberladen in Oxford bei dessen Besitzer Mephistopheles.
Unter den Einträgen im Zauberbuch finden sich auch ein paar Hütchenspielertricks, bei denen man zum Beispiel einen Aufseher in einem der Colleges in einem Kartenspiel schlagen muss.
Ab und zu werden fast schon casual-artige Spieleinlagen eingeschoben. In einer Szene muss Sam beispielsweise Helena davon überzeugen, dass das Foto auf ihrem Studentenausweis hässlich ist. Hierfür wählen wir einfach aus ein paar alternativen Bewertungsaussagen aus. An einer anderen Stelle müssen wir Akten einsortieren, wofür wir die Schriftstücke einfach alphabetisch korrekt den jeweiligen Schubladen zuweisen müssen. Später gilt es, zwei Namenslisten zu vergleichen, um herauszufinden, welcher Name nur auf einer davon auftaucht. Dafür streichen wir die Namen auf der einen Liste per Mausklick durch. Gray Matter streut solche Aufgaben allerdings nicht zu oft ein, zudem lockern sie ähnlich wie die Zaubertricks durchaus das Geschehen auf.
Das wohl schwierigste - und überdies eines der gelungensten - Rätsel des Spiels in einem labyrinthartigen Keller, hat sich Jane Jensen für das letzte Kapitel aufgespart. Und ausgerechnet dieses ist das einzige im Spiel, welches eine recht fadenscheinige Daseinberechtigung hat.
Im Vorfeld wurde bereits häufiger von den Schnitzeljagden berichtet. Hierbei handelt es sich, wie der Name bereits sagt, um Aufgaben, für die man quer durch Oxford reisen muss, um weitere Hinweise aufzuspüren. Diese Aufgaben, von denen es zwei im Spiel gibt, erstrecken sich stets über mehrere Kapitel hinweg und sind geringfügig anspruchsvoller als die meisten anderen Rätsel, da es nur vergleichsweise dezente Hinweise gibt. Aber auch diese dürften den wenigsten allzu viel Kopfzerbrechen bereiten. Ein bisschen schade ist dabei, dass sie Sam der Aufnahme im Dädalus-Club näher bringen sollen, wozu Gray Matter den Spieler eigentlich nicht motiviert, da man ganz klar auf Styles, dessen ehemalige Kollegen und die Teilnehmer des Experiments fokussiert wird. Dadurch bekommen die an sich schönen Aufgaben etwas von einer lästigen Pflichtübung.
Verpflichtend ist derweil nicht alles, was man in Gray Matter tun kann. Im Hintergrund zählt das Spiel Punkte zusammen, die dem Spieler gutgeschrieben werden. Dadurch hat man jederzeit eine grobe Vorstellung davon, wie weit man bereits in der Handlung des aktuellen Kapitels fortgeschritten ist und kann zudem nachschauen, ob man auch den einen oder anderen Bonuspunkt sammeln konnte. Zusätzlich belohnt wird der Spieler - außer in der Konsolenversion - dafür übrigens nicht, er kann sich aber sicher sein, dass er jeden der höchst selten optionalen Dialoge geführt und jede mögliche der größeren Aktionen ausgeführt hat.
Worüber man sich im Gegensatz zu wenigen etwas anspruchsvolleren Rätseln jedoch ärgern kann, sind das undurchsichtige Blocken von Aktionen, verspätet auftauchende Hotspots oder zunächst nicht mitnehmbare Objekte und mehrere mehr oder minder willkürliche Trigger, die sich dem Spieler auch im Nachhinein nicht immer erschließen und ein häufiges Hin- und Herlaufen zwischen den einzelnen Locations erfordert.
In einigen Fällen ist das mit Blick auf die Dramaturgie nachvollziehbar und meist lässt sich eine geblockte Aktion, zumindest wenn es um das Einsammeln eines Objekts geht, mit dem Wissensstand des Spielers oder wenigstens dem der Spielfigur einigermaßen rechtfertigen, solche Dinge können aber zu unnötigen und frustigen Hängern führen, wenngleich man nicht zwangsläufig in eine solche ""Falle"" treten muss.
Hierzu vielleicht zwei kleine Beispiele aus demselben Kapitel: Als Sam gerade aufgestanden ist, stürzt David Styles in ihr Zimmer und schickt sie auf direktem Weg zum St.-Edmund-Hall-College, wo sie ein Vorkommnis in einer Schwimmhalle untersuchen soll. Wir könnten gewiss erst mal in die Küche zum Frühstück bei Haushälterin Mrs. Dalton gehen, wo wir eine Zeitung finden würden, in dem der Name einer Augenzeugin genannt wird. Ohne diese Information können wir logischweise mit der Tafel, auf die Namen der studentischen Bewohner des Colleges aufgeführt sind, nichts herausfinden, was uns weiterbringt. Haben wir uns aber, wie einige es wohl tun werden, direkt per Karte nach St. Edmund Hall teleportiert oder betreten wenigstens nicht zuvor die Küche und nehmen die Zeitung an uns, haben wir diese Information schlichtweg nicht. Und so läuft man gegebenenfalls später einige Zeit rum, bis man das gefunden hat, womit es weitergeht. Auch nicht unbedingt hilfreich sind Hotspots, die man mehrfach anklicken muss, bis die Spielfigur eine bestimmte Erkenntnis hat.
In der Schwimmhalle selbst kann sich ein weiteres Problem ergeben. Aus der Grundperspektive heraus ist es Sam bereits möglich, das Schwimmbecken zu begutachten, in der Nahansicht eines Poolfilters gibt es jedoch einen weiteren Hotspot, den man untersuchen kann. Kein markanter Punkt, den man unbedingt dort vermuten würde. Die Erkenntnis, die Sam bei dessen Untersuchung hat, ist zudem nicht weltbewegend, da sie dem Spieler bereits nach der Inspektion anderer Hotspots vorliegt. Dennoch ist diese Aktion einer der notwendigen Schritte, um die aktuelle Aufgabe abschließen und Dr. Styles über die Untersuchungen berichterstatten zu können. Erst dann können wir uns weiteren Aufgaben widmen.
Auch hierbei greift nach einer gewissen Spielzeit der Gewöhnungsfaktor, gewöhnt heißt hier allerdings nicht zuletzt, dass man sich wohl oder übel damit abfindet, dass das Spiel einen manchmal unnötig knechtet.
Wenn eines in unseren mehrfachen Testdurchläufen deutlich wurde, dann jedenfalls, dass diese Eigenschaften vor allem zwei wenig positive Auswirkungen haben: Sie können die Spielzeit mitunter deutlich strecken und das wiederum geht auf Kosten der Dramaturgie und damit auch der Atmosphäre. Und wenn möchten wir aufgrund fordernder Rätsel hängen und nicht angesichts solcher Eigenheiten.
Das Interface ist alles in allem klassisch ausgefallen, wenngleich man stets den Eindruck hat, dass die Konsolenfassung schon relativ früh in Betracht gezogen wurde oder man ursprünglich etwas Besonderes mit Gray Matter vorhatte. Denn die Spielfiguren senken ihrer Häupter, sobald man den Mauszeiger in der unteren Gegend des Bildschirms bewegt, was deshalb manchmal etwas seltsam anmutet, wenn sich in diesem Bereich gar nichts befindet, was man eventuell betrachten könnte.
Drag-and-Drop-Kombinationen innerhalb des Inventars sind nicht möglich, weshalb man Inventarkombinationen minimal umständlicher ausführen muss, indem man das betreffende Objekt im Inventar per Rechtsklick zur Verwendung auswählt. Das Spiel gibt außerdem grundsätzlich vor, ob man ein Objekt bloß untersuchen, nehmen oder mit einem Inventarobjekt kombinieren kann, weshalb man meist nur auf die linke Maustaste angewiesen ist.
Die Kartenfunktion sorgt für Reisekomfort von einem Schauplatz zum nächsten. Die auf der Karte verzeichneten Orte sind teilweise farblich hervorgehoben. Sofern es im aktuellen Kapitel dort noch etwas zu erledigen gibt, erscheint der Name in gelber Schrift. Für Komfort sorgt auch die etwas fehlerhafte Hotspotanzeige, bei der nicht einfach die aktiven Punkte aufleuchten, sondern in Textform eingeblendet werden. Hierbei passiert es ab und zu, dass einzelne Punkte nicht eingeblendet werden, was scheinbar auch vom Standpunkt der Spielfigur im Raum abhängt. Normalerweise sollte man damit aber dennoch so leicht nichts übersehen können.
Während des Spiels kann man praktisch jederzeit speichern, allerdings hat man die Speicherplätze auf 20 Slots beschränkt, was ebenfalls auf ein Zugeständnis an den Konsolenableger zurückzuführen sein könnte.
Gray Matter ist das inhaltlich mit Abstand beste klassische Adventure seit Overclocked. Story, Charaktere und Dialoge genügen höchsten Ansprüchen. Das Maß an Authentizität, das man mittels gut recherchierter und clever eingebundener Fakten zu Schauplätzen und relevanten Storydetails erlangt, siedelt sich auf einem Niveau an, das nur die wenigsten Spiele erreichen. Das macht Jane Jensens Adventure zu einer klaren Kaufempfehlung, wenngleich es auch diesbezüglich nicht zum beispiellosen Über-Adventure avanciert, das manch einer mit überzogenen Erwartungen erhofft hatte. Das gilt, nebenbei bemerkt, auch für die von Jane Jensen versprochene Spielzeit von 40 Stunden. Mit rund 15 Stunden liegt das Spiel vom Umfang her allerdings immer noch deutlich über dem Durchschnitt.
An der Sprachausgabe, der Steuerung und besonders an der Technik gibt es zwar einige Kleinigkeiten auszusetzen, die nicht optimal umgesetzt wurden, jedoch nichts Dramatisches, was der immer intensiver werdenden Atmosphäre abträglich wäre. Zudem durfte man nach der wechselhaften Entwicklungsgeschichte sicherlich nicht damit rechnen, dass es nur Kleinigkeiten sind, die zu Abzügen in der B-Note führen.
Den einen oder anderen Dämpfer versetzt allerdings das Gameplay, das nicht erwartungsgemäß weitestgehend auf anspruchsvollere Aufgaben verzichtet und durch undurchsichtige bzw. nicht nachvollziehbare Trigger, verspätet erscheinende Hotspots oder ähnliches unnötig die Nerven strapazieren und sich mitunter als grober dramaturgischer Nachteil erweisen kann.
Viel größer als solche Fehler wäre es allerdings, sich Gray Matter deshalb entgehen zu lassen. Denn das lange Warten hat sich gelohnt.
Gray Matter punktet durch seine höchst interessante und später zunehmend spannende, wendungsreiche Story, die gut ausgearbeiteten Charaktere, die authentische Kulisse sowie mit den gut recherchierten Details zur Parapsychologie und den gut eingeflochtenen historischen Fakten zur Universitätsstadt Oxford. In diesen Bereichen überflügelt Gray Matter zwar nicht alles bisher Dagewesene, macht seine Sache aber einfach um Klassen besser als die meisten vergleichbaren Spiele. Wer also vor allem auf die inhatliche Komponente abzielt, der macht mit dem Kauf alles richtig.
Wer mehr Wert auf den spielerischen Aspekt legt oder optisch und akustisch umgehauen werden möchte, der dürfte nicht vollends zufrieden mit Gray Matter sein, wobei es unter künstlerischen Gesichtspunkten einigen Boden gutmachen kann. Besonders hohen Erwartung wird der Titel in diesen Punkten allerdings nicht gerecht und könnte zumindest spielerisch aus Sicht eines besonders erwartungsvollen Abenteurers eventuell nur knapp an einer Enttäuschung vorbeischrammen. Die Aufgaben selbst sind meist schön designt, jedoch erstaunlich wenig anspruchsvoll. Geblockte Aktionen, deren Ursache sich dem Spieler nicht immer erschließen und für unnötige Hänger sorgen können, sowie ein paar undurchsichtige Trigger müssen das Spielvergnügen zwar nicht unbedingt einschränken, laufen aber umgekehrt auch nicht gerade Gefahr, es zu steigern.
Ein Über-Adventure ist Gray Matter nicht geworden, aber mit Blick auf den Inhalt für mich das beste der letzten Jahre. Einzig Overclocked hat mich unter den klassischen Abenteuern diesbezüglich mehr begeistert. Die wichtigste Frage war nach der langen Entwicklungszeit aber wohl, ob sich das lange Warten gelohnt hat und ich beantworte diese Frage mit einem glasklaren Ja.
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