Egal, ob Darkling Room, Shadow Tor Studios oder Wadjet Eye Games mit der Blackwell-Serie… die Auseinandersetzung mit übernatürlichen Thematiken scheint sich unter Indie-Studios größter Beliebtheit zu erfreuen. Zu dieser Reihe gesellt sich nun auch der US-Entwickler Ethereal Darkness Interactive in Form seiner eigenen interaktiven Gruselmär. Ob sich Static: Investigator Training dabei als ernstzunehmende Konkurrenz zu seinen paranormalen Kollegen erweisen kann, klärt unser Test.
North Adams, Massachusetts. Eine Gruppierung, die sich mit der Erforschung des Übernatürlichen beschäftigt, sucht Zuwachs. Eine Bewerberin ist mit der jungen Gothicdame Julie Masters schnell gefunden, doch muss diese sich erst als würdig erweisen, um Mitglied von ""Berkshire Paranormal"" zu werden. Praktischerweise wird ausgerechnet die Zentrale der Organisation, das geschichtsträchtige Houghton-Anwesen samt näherer Umgebung, schon seit geraumer Zeit von rätselhaften Phänomenen heimgesucht. Will Julie in die Gruppe aufgenommen werden, liegt es an ihr, die Hintergründe der übersinnlichen Erscheinungen aufzudecken.
Nachdem der Leiter und die Rezeptionistin von Berkshire Paranormal Julie zu Beginn des Spiels ausführlich über den Hintergrund der Organisation und die Vergangenheit des Houghton-Hauses aufgeklärt haben, wird die paranormale Entwicklerin auf Probe auch schon ins kalte Wasser geworfen. Beinahe zumindest, denn immerhin darf sich der Spieler aus insgesamt sechs authentischen Hilfsmitteln für Geisterjäger nun drei aussuchen, die Julies Aufgabe erleichtern sollen. Und die Wahl zwischen Digitalkamera, Camcorder, Pendel, Temperaturmesser, Tonbandrekorder und EMF-Meter will durchaus wohl überlegt sein, da Temperaturmesser, EMF-Meter und das Pendel sich schnell als völlig überflüssig erweisen und keinerlei erwähnenswerten Beitrag zum Gameplay darstellen. Wer sich hingegen auf eine Kombination aus Kamera, Camcorder und Tonbandrekorder festlegt, wird bei der Point-and-Click-Geistersuche zumindest auf etwas konkretere Ergebnisse und einen Hauch mehr an Beschäftigung stoßen. Dass Static von Letzterer generell nicht viel bieten zu bieten hat, wird dabei schnell deutlich: Insgesamt sieben Hintergründe stehen während des Spiels zur Erkundung bereit, in denen es zumeist lediglich darum geht, sämtliche Hotspots anzuklicken und unsere Geisterjäger-Tools einzusetzen. Lohn für unsere „Mühen“: Das Festhalten von übernatürlichen Erscheinungen, die uns Stück für Stück mehr über den Hintergrund ihrer Aktivitäten verraten.
Um die begrenzt motivierende Klickerei abzurunden, spendieren Ethereal Darkness Interactive dem Spieler vereinzelt sogar mal ein Rätsel. Einlagen wie ein Audiorätsel oder das Deaktivieren eines Stromkastens fallen dann allerdings dermaßen simpel aus, dass sie bereits nach wenigen Sekunden gelöst sind und sie der monotonen Spielmechanik keinerlei Impulse verleihen. Gleiches gilt für die minimale Anzahl an Inventarrätseln, die kaum der Rede wert sind. Praktisch an so viel Simplizität: Wenn uns Static einmal vorenthält, was es denn nun eigentlich als nächstes zu tun gibt, sorgen die wenigen Interaktionsmöglichkeiten schnell für ein nahezu automatisches Weiterkommen. Da Novizin Julie Masters selbst relativ gelangweilt auf die geisterhaften Erscheinungen um sie herum reagiert, hat ihr der Entwickler immerhin etwas Beschäftigung verschafft und ihr per Knopf im Ohr Rezeptionistin Lindsey zur Seite gestellt. Diese attraktive Dame, mit einer ausgeprägten Vorliebe für Nagelpflege ausgestattet, stellt in der Theorie eine Beraterin dar, mit der wir permanent im Kontakt stehen. Ob es um Objekte innerhalb der Spielwelt oder neue Erkenntnisse geht: Lindsey hat in den meisten Fällen etwas zu sagen… in der Regel, dass sie gerade leider keine Ahnung hat. An diesem Umstand mag es auch liegen, dass sie und Julie sich ihre Zeit scheinbar am liebsten mit gegenseitigen Neckereien vertreiben.
Gruselig geht es in Static schon früh zur Sache: Nämlich genau ab dem Zeitpunkt, an dem der Spieler das erste Mal die Kontrolle über unsere Geisterjägerin in spe übernimmt und mit der mehr als hakeligen Steuerung konfrontiert wird. Fortbewegt wird der spielbare Charakter wahlweise mit der Maus oder den Cursor-Tasten der Tastatur. Wer zur traditionellen Maussteuerung greift, sollte allerdings darauf achten, die Spielfigur immer mit gedrückt gehaltener linker Maustaste fortzubewegen. Mit einfachem Mausklick wird Julie Masters nämlich grundsätzlich nie mehr als ein paar Schritte machen, völlig egal, welchen Punkt auf dem Bildschirm wir angeklickt haben. Generell bleibt die störrische Protagonistin gerne mal an Tischen, Stühlen und anderen „Hindernissen“ hängen. Platzieren wir Julie an einer Wand, halten die linke Maustaste gedrückt und ziehen sie nach links oder rechts, werden wir gar selbst zum Schöpfer eines mehr oder minder paranormalen Ereignisses und sehen Julie Masters die Wand entlang schweben. Am Ende bleibt der Eindruck eines sehr unprofessionellen und unausgegorenen Fortbewegungssystems, das wesentlich mehr Feinschliff verdient gehabt hätte.
Glücklicherweise erweist sich aber immerhin die restliche Bedienung des Spiels als weniger umständlich: Per linker Maustaste interagieren wir mit Hotspots. Ebenfalls mit der linken Maustaste können wir Inventargegenstände auswählen und diese mit der Umwelt kombinieren, wobei es zu nicht funktionierenden Kombinationen keinerlei Rückmeldung gibt. Manche unserer Gerätschaften, die wir nicht manuell mit Gegenständen verwenden können, aktivieren wir mit einem simplen Rechtsklick, so etwa unseren Camcorder, woraufhin automatisch eine Aufnahme des jeweiligen Raumes gemacht wird, insofern es dafür einen Grund gibt. Um unsere Inventargegenstände näher unter die Lupe zu nehmen, reicht ebenfalls ein Rechtsklick. Die dürftig ausfallenden Spieloptionen finden wir darüber hinaus in einer Taskleiste am oberen Bildschirmrand.
Die Qualität der an realen Schauplätzen orientierten Spielgrafik dürfte im Jahr 2010 niemanden mehr vom Hocker reißen, ist aber immerhin als halbwegs zweckmäßiges Fundament für das Spielszenario zu bezeichnen. Negativ macht sich sehr schnell bemerkbar, dass einige Objekte so übertrieben hervorgehoben werden, dass sie wie Fremdkörper in den Hintergründen wirken. Etwas mehr Bewegung hätte selbigen darüber hinaus ohnehin gut zu Gesicht gestanden, denn bis auf wenige geskriptete Ereignisse bleiben bewegliche Elemente Mangelware. Dass die in die detailarmen Schauplätze einkopierten „Schauspieler“ sich nicht sonderlich organisch in die Spielwelt integrieren, kennt man aus technisch verwandten Spielen aus den 90ern. Über ähnlich grausige Bewegungsabläufe der Protagonisten verfügten die Artverwandten hingegen nicht, denn wenn sich Julie wie ein von Trombose geplagter Tyrannosaurus durch die Umgebung quält, wirkt das nach allem, aber nicht nach menschlichen Fortbewegungsmethoden.
Die Texte der Spielfiguren werden im Übrigen von eingeblendeten Charakterportraits unterlegt, die ebenfalls keine Schönheitspreise gewinnen werden. So verfügt jede Person über jeweils ein Gesichtsportrait, bestehend aus einem Standbild, in dem allerdings künstlich der Mund und die Backen während der Dialogzeilen bewegt werden. Das extreme Tempo dieser Bewegungen sorgt dafür, dass sich auch dieses Element fernab jeglicher Realität befindet… außer, die Zentrale der Geisterjäger ist in Wirklichkeit nur eine Tarnung für hemmungslose Amphetamin-Partys. Hinzu kommt, dass das in den Portraits Gezeigte, nicht mit dem übereinstimmt, was gerade in der Spielwelt passiert. Während uns Lindsey in ihrem Portraitfenster etwa direkt anspricht, sehen wir, vor ihrem Schreibtisch stehend, wie ihre Figur innerhalb des Spiels zur selben Zeit gelangweilt ihre Fingernägel inspiziert. Wenig lässt sich darüber hinaus über die Video-Sequenzen des Spiels aussagen, denn die Geschichte des Spiels wird ausschließlich in Spielgrafik erzählt. Abgesehen von einem Mini-Intro und einer Tour durch das Houghton-Haus im Abspann, zeigen die FMV-Sequenzen von Static lediglich, wie Julie Masters von einer Location zur nächsten wechselt, also zum Beispiel eine Treppe hinuntersteigt oder einen Wald betritt. Dass diese, zumeist in Schwarz-Weiß gehaltenen, Videoeinlagen trotz eingefügten Unschärfeeffekten qualitativ nicht schlecht aussehen, ist bei der Belanglosigkeit dieser Szenen allerdings schon fast völlig nebensächlich.
Aus atmosphärischer Hinsicht liefert Static durchaus ein passables Ergebnis. Unheimliche Stimmen hier, ein wie aus dem Nichts erscheinender Vogelschwarm dort. Durch die recht hohe Anzahl von paranormalen Aktivitäten, die auf die wenigen Schauplätze verteilt wurden, wirkt es zumeist allerdings fast schon überraschender, wenn einmal nichts auf das Werk von Geistern hindeutet. Trotzdem vermögen es gerade die Unheil verkündenden Hintergrundgeräusche, ein dem Inhalt zumindest angemessenes Szenario zu erschaffen und hier und da für sanften Grusel zu sorgen.
Musikalisch wird das Spiel vom jeweils selben Lied der Gothic-Metal-Band Blind Faith and Envy eröffnet und beendet. Während des eigentlichen Spiels werden wir dann permanent mit exakt der gleichen, düsteren Klangtapete konfrontiert. Dies geschieht zwar immerhin auf unaufdringliche Art, sorgt aber nichtsdestotrotz schnell für klangliche Monotonie. Und auch wenn die Welt stimmlich sicher schlechtere Spiele als Static gesehen hat, wirkt es sich nicht gerade positiv aus, wenn die ohnehin völlig oberflächliche Hauptfigur samt ihres ständigen Sarkasmus derart unmotiviert wirkt. Ein Umstand, der es zusätzlich erschwert, irgendeine Form von Interesse an Julie Masters aufzubringen.
Wenn ein Spiel, dessen Abspann in den meisten Fällen bereits nach weniger als einer Stunde über den Bildschirm flimmern dürfte, immerhin versucht, innerhalb der extrem kurzen Spielzeit eine Geschichte zu erzählen, ist dies auf den ersten Blick durchaus lobenswert. Mehr als ein trivialer Mini-Aufguss einer nur allzu vertrauten Spukgeschichte, die hinter den Ereignissen rund um das Houghton-Anwesen steckt, kommt dabei am Ende aber nicht raus. Und just, wenn man der Meinung ist, nun müsse es erst richtig losgehen, ist dann urplötzlich Schluss und der Spieler wird mit der Frage allein gelassen, wofür das soeben Erlebte eigentlich gut gewesen ist.
Ob paranormale Ermittlerinnen in der Realität auch in High Heels und Minirock über nächtliche Friedhöfe spazieren, sei dahingestellt. Peinlich wird es dann, wenn FMV-Sequenzen, die zeigen, wie Julie Masters einen Schauplatz wechselt, am Tag aufgenommen wurden, die Spielgrafik aber auf Nacht getrimmt ist… ein Patzer, der sofort an die legendären Tag-Nacht-Pannen in Ed Woods Plan 9 from Outerspace erinnert. Den unfreiwillig komischen Charme dieses filmischen Waterloos wird man in Static allerdings vergeblich suchen. Ein ohnehin schon an vielen Ecken und Kanten angekratztes Gesamtbild runden dann auch noch gelegentlich mögliche Abstürze und einige fehlende Kommentare zu der überschaubaren Anzahl an Hotspots ab.
Für Freunde von Geister-Adventures mag Static: Investigator Training durchaus ein angemessenes Stimmungsgebilde abliefern, das war es dann aber auch schon. Egal, ob es um die Story, das Gameplay oder die Charaktere geht, erweist sich Static als einzige, uninspirierte Banalität, deren minimale Spielzeit diesem Titel endgültig einen Strick dreht. Wer für sein Geld einen angemessenen Gegenwert erwartet, ist dementsprechend gut beraten, die knapp 10 Dollar, die Ethereal Darkness Interactive für diesen englischsprachigen Download-Titel verlangt, anderenorts zu investieren. Wer dennoch einen Kauf in Erwägung zieht, kann sich anhand einer Stand-Alone-Demo einen eigenen Eindruck verschaffen.
Zugegeben, für das Konzept, einen leicht bekleideten Gothic-Twen auf Geisterjagd zu schicken, bin ich in der Theorie durchaus empfänglich. In der Praxis ließ die Ernüchterung dann allerdings nicht lange auf sich warten. Ein netter, kleiner Happen zum Zeitvertreib zwischendurch mag keine schlechte Sache sein, aber selbst dafür ist mir Static: Investigator Training zu belanglos.
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